Dtsch Med Wochenschr 2013; 138(12): 569
DOI: 10.1055/s-0032-1332971
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Herzmuskelerkrankungen – Herzinsuffizienz: neue Konzepte

Cardiomyopathies – heart failure: new concepts
H. A. Katus
1   Innere Medizin III: Kardiologie, Angiologie und Pneumologie, Medizinische Klinik, Universität Heidelberg
,
P. Raake
1   Innere Medizin III: Kardiologie, Angiologie und Pneumologie, Medizinische Klinik, Universität Heidelberg
,
E. Erdmann
2   em. Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie und Internistische Intensivmedizin der Universität zu Köln
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Publication Date:
12 March 2013 (online)

Die Frühjahrstagung 2013 der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie-, Herz und Kreislaufforschung in Mannheim widmet sich dem Schwerpunktthema Kardiomyopathien. Damit wird eine Krankheitsgruppe aufgegriffen, die besonders die Kardiologen in ihrem Wissen zu den molekularen Krankheitsursachen und Pathophysiologie, aber auch den notwendigen differenzialdiagnostischen Strategien und krankheitsspezifischen Therapien herausfordert. Unter dem Begriff Kardiomyopathien werden primäre Erkrankungen des Herzmuskels mit unterschiedlicher Ursache, Symptomatik und klinischem Verlauf zusammengefasst. Diese heterogene Krankheitsgruppe wird nach dem führenden klinischen Phänotyp (dilatativ, hypertrophisch, restriktiv und elektrisch) oder nach den Ursachen (genetisch, gemischt und erworben) eingeteilt. Mit den unterschiedlichen Phänotypen und ihrer klinischen Bedeutung beschäftigen sich mehrere Beiträge in diesem Heft. Die Autoren sind ausgewiesene Experten in diesem Gebiet und verstehen es hervorragend, eine Brücke von den molekularen Grundlagen zur Klinik zu schlagen.

Im Beitrag der Kieler Arbeitsgruppe wird der Fortschritt in unserem Krankheitsverständnis der hypertrophischen Kardiomyopathie hervorragend dargestellt. Es wird klar, dass sich physiologische und pathologische Myokardhypertrophie molekular unterscheiden, die adaptive Myokardhypertrophie mit einer schlechteren Prognose assoziiert ist und die Myokardhypertrophie selbst als Krankheitsprozess mit ungünstiger Prognose zu werten ist. Es wird klar, dass wir die hypertrophische Kardiomyopathie als eine genetische Erkrankung des Sarkomers sehen müssen, die vor allem durch Mutationen von Myosinbindungsprotein und Myosinschwerketten bedingt ist.

Kardiomyopathien sind die häufigste Ursache für plötzlichen Herztod bei jüngeren Sportlern und die führende Indikation für eine Herztransplantation unter 50 Jahre. Etwa 30 % aller Patienten mit der klinischen Diagnose Herzinsuffizienz leiden an einer Kardiomyopathie. Die Vielzahl der möglichen Ursache einer Herzhypertrophie oder kontraktilen Dysfunktion erfordern innovative, vertiefende Diagnoseverfahren. Die Herausforderungen an die klinische Diagnostik werden exemplarisch im Mediquiz von Egenrieder et al. beschrieben. Es wird deutlich, dass die kardiale CT zu einer entscheidenden Bildgebungsmodalität gereift ist und inzwischen zum Standard einer klinischen Phänotypisierung bei Verdacht auf Kardiomyopathie gehört.

Die American Heart Association subsummiert in ihrer Klassifikation der Kardiomyopathien angeborene Ionenkanalerkrankungen als weitere Kategorie unter die Kardiomyopathien. Inzwischen sind unterschiedlichste Mutationen verschiedener Ionenkanäle identifiziert, die mit einem erhöhten Risiko für plötzlichen Herztod assoziiert sind. In dem fundierten Beitrag der Arbeitsgruppe aus Mannheim wird deutlich, dass die genetischen Varianten in den Ionenkanälen nicht nur als primäre Kardiomyopathie, sondern auch bei kardialen Erkrankungen anderer Genese die Inzidenz von bedrohlichen Herzrhythmusstörungen bestimmen.

Mit der entscheidenden Rolle einer korrekten Ursachendiagnostik und den erforderlichen Untersuchungsmethoden beschäftigt sich der Pro- und Contra-Beitrag. In den letzten Jahren wurde gezeigt, dass die hypertrophische Kardiomyopathie und mindestens ein Drittel aller dilatativen Kardiomyopathien familiär gehäuft auftreten und somit vererbliche Erkrankungen sind. Diese überzeugenden Daten zur genetischen Ursache stellt die Bedeutung von Virusinfektionen als wichtigste Ursache für die Kardiomyopathien in Frage. Es ist eine Bestandsaufnahme notwendig, welche Rolle der histologischen Entzündungsdiagnostik aus Myokardbiopsien und der genetischen Mutationsdiagnostik bei Kardiomyopathie zukommen sollte. In ihren Beiträgen stellen die Arbeitsgruppen aus Berlin und Heidelberg ihre unterschiedliche Sicht dar. Es wird deutlich, dass die viral bedingte Entzündung und die genetischen Varianten/Mutationen ursächlich bedeutend sind und deshalb bei der Diagnostik berücksichtigt werden müssen.

Die Herzinsuffizienz ist die gemeinsame Endstrecke der Kardiomyopathien. In der Behandlung der Herzinsuffizienz wurden in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte erzielt. Dies betrifft neue Daten zu bereits verfügbaren Medikamenten, aber auch zu neuen Substanzen, die sich noch in den klinischen Studien befinden. Parallel zu den Fortschritten in der medikamentösen Therapie wurden, getrieben durch den technischen Fortschritt, neue elektrische und mechanische Behandlungsoptionen für die schwere Herzinsuffizienz erprobt. Diese spannende Entwicklung wird in den Beiträgen aus Leipzig und Heidelberg diskutiert. Es wird klar, dass durch die Zunahme der Herzinsuffizienz und die Fortschritte in der Therapie spezialisierte Teams und innovative Versorgungsstrukturen benötigt werden.

Prof. Dr. Hugo A. Katus, Dr. Philip Raake, Prof. Dr. Erland Erdmann