Erfahrungsheilkunde 2013; 62(4): 187-195
DOI: 10.1055/s-0033-1334389
Wissen
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Lungensport und Atemgymnastik bei COPD

Oliver Göhl
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Korrespondenzadresse

Dr. phil. Oliver Göhl
Sportwissenschaftler, Sporttherapeut
Klinikum Donaustauf
Ludwigstr. 68
93093 Donaustauf

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Publication Date:
02 September 2013 (online)

 

Zusammenfassung

In den aktuellen nationalen COPD-Leitlinien wird explizit empfohlen, dass körperliches Training, z. B. in Form des ambulanten Lungensports, Teil der Langzeittherapie sein soll. Auch im Rahmen des Disease-Management-Programms COPD wird gefordert, dass der behandelnde Arzt darauf hinwirkt, dass der Patient regelmäßig geeignete Maßnahmen des körperlichen Trainings ergreift.

Der Beitrag liefert neben theoretischen Grundlagen einen Überblick zur praktischen Umsetzung dieser Maßnahmen.


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Abstract

In the current national COPD guidelines it is explicitly recommended, that physical training, e. g. in the form of ambulant lung sports, should be part of the long-term therapy. Within the scope of the COPD disease management program it is demanded, that the attending physician encourages the patient to take regularly appropriate measures of physical training.

Apart from theoretical basics, the article provides an overview of the practical implementation of these measures.


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Klinisches Bild der COPD

Typischerweise berichten Patienten mit einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD: chronic obstructive pulmonary disease) über die Symptome Atemnot − zunächst unter Belastung und später auch in Ruhe − Husten und Auswurf. Als weitere Krankheitszeichen werden Geräusche beim Ausatmen und ein Engegefühl in der Brust genannt.

Gemäß den aktuellen GOLD-Leitlinien, gilt die COPD als eine Erkrankung, die verhindert und behandelt werden kann [1].

Die COPD ist charakterisiert durch eine persistierende Atemwegsobstruktion, die typischerweise progredient verläuft und mit einer abnormen chronischen Entzündungsreaktion, die durch Partikel oder Gase ausgelöst wird, assoziiert ist.

Akute Verschlechterungen (Exazerbationen) und Komorbiditäten tragen zum Schweregrad der Erkrankung bei.

Bei den Ausführungen zur charakteristischen chronischen Einschränkung des Atemflusses werden eine Kombination aus der Erkrankung der kleinen Atemwege und Zerstörung des Lungenparenchyms angeführt und auf die bisher häufig verwendeten feststehenden Begriffe (und ihrerseits eindeutig definierten Krankheitsbilder) „chronisch obstruktive Bronchitis“ und „Lungenemphysem“ verzichtet. Als Hauptrisikofaktor gilt weiterhin das Rauchen.

Zahlreiche Studien haben signifikante Zusammenhänge zwischen dem eingeschränkten Atemfluss, z. B. definiert durch die Lungenfunktionsgröße FEV1 (forciertes exspiratorisches Volumen in einer Sekunde), und extrapulmonalen Erkrankungen bestätigt. Die Verbindung zwischen der COPD und diesen extrapulmonalen Manifestationen scheint eine systemische Inflammationsreaktion zu sein. Die genauen pathogenetischen Mechanismen sind noch nicht bekannt. Die häufigsten Komorbiditäten sind:

  • koronare Herzkrankheit (KHK),

  • Vorhofflimmern,

  • arterielle Hypertonie,

  • Herzinsuffizienz,

  • Gewichtsverlust (insbesondere der fettfreien Masse),

  • Osteoporose,

  • Stoffwechselkrankheiten (Diabetes mellitus) und

  • Depression.

Als wesentliche extrapulmonale (systemische) Effekte werden angeführt:

  • Gewichtsverlust,

  • Abnormalitäten des Ernährungsstatus und

  • eine Dysfunktion der Skelettmuskulatur.


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Management

[Tab. 1] fasst wesentliche Therapieziele und -optionen in der Behandlung der stabilen COPD zusammen.

Tab. 1:

Wesentliche Therapieziele und -optionen in der Behandlung der stabilen COPD. mod. nach [1]

Therapieziele

Linderung der Symptome

Verminderung der Symptome

Verbesserung der Belastbarkeit

Verbesserung des Gesundheitsstatus

Verhinderung der Krankheitsprogression

Verminderung des Risikos

Verhinderung und Behandlung der Exazerbationen

Reduzierung der Sterblichkeit

Therapieoptionen

Raucherentwöhnung

Leitliniengemäße medikamentöse Therapie kann Symptome reduzieren, die Häufigkeit und Schwere von Exazerbationen reduzieren und den Gesundheitsstatus und die Belastbarkeit erhöhen. Bisher ist es nicht gelungen, den Langzeitverlauf der Lungenfunktion entscheidend zu modifizieren.

Grippe- und Pneumokokkenschutzimpfung

Pneumologische Rehabilitation als komplexe Therapieoption, welche u. a. das körperliche Training und Atemphysiotherapie umfasst.

In der Umsetzung ist es entscheidend, dem Patienten das Wesen der Erkrankung und die Risikofaktoren für die Progression näherzubringen.

Körperliches Training ist Teil eines leitliniengemäßen Langzeitmanagements bei COPD [2]. Die Evidenz und der Stellenwert des körperlichen Trainings resultiert aus randomisierten kontrollierten Studien und Metaanalysen [3], [4], die v. a. im Rahmen von multidisziplinären Rehabilitationsprogrammen durchgeführt wurden. Patienten aller Schweregrade profitieren [5], auch im höheren Lebensalter [6]. In [Tab. 2] sind die gesicherten Effekte der pneumologischen Rehabilitation bei COPD aufgelistet.

Tab. 2:

Effekte der pneumologischen Rehabilitation bei COPD (nach [1]). Evidenzgrad A: randomisiert, kontrollierte Studien, große Datengüte; Evidenzgrad B: randomisiert, kontrollierte Studien, begrenzte Datengüte; Evidenzgrad C: nicht randomisiert, kontrollierte Studien, Beobachtungsstudien.

Effekte der pneumologischen Rehabilitation bei COPD

Evidenzgrad

Besserung der körperlichen Leistungsfähigkeit

A

Verminderung der Atemnot

A

Besserung der krankheitsspezifischen Lebensqualität

A

Reduktion der Anzahl und Dauer von Krankenhausaufenthalten

A

Reduktion von COPD-assoziierter Angst und Depression

A

Kraft und Ausdauertraining der oberen Extremität verbessern die Funktion der Arme

B

Positive Effekte eines Trainingsprogramms überdauern die Trainingsperiode

B

Lebensverlängerung

B

Atemmuskeltraining ist effektiv, insbesondere in Kombination mit allgemeinem körperlichen Training

C

Die Physiotherapie bzw. Atemtherapie wird inzwischen als physiotherapeutische Atemtherapie bezeichnet [7]. Es steht eine Reihe von Techniken zur Verfügung, um u. a. die charakteristischen Symptome Atemnot, Husten und Auswurf anzugehen. Die Evidenzen für die physiotherapeutische Atemtherapie liegen häufig nur im Bereich C und D [8]−[11], gerätegestützte Maßnahmen zur Sekretmobilisation und -elimination sind höher ausgewiesen. Dies liegt zum einen daran, dass es schwierig ist, die postulierten Wirkmechanismen in vivo zu beweisen, und zum anderen, dass Studien mit ausreichender methodischer Güte bisher noch nicht umgesetzt wurden. Unabhängig davon ist die physiotherapeutische Atemtherapie unabdingbar in der Therapie der COPD, denn ohne eine (Sekret-) „freie“ Lunge und eine geeignete Atemtechnik (Stichwort: Obstruktion, dynamische Überblähung) ist u. a. die Umsetzung körperlicher Aktivität nicht möglich.

Nicht zu unterschätzen ist ferner der Einsatz der physiotherapeutischen Atemtherapie bei Patienten mit Exazerbation auf der Intensivstation. Neben den geschilderten Maßnahmen wird der Patient mobilisiert und Stück für Stück an körperliche Aktivität herangeführt. Der Physiotherapeut trägt wesentlich zum Erfolg der Behandlung der COPD-Exazerbation auf der Intensivstation bei.

Nachfolgend, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, Ausführungen zu einzelnen Techniken.

Hinweis

Erste Daten zeigen, dass die Trainingstherapie während und nach einer Exazerbation Reexazerbationen verhindert und sogar die Mortalität reduzieren kann. Die Zahl der Patienten, die rehabilitiert werden müssen, um eine Exazerbation zu vermeiden, beträgt nur n = 3 „number needed to treat“ (NNT). Dies kann bislang wohl mit keiner medikamentösen Therapie allein erreicht werden. Für die Mortalität beträgt die NNT n = 6. Die Kombination aus Training und medikamentöser Therapie hat vermutlich jedoch einen additiven Effekt.


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Atemphysiotherapie

Exspiratorische Stenosentechniken

Die am häufigsten angewandte Methode ist die sog. Lippenbremse. Ferner stehen eine Reihe „apparativer Hilfen“ zur Verfügung, um den für die Stabilität der Bronchien notwendigen positiven endexspiratorischen Druck (engl.: pressure) zu erzeugen; vom einfachen Strohhalm (Zurechtschneiden auf passenden Durchmesser und Länge) bis zu industriellen Geräten mit verschieden großen Löchern (Stenosen; Begriff: Stenoseatmung). In diesem Zusammenhang wird auch von PEP-Systemen gesprochen. Die Lippenbremse sollte regelhaft bei Belastungen eingesetzt werden, ist aber auch bei Atemnot in Ruhe sinnvoll. Durch eine absichtlich erzeugte zu kleine Öffnung am Mund (Stenose) entweicht die Luft langsamer und wird sogar etwas gestaut. Bis in die kleinsten Atemwege baut sich so von innen ein Druck/Rückstau gegen die Atemwege auf (intrabronchiale Druckerhöhung), der das Zusammenfallen verhindert (Abschnüren der Luft, Abbrechen der Strömung, Kurzatmigkeit). Dadurch kann die Luft auch aus den kleinsten Atemwegen kontrolliert strömen. Insgesamt wird die Atmung tiefer (Entblähen von gestauter Luft) bzw. bleibt tief (kontrollierte vertiefte Atmung) ([Abb. 1]).

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Abb. 1: Ausatmung mit und ohne Lippenbremse. nach [14]

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Atemerleichternde Ausgangsstellungen

Atemerleichternde Ausgangsstellungen wirken durch Abstützung (z. B. der Arme wie beim sog. Kutschersitz, [Abb. 2]), entlasten so den Thorax vom Gewicht des Schultergürtels und verbessern die Effektivität der Atmung. Auf diesem Prinzip beruht z. B. auch die Anwendung des Rollators beim Gehen.

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Abb. 2: Atemerleichternde Ausgangsstellungen. nach [14]

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Verbesserung der Sekretmobilisation und -elimination

Häufig finden apparative Hilfen Verwendung (oszillierende PEP-Systeme, z. B. VRP 1® Flutter oder RC-Cornet®). Nachfolgend die Darstellung des Wirkprinzips anhand des Flutters ([Abb. 3]). Im Gerät selbst befindet sich eine Metallkugel. Wenn man in das Gerät ausatmet, wird diese Kugel durch den Luftstrom angehoben − die Luft entweicht durch die „Löcher im Deckel“ − und senkt sich dann durch das Eigengewicht wieder. Der Luftstrom wird also unterbrochen, um sich kurz darauf wieder aufzubauen und die Kugel erneut anzuheben. Dieser Vorgang wiederholt sich über die ganze Ausatmung oft und schnell. Es entsteht eine sog. Oszillation. Diese Schwingung (Frequenz: 8−32 Hz) überträgt sich auf die Atemwege, die in eine Eigenschwingung geraten.

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Abb. 3: Apparative Hilfen wie der Flutter verbessern die Sekretmobilisation. nach [14]

Man vermutet auch eine Erniedrigung der Sekretviskosität. Ferner verändert sich der Atemfluss (Atemflussmodulation) und ein Zusammenfallen der Atemwege (Atemwegskollaps) wird vermieden. Insgesamt schert der Schleim, der an den Atemwegen haftet, leichter ab (Schleimmobilisation).

Die Anwendung solcher Geräte kann, je nach Schleimmenge, 5−10 min betragen. Der Einsatz kann mehrmals täglich erfolgen, um die Lunge „sauber zu halten“ (Bronchialtoilette). Nach Abhusten des Sekrets unbedingt auf Farbe (der Umschlag des Sekrets von Gelb nach Grün kann z. B. ein Hinweis auf eine bakterielle Infektion sein und den Einsatz eines Antibiotikums erwägenswert machen), Menge und Beschaffenheit (z. B. deutlich mehr und zäher) prüfen, um eine Exazerbation rechtzeitig zu erkennen.

Ideal wäre, wenn der Patient dann eine zentrale Technik, die sog. autogene Drainage beherrscht. Durch verschieden tiefe und schnelle Atemzüge kann Sekret mobilisiert, gesammelt und transportiert werden und über einen kontrollierten Hustenstoß (z. B. Huffing) abgehustet werden ([Abb. 4]).

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Abb. 4: Atemvolumina und Ausnutzung spezifischer Eigenschaften bei der autogenen Drainage. nach [14]

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Dreh- und Dehnlagen

Durch die Obstruktion und die Überblähung ist die Atmung bei COPD deutlich erschwert [Tab. 3].

Tab. 3:

Prozentualer Anteil des Sauerstoffs, der mit der Einatmung aufgenommen und allein „für die Lunge“ bzw. „für die Atmung an sich“ verbraucht wird (% maximale Sauerstoffaufnahme [VO2max]); nach [14]

Gesund

COPD

Unter Ruhebedingungen ist die Atemarbeit bei COPD ca. 12 × höher als bei „Lungengesunden“.

Ruhe

1−5 %

bis 30 %

Belastung

10−15 %

bis 60 %

Durch diese ständige Erhöhung der Atemarbeit über die Jahre entstehen eine Verkürzung und Abschwächung der Atemmuskeln. Dies führt zu einer „Einschnürung“ von Rippengelenken und Rippen („Verhärtung des Brustkorbs“). Das mögliche Bewegungsausmaß (und damit die Menge an Luft, die bewegt werden kann) sinkt und gleichzeitig erhöht sich die Atemarbeit: Zum Problem „innen“ (Lunge) ist ein Problem „außen“ entstanden, mit weiteren Konsequenzen. Daher sollten entsprechende Maßnahmen zu Erhalt und Verbesserung der Thoraxbeweglichkeit zum Routineprogramm gehören. Hier bietet sich der Einsatz von Dreh- und Dehnlagen an. Hierbei wird sukzessive von der Ausgangsposition in die Endposition übergegangen und so die Dehnung kontrolliert und gezielt auf den Brustkorb erhöht ([Abb. 5]).

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Abb. 5: Die sog. C-Dehnlage wird von Patienten gerne als „Halbmond“ oder „Banane“ bezeichnet. nach [14]

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Körperliches Training

Folgendes Vorgehen wäre bei der Etablierung eines körperlichen Trainings, z. B. im ambulanten Lungensport, sinnvoll:

  • Medizinische Eingangsuntersuchung durch einen Arzt.

  • Wissen aneignen: Patientenschulung erweitert um Erläuterungen zu u. a. Training, Belastung, Beanspruchung, Einstellverhalten von einzelnen Organen und Erholung.

  • Erlernen von Atem- und Selbsthilfetechniken (z. B. bei einem Physiotherapeuten, in einer Rehabilitationsmaßnahme oder im Lungensport).

  • Üben der erlernten Atem- und Selbsthilfetechniken in Ruhe und unter Belastung. Hierbei Selbstwahrnehmungs- und Intensitätsschulung u. a. durch Atemfrequenz, Atemrhythmus und Borg-Skala.

  • Trainieren verschiedener Inhalte in verschiedenen Trainingsbereichen unter Anleitung und später auch selbständig in Eigenverantwortung (z. B. in häuslicher Umgebung bei/nach Infekt).

Wesentliche Punkte für die praktische Empfehlung für alle COPD-Patienten sind:

  • dauerhafte Erhöhung des Aktivitätslevels

  • Kombination aus Ausdauer- und Krafttraining mindestens 2−3 × pro Woche

  • Ausdauertraining: Einheiten von mindestens 30 min (ggf. im Intervallmodus bei fortgeschrittener COPD)

Wichtig ist die Botschaft, dass es sich um eine lebenslange Therapie handelt.

Notwendige Voruntersuchungen und Voraussetzungen für körperliches Training

Vor Beginn einer ambulanten Trainingstherapie bei COPD sollte eine ärztliche Untersuchung erfolgen. Zudem ist eine adäquate leitliniengemäße medikamentöse Therapie unabdingbar. Darüber hinaus ist für die Teilnahme am ambulanten Lungensport eine gewisse Mindestbelastbarkeit erforderlich und es sind Kontraindikationen zu beachten. Hierzu wurden von der Deutschen Atemwegsliga Empfehlungen erstellt, die in Kürze als Update erscheinen sollen.


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Ausdauertraining

Ausdauertraining wird über Intensität, Dauer und Häufigkeit der Belastung charakterisiert. Bei ausreichend belastbaren Patienten ist ein hoch intensives Training (HIT: 75−80 % der maximalen Belastung in Watt) die überlegene und anzustrebende Gestaltung. Bei einem mehrwöchigen Trainingszeitraum liefert HIT nachweisbar bessere Ergebnisse als ein weniger intensives Training (ca. 50 % der maximalen Belastung in Watt). Vor Aufnahme eines Trainingsprogramms sollte ein Belastungstest erfolgen.

Für das Training wird dann − wenn vom Patienten toleriert − ein Intensitätsbereich nahe der individuellen Maximalbelastung empfohlen. Patienten mit schwerer COPD tolerieren erfahrungsgemäß ein intensives Ausdauertraining nicht. Für sie kann ein Intervalltraining (IT) eine gute Alternative darstellen, da es zu einer deutlich länger tolerierten Trainingsdauer führt.

Der Wechsel von kurzen hoch intensiven Phasen und deutlich längeren Phasen mit geringer oder fehlender Belastung führt zu einer geringeren dynamischen Lungenüberblähung und dadurch zu weniger Dyspnoe als die Dauermethode. Es konnte gezeigt werden, dass ein hoch intensives Intervalltraining zu einer deutlich länger tolerierten Trainingsdauer und mehr verrichteter Gesamtarbeit als ein mittelintensives Training nach der Dauermethode führt. Zudem nimmt der Anteil der Patienten zu, die auf diese Weise ein Ausdauertraining über die erforderliche Gesamtdauer durchführen können.


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Krafttraining

Neben der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit tragen mit zunehmendem Schweregrad v. a. reduzierte Kraft und koordinative Fähigkeiten entscheidend zur Belastungslimitierung im Alltag bei. Krafttraining bei COPD ist im Gegensatz zu früheren Befürchtungen sicher und praktikabel und sollte Bestandteil des körperlichen Trainings sein. Erreicht werden u. a. spezifische Verbesserungen der Muskelkraft und -ausdauer. Je nach Gestaltung des Krafttrainings und Schweregrad der Erkrankung werden − im Gegensatz zu Krafttraining bei Gesunden − auch kardiopulmonale Anpassungen ausgelöst.

Obgleich das Krafttraining in der internationalen Literatur an Bedeutung gewinnt, liegen konkrete schweregradabhängige Empfehlungen zur Durchführung (Gewicht, Anzahl der Wiederholungen, Anzahl der Sätze, Trainingshäufigkeit) in Form von Leitlinien für COPD-Patienten noch nicht vor.

In Anlehnung an die (nicht krankheitsspezifische) internationale Literatur können folgende Überlegungen angestellt werden:

  • 8−10 Übungen für die Hauptmuskelgruppen mit je 1−2 Sätzen zu 8−12 Wiederholungen (bei weniger belastbaren Patienten 12−15 Wiederholungen mit geringeren Gewichten) sind bei Aufnahme eines Krafttrainings ausreichend und effektiv.

  • Schwergradig erkrankte Patienten sollten eher niedriger intensiv, dafür aber umfangbetont (z. B. 15−20 Wiederholungen) und ohne finale muskuläre Ermüdung arbeiten.

Bei Gesunden können mehr Sätze (Multiple-Set-Regimes, z. B. 3 Sätze) größere Benefits bewirken als ein Satz. Entscheidend beim Krafttraining ist eine schweregrad- bzw. belastbarkeitsangepasste Umsetzung. Nachfolgend die konkrete Umsetzung am Beispiel Beinpresse ([Abb. 6]). Wesentliche Unterschiede bei gering belastbaren Patienten sind das Ablegen des Gewichts zwischen einzelnen Wiederholungen (inkl. entsprechender Pausen zur Belastungsdosierung und Risikominimierung) und eine „Doppelatmung“ (also 2 Atemzüge pro Bewegung, um für jede Bewegungsrichtung die Effekte der Lippenbremse voll ausnutzen zu können).

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Abb. 6: Beinpresse: Grundeinstellung und Bewegungsausführung. nach [14]

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Organisatorische Hinweise

Die Umsetzung der genannten Therapieoptionen kann in verschiedenen Settings erfolgen.

Ambulanter Lungensport

Lungensport in ambulanten Gruppen mit qualifizierten Übungsleitern ist eine wichtige, evidenzbasierte Therapieoption, die u. a. die Aufrechterhaltung der im Rahmen zeitlich befristeter stationärer oder ambulanter Rehabilitationsprogramme erreichten Effekte ermöglicht [12]. Dieser sog. Rehabilitationssport ist in § 44 Abs. 1 Nr  3 SGB IX festgeschrieben.

Der „Antrag auf Kostenübernahme für Rehabilitationssport“ (Formular 56, Download www.lungensport.org) kann von jedem Arzt ausgefüllt werden, ist nicht budgetpflichtig, aber abrechenbar (Gebühr nach EBM 01621). Nach der Verordnung zum Lungensport tritt der Patient für die Zulassung zum Lungensport an die Rehabilitationsträger heran. Patienten, die privat versichert sind, stellen nach der Verordnung des Lungensportes durch den Arzt einen formlosen Antrag bei ihrer Krankenkasse und erhalten danach eine entsprechende Vergütung. Bei chronischen Atemwegserkrankungen werden aktuell Zuschüsse für 120 Übungseinheiten innerhalb eines Zeitraums von 36 Monaten gewährt. Eine Verlängerung der Unterstützung über die 120 Übungseinheiten in 36 Monaten hinaus ist prinzipiell möglich.

Im Lungensport werden einzelne Trainingsinhalte in mehrwöchigen Trainingsphasen schwerpunktartig abgearbeitet ([Tab. 4]). Durch einen Wechsel von Trainingsinhalten, -mitteln, -methoden und -umfängen können bestehende Defizite der Patienten systematisch angegangen werden. Methodisch soll der Patient unter Berücksichtigung der Ausgangssituation durch Erlernen und Üben einzelner Bausteine mit entsprechendem theoretischem Hintergrundwissen über Körperwahrnehmung zu einem Training einzelner Hauptbeanspruchungsformen (Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit, Koordination) und letztendlich zur Anwendung bei den körperlichen Aktivitäten im Alltag (z. B. Treppensteigen, Schuhe binden, Anziehen) herangeführt werden. Alle Techniken und Übungen werden in den Trainingseinheiten der Lungensportgruppe durch den Fachübungsleiter vermittelt, in dem jeweiligen Stundenschwerpunkt trainiert und für ein ergänzendes Training zu Hause empfohlen.

Tab. 4:

Systematisierung und begriffliche Aufarbeitung verschiedener Inhalte des körperlichen Trainings im Lungensport.

Bereich

Inhalte (Auswahl)

ADL: Aktivitäten des täglichen Lebens.

Kraft allgemein

Training mit Hanteln, Theraband, an Krafttrainingsgeräten etc. Training ohne Gerät in verschiedenen Modalitäten

Kraft speziell

Kraftübungen orientiert an den ADL

Ausdauer allgemein

Gehen mit und ohne Stöcke, Ergometertraining, Radfahren, Treppensteigen, Schwimmen, Bewegungsformen im Wasser, Tanz

Ausdauer speziell

ADL-orientiertes Ausdauertraining, Rollatortraining

Beweglichkeit allgemein

Dehnübungen, Übungen zur Mobilisation

Beweglichkeit speziell

Dreh- und Dehnlagen, Brustkorbmobilisation

Koordination allgemein

Übungen zur Schulung der koordinativen Fähigkeiten (Gleichgewichts-, Rhythmisierungs-,Orientierungs-, Umstellungs-, Differenzierungs-, Kopplungs- und Reaktionsfähigkeit) mit und ohne Zusatzgeräte. Spiele, Spiel- und Übungsformen mit koordinativen Aspekten, Elemente der Rückenschule

Koordination speziell

Aktivitäten des täglichen Lebens, Atemtechniken bei verschiedenen Belastungsformen

krankheitsspezifische Techniken

Selbsthilfetechniken bei Atemnot wie atemerleichternde Körperstellungen und verschiedene Atemtechniken (Ein- und Ausatemtechniken, z. B. Lippenbremse, Stenoseatmung), Hustentechniken, Körperwahrnehmung (speziell Atemwahrnehmung), Benutzen verschiedener Devices

Theorie allgemein

Erläutern von Bewegungsabläufen/Techniken (z. B. Walking, Übungen an Kraftgeräten, Dehnübungen), Wissensvermittlung allgemein etc.

Theorie speziell

Elemente der Patientenschulung, Belastungsreaktionen der Körpers, Wirkmechanismen einzelner Techniken der Atemphysiotherapie


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Ambulante Atemphysiotherapie

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, bei einem (Atem-)Physiotherapeuten einzelne Techniken für bestimmte Symptome, z. B. Husten und Auswurf, zu erlernen, zu üben und zu beherrschen. Auch Behandlungen wie „heiße Rolle“ oder Thoraxmassage sind natürlich möglich. Diese ambulante Atemphysiotherapie wird von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen, wenn ein Kassenarzt die Behandlung verordnet. Physiotherapeutische Anwendungen sind durch ein Budget begrenzt und im Heilmittelkatalog (Heilmittelrichtlinien) definiert. Ein Rezept „KG Atemtherapie“ kann mit unterschiedlichen Indikationsschlüsseln verordnet werden [13]:

  • AT2a: 6 Einheiten à 20 min, z. B. in Kombination mit 6 × Wärmetherapie, heiße Rolle 1−2 × pro Woche (insgesamt 30 min). Dies ist üblich, wenn Atemtherapie zum ersten Mal verordnet wird (Erstverordnung). Damit soll das vorher beschriebene „Therapieziel“ erreicht werden.

  • AT3a unter Angabe von „Störungen der Atmung mit prognostisch länger dauerndem Behandlungsbedarf bei schwerwiegender Bronchialerkrankung“: 10 Einheiten à 60 min. Diese Rezepte sind i. d. R. die Folgeverordnung, wenn das Therapieziel mit der Erstverordnung nicht erreicht wird. Bis zu 2 Folgeverordnungen sind üblicherweise möglich. Haben sich nach der maximal möglichen Zahl an Behandlungen die Beschwerden noch nicht ausreichend gebessert, so muss normalerweise vor einem „neuen Regelfall“ eine Pause von 12 Wochen liegen.


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Krankengymnastik am Gerät

Aufgrund der o. g. zunehmenden Bedeutung des Muskelstatus ist zu erwarten, dass zukünftig das Krafttraining und eine entsprechende ambulante Umsetzung an Krafttrainingsgeräten (gerätegestütztes Training) an Bedeutung gewinnen werden. Eine Möglichkeit zur konkreten Umsetzung stellt die Krankengymnastik am Gerät (KG-Geräte) dar [13].

Bei der COPD wird speziell die Dysfunktion der Skelettmuskulatur als wesentlich erachtet. Bei der Verordnung kann als ein Aspekt gemäß der internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) z. B. M63.8 (sonstige Muskelerkrankungen bei andernorts klassifizierten Krankheiten) oder M62.5 (Inaktivitätsatrophie, andernorts nicht klassifiziert) kodiert werden. Als korrekte Indikationsschlüssel haben sich EX2b bzw. EX3b, je nach ärztlich prognostizierter Dauer des Behandlungsbedarfs, bewährt.

Für den Therapeuten oder Arzt sind folgende Informationen hilfreich: Hinter der Heilmittelpositionsnummer „X0507“ verbirgt sich die oben beschriebene „parallele Einzelbehandlung mit bis zu drei Patienten“, die definiert ist als „Krankengymnastik an Seilzug- und oder Sequenztrainingsgeräten unter Berücksichtigung der Trainingslehre (KG-Geräte)“. Die Indikationen für KG-Gerät finden sich in der jeweils aktuellen Fassung des Heilmittelkatalogs (www.heilmittelkatalog.de), aber auch in der Leistungsbeschreibung der Position.

Es gelten folgende fachliche und strukturelle Voraussetzungen: Das Heilmittel KG-Gerät darf von Physiotherapiepraxen mit Kassenzulassung erbracht und abgerechnet werden, in denen mindestens ein Physiotherapeut eine spezielle, 40-stündige Fortbildung absolviert hat. Weiterhin muss die Praxis über einen zusätzlichen Raum von mindestens 30 m2 verfügen, in dem bestimmte Trainingsgeräte vorgehalten werden müssen. Bei gesetzlich versicherten Patienten können je nach Bedarf 3 Rezepte mit „6 × KG-Gerät“ (18 Therapieeinheiten) verordnet werden. Bei Privatversicherten ist das i. d. R. für 10−20 Therapieeinheiten pro Rezept (je nach Indikation) möglich.


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Die komplette Literaturliste ist beim Autor erhältlich.


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Oliver Göhl, Diplom-Sportwissenschaftler und Sporttherapeut am Klinikum in Donaustauf. Vorstandsmitglied der AG Lungensport in Deutschland e. V.; Mitglied des medizinisch-wissenschaftlichen Beirats der Selbsthilfegruppe Lungenemphysem − COPD Deutschland sowie der Deutschen Emphysemgruppe e. V. Bisherige Lehrtätigkeiten: Philipps-Universität Marburg und Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg; zahlreiche wissenschaftliche Publikationen.

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Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass keine wirtschaftlichen oder persönlichen Verbindungen bestehen.


Korrespondenzadresse

Dr. phil. Oliver Göhl
Sportwissenschaftler, Sporttherapeut
Klinikum Donaustauf
Ludwigstr. 68
93093 Donaustauf


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Abb. 1: Ausatmung mit und ohne Lippenbremse. nach [14]
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Abb. 2: Atemerleichternde Ausgangsstellungen. nach [14]
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Abb. 3: Apparative Hilfen wie der Flutter verbessern die Sekretmobilisation. nach [14]
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Abb. 4: Atemvolumina und Ausnutzung spezifischer Eigenschaften bei der autogenen Drainage. nach [14]
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Abb. 5: Die sog. C-Dehnlage wird von Patienten gerne als „Halbmond“ oder „Banane“ bezeichnet. nach [14]
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Abb. 6: Beinpresse: Grundeinstellung und Bewegungsausführung. nach [14]