Dtsch Med Wochenschr 2013; 138(13): 631
DOI: 10.1055/s-0032-1333029
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Innere Medizin – vom Organ zum System

Internal medicine: from an organ-specific to a systemic perspective
E. Märker-Hermann
1   Klinik Innere Medizin IV (Rheumatologie, klinische Immunologie und Nephrologie), HSK Dr. Horst Schmidt Klinik, Klinikum der Landeshauptstadt Wiesbaden
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Publication Date:
19 March 2013 (online)

Das Leitthema des 119.  Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), „Innere Medizin – vom Organ zum System“, repräsentiert unsere Vorstellung, dass Innere Medizin mehr bedeutet als eine abstrakte „Mutterdisziplin“, welche die einzelnen Organschwerpunkte unter sich vereinigt. Vielmehr stellen sich die Internistin und der Internist im klinischen Alltag, in der Praxis und auch in der wissenschaftlichen Forschung täglich der Herausforderung, übergeordnet und systemisch zu denken. Dies bedeutet, den Patienten nicht nur im Hinblick auf eine (internistische) Organerkrankung hin wahrzunehmen, sondern seine Komorbiditäten und mögliche übergeordnete pathophysiologische Prinzipien hinter scheinbar parallel auftretenden Symptomen bzw. Krankheiten zu erkennen. Auch sein psychosoziales Umfeld ist zu berücksichtigen. Das diesjährige Kongress-Logo – einen Ausschnitt sehen Sie auf der Titelseite – zeigt das Bild „Kopf in Rot-Weiß-Gold“ (Museum Wiesbaden) aus der Reihe „Abstrakte Köpfe“ des Malers Alexej von Jawlensky, der in Wiesbaden starb und begraben wurde. Es spiegelt in eindruckvoller Weise die Erkenntnis wider, dass das künstlerische Schaffen durch eine chronische Erkrankung wie in diesem Fall durch eine rheumatoide Arthritis geprägt werden kann.

Die Originalarbeit dieses Hefts stellt ein großes, versorgungsmedizinisch wichtiges Projekt vor, an dem eine Vielzahl deutscher Krankenhäuser beteiligt war. Beschrieben werden zwei Krankenhaus-basierte, anlassbezogene Surveillance-Systeme (pandemische Influenza 2009/2010 und Ausbruch enterohämorrhagischer E. coli [EHEC] 2011), ihre Implementierung und Akzeptanz.

Sehr lesenswert und lehrreich ist die Kasuistik: Sie beschreibt den ungewöhnlichen Fall der „Progredienz“ einer vermeintlichen „zentralen Lungenarterienembolie" unter therapeutischer Antikoagulation.

In der Rubrik Aktuelle Diagnostik & Therapie finden Sie in diesem Heft eine Arbeit zu Elektrolytstörungen, die in den vergangenen Jahren gerade bei älteren, multimorbiden und medikamentös komplex behandelten Patienten deutlich zugenommen haben. Sie sind für einen erheblichen Anteil der stationären Aufnahmen älterer Menschen in den internistischen und neurologischen Kliniken verantwortlich zu machen.

Im Mediquiz wird eine endoskopische Blickdiagnose mit entsprechenden differenzialdiagnostischen Erwägungen vorgestellt.

Die Übersicht zur neuen Nomenklatur der systemischen Vaskulitiden und zu neuen Therapiestrategien ist ein ausgezeichnetes Beispiel für Erkrankungen, die das Leitthema „Innere Medizin – vom Organ zum System“ direkt widerspiegeln und auch meinen persönlichen internistischen Schwerpunkt, die Rheumatologie und klinische Immunologie, betreffen. Patienten mit Vaskulitis können gerade in der Initialphase der Erkrankung vordergründig an einer Organmanifestation wie einer Sinusitis, einer Lungenentzündung, Hautulzera oder einer Niereninsuffizienz leiden. Für den Patienten kann es prognose- und lebensentscheidend sein, dass der erstbetreuende Internist frühzeitig an eine Systemerkrankung denkt und interdisziplinär handelt. In der Behandlung der Vaskulitiden gab es in den vergangenen Jahren wesentliche Fortschritte in der Induktions- und Erhaltungstherapie mit entsprechenden internationalen Standards.

Für die Rubrik Kommentar haben wir einen Beitrag aus der Uniklinik Köln ausgewählt. Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen sind wichtige Instrumente der Qualitätssicherung in der (Inneren) Medizin, die zunehmend in unseren Kliniken etabliert werden. Es ist zu erwarten, dass solche Konferenzen vor allem helfen, die kritische Selbstreflexion und Fehlerkultur zu verbessern.

Abschließend wenden wir uns in diesem Schwerpunktheft der „individualisierten Medizin“ zu. Die Einführungsvorträge über „Individualisierte Therapiestrategien – wo stehen wir heute?“ waren Teil des letztjährigen Symposiums der Walter-Siegenthaler-Gesellschaft für Fortschritte in der Inneren Medizin in Köln und wurden als Gastsymposium auch in unser diesjähriges Programm des DGIM-Kongresses aufgenommen. Professor Erdmann, Präsident der Walter-Siegenthaler-Gesellschaft, begleitet mehrere Kurzbeiträge zu diesem interessanten, auch kritisch diskutierten Thema mit einem eigenen Editorial.

Ich hoffe, dass ich Ihr Interesse an den thematisch breit gefächerten und spannenden Beiträgen im diesjährigen Schwerpunktheft Innere Medizin anlässlich des 119. DGIM-Kongresses wecken konnte, und lade Sie hiermit herzlich zum Kongress ein!

Mit freundlichen kollegialen Grüßen