Suchttherapie 2012; 13(04): 150
DOI: 10.1055/s-0032-1330889
Neues & Trends
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Für Sie gefragt – Substitution und Recht – Neues aus der Rechtsprechung

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Publication Date:
06 November 2012 (online)

 

? Was sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die für eine Take-home-Verordnung erfüllt werden müssen? Ab wann bzw. wie lange müssen die regelmäßigen Urinkontrollen sauber, ohne Befund und Nachweis für einen Drogenkonsum sein, bevor dem Substitutions-patienten eine Take-home-Regelung zusteht bzw. angeboten werden kann?

Es gibt prinzipiell 2 Möglichkeiten der Take-home-Verordnung: die für bis zu 2 Tage nach § 5 Abs. 8 Satz 1 BtMVV, die sogenannte Z-Verordnung, und die reguläre nach § 5 Abs. 8 Satz 4 BtMVV. Die Z-Verordnung gilt für unterversorgte Gebiete, in denen die Vergabe sonst nicht gewährleistet werden kann. Schwieriger sind die Grundsätze der "normalen" Take-home-Verordnung. Sobald sich der Zustand des Patienten stabilisiert hat und solange eine Überlassung des Substitutionsmittels zum unmittelbaren Verbrauch nicht mehr erforderlich ist, darf der Arzt dem Patienten eine Verschreibung über die für bis zu 7 Tage benötigte Menge des Substitutionsmittels aushändigen und ihm die eigenverantwortliche Einnahme erlauben. Die Aushändigung einer Verschreibung nach Satz 4 ist insbesondere dann nicht zulässig, wenn die Untersuchungen des Arztes Erkenntnisse ergeben haben, dass der Patient
- Stoffe konsumiert, die ihn zusammen mit der Einnahme des Substitutionsmittels gefährden

- unter Berücksichtigung der Toleranzentwicklung noch nicht auf eine stabile Dosis eingestellt worden ist
- oder Stoffe missbräuchlich konsumiert.

Für die Bewertung des Behandlungsverlaufs durch den substituierenden Arzt ist im Übrigen der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Wissenschaft maßgebend. Das bedeutet zwar, dass der Zeitpunkt nicht exakt beschrieben ist, aber die Verantwortung und damit die Beweislast beim Arzt liegt. In der Literatur findet man am häufigsten die 6-Monate-Regel, die in begründeten Ausnahmen unterschritten werden kann. Beim Nachweis von unterbliebenem Nebenkonsum ist darauf zu achten, dass die Kontrollen unter Sicht erfolgen.

? Für eine Woche kann eine Take-home-Verordnung ausgestellt werden. So kann der Patient an 6 Tagen zu Hause eigenverantwortlich das Substitut einnehmen. Am 7.Tag bringt der Patient sein Substitut mit und trinkt dies unter Sicht in der Praxis oder in der Apotheke. Woher soll man wissen, dass in den Flaschen wirklich Methadon drin ist oder die Menge, die verschrieben wurde? Das Methadon in eine Spritze aufziehen und so die Menge bestimmt?

Die Darstellung der Problematik ist grundsätzlich zutreffend. Die vorgeschlagene Kontrolle ist grundsätzlich eine Möglichkeit, um die ordnungsgemäße Mitwirkung des Patienten zu ermöglichen. Für die am 7. Tag in die Praxis mitzubringende Flasche, können wir uns aus eigener Erfahrung eine Versiegelung der Flaschen (ähnlich einer Softdrinkflaschen mit einem Kranz versehen) vorstellen.

? Wir haben Schwierigkeiten in der 1-mal wöchentlichen Unter-Sicht-Einnahme bei unseren Take-home-Patienten. Viele arbeiten im Schichtdienst. Insbesondere unsere mit Methadon substituierten Patienten schaffen es nicht, bei der Arbeit bis zum Nachmittag (je nach Schicht) ohne Methadon auszuhalten. Diese vor der Arbeit in die Apotheke zu schicken, funktioniert wegen der Arbeitszeiten nicht. Gibt es offizielle Ausnahmeregelungen für solche Fälle?

Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass es keine Ausnahmen gibt.

? Mehrere Firmen drängen mit Subutex-Generika auf den Markt. Diese benutzen Talkum als Bindemittel. Wenn ich diese Generika verschreibe und zuvor die Patienten – schriftlich – über das Risiko einer intravenösen Anwendung belehrt habe, bin ich dann aus der Haftung? Kann ich dann in irgendeiner Weise belangt werden?

Selbstverständlich können sie das Generika verschreiben. Richtig ist auch, dass der Patient aufgeklärt werden muss. Dabei muss wegen der Besonderheiten des Krankheitsbildes auch über die Konsequenzen des nicht bestimmungsgemäßen Gebrauchs aufgeklärt werden. Diese Aufklärung ist in einem persönlichen Arzt-Patienten-Gespräch vorzunehmen und dann schriftlich zu dokumentieren. Eine rein schriftliche Aufklärung ist nicht ausreichend. Es muss immer ein persönliches Arzt-Patienten-Gespräch stattfinden. Dieses kann auch nicht auf das nichtärztliche Personal delegiert werden.

? Die psychosoziale Begleitung muss durch eine anerkannte Sucht- und Drogenberatungsstelle erfolgen. Was bedeutet in diesem Fall "anerkannt"? Wer legt die Kriterien für die Anerkennung fest, bzw. von wem muss die Beratungs-stelle anerkannt sein?

Interessanterweise gibt es keine generellen Kriterien für die Anerkennung einer Sucht- und Drogenberatungsstelle, daher kann dem Grunde nach jede Einrichtung, welche die psychosoziale Betreuung von Drogenabhängigen durchführt, als anerkannte Sucht- und Drogenberatungsstelle angesehen werden. Sowohl in der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung als auch in den Richtlinien der Bundesärztekammer sind keine Kriterien aufgeführt, die die Fragen der Anerkennung als Beratungsstelle klären.

Dr. Bernd Weber, Kassel