Pneumologie 2013; 67(10): 545-550
DOI: 10.1055/s-0033-1344554
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prospektive Untersuchung klinischer Verlaufsparameter von Patienten mit Alpha-1-Antitrypsinmangelsyndrom unter i. v. Prolastin-Heimtherapie

Prospective Evaluation of Clinical Parameters of AAT Patients with i. v. Prolastin Therapy in a Homecare Setting
A. Wilke
Klinik für Pneumologie, Ev. Lungenklinik, Berlin
,
C. Grohé
Klinik für Pneumologie, Ev. Lungenklinik, Berlin
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Dr. Andreas Wilke
Klinik für Pneumologie
Ev. Lungenklinik
Lindenberger Weg 27
13125 Berlin

Publication History

eingereicht10 June 2013

akzeptiert nach Revision11 July 2013

Publication Date:
02 September 2013 (online)

 

Zusammenfassung

Die Erfassung klinischer Verlaufsparameter mit Prognoserelevanz bei Patienten mit Alpha-1-Antitrypsinmangelsyndrom (AAT) ist nach den bisher vorliegenden Daten unbefriedigend. Insbesondere fehlen Untersuchungen zur Kontrolle der klinischen Stabilitätsparameter der Erkrankung unter laufender Therapie mit i. v. Prolastin. In welchem Maße eine kontinuierliche Therapie zu Hause (Heimtherapie = Homecare) einen positiven Verlauf auf die Exazerbationshäufigkeit, nicht elektive Hospitalisierung und Stabilisierung der lungenfunktionellen Parameter hat, ist ungeklärt. Gegenstand der prospektiven Untersuchung einer heimbasierten i. v. Prolastin-Therapie bei Patienten mit homozygotem AAT (PiZZ) war die Erfassung der klinischen Parameter wie z. B. Exazerbationshäufigkeit, Lebensqualität und Lungenfunktion über 36 Monate Dauer. Weiterhin wurde erstmalig in dieser Dokumentation die Durchführbarkeit einer heimorientierten Prolastinsubstitution überprüft. In den Verlaufsbeobachtungen von 7 Patienten konnte gezeigt werden, dass sich der klinische Verlauf stabilisiert und die Exazerbationen einem bestimmten jahreszeitlichen Muster folgten. Es traten durchschnittlich 2,1 Exazerbationen/Patient/Jahr auf, Hospitalisierungen konnten vermieden werden. Die Lungenfunktionsparameter zeigten im Verlauf von 36 Monaten eine Reduktion des FEV1 von 1,02 ± 0,61 l/s auf 0,94 ± 0,63 l/s sowie der inspiratorischen Vitalkapazität VCin von 2,95 ± 0,82 l auf 2,87 ± 0,81 l. Komplikationen der i. v. Therapie wie Paravasate oder allergische Reaktionen (> 1000 Infusionen) wurden nicht beobachtet. Zusammenfassend dokumentiert diese prospektive Studie die Machbarkeit einer heimbasierten i. v. Therapie und zeigt therapierelevante klinische Charakteristika des Verlaufes von Patienten mit schwergradigem AAT. Die Darstellung dieser Parameter dient möglicherweise in Zukunft einer optimierten heimorientierten Betreuung der Patienten.


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Abstract

Prognostic parameters and indicators of deterioration of prolastin substituted alpha 1 antitrypsin deficient COPD (AAT) are poorly defined. In particular, there is a lack of information how patients with AAT report exacerbations or how intravenous therapy with prolastin is tolerated and leads to a stabilization of the clinical course of the disease. In a prospective study seven patients were followed over 36 months who received i. v. prolastin at home. Both clinical parameters such as exacerbations and spirometric lung function tests were used to monitor the clinical course of the disease. During the time period given 2.1 exacerbations/year were documented, the average lung function loss over the period of 36 month was mean FEV1 1.02 ± 0.61 l/s to 0.94 ± 0.63 l/s and mean vital capacity 2.95 ± 0.82 l to 2.87 ± 0.81 l. Complications related to home based infusion therapy did not occur. No non elective hospitalisations were reported. Taken together, this prospective feasibility trial could show that home based i. v. therapy in patients with AAT is safe and leads to less exacerbations and loss of lung function as compared to the historical cohort.


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Einleitung

Das homozygote Alpha-1-Antitrypsinmangelsyndrom vom PiZZ-Genotyp ist eine klinische Entität der COPD mit häufig schwergradigem progredientem Verlauf. Insbesondere führt ein fortgesetzter Tabakkonsum zu einer irreversiblen Schädigung der Lunge mit progredientem Emphysem und Zeichen der chronischen Bronchitis [1] [2] [3] [4] [5]. Seit Ende der 1980er-Jahre [6] besteht in Deutschland die Möglichkeit, durch intravenöse Substitution von Prolastin den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Untersuchungen zur Dokumentation prognoserelevanter Parameter der substituierten Patienten liegen jedoch nur in unzureichender Form vor [5] [6] [7] [8]. Es fehlen Daten zur Exazerbationshäufigkeit, zur Dauer und Form der Exazerbation und zur Häufigkeit der nicht elektiven Hospitalisierung. Weiterhin stehen umfangreiche Analysen zur Lebensqualität der Kohorte aus. Die Therapie erfolgt in der Regel als i. v. Infusion in Praxen bzw. tagesklinischen Einrichtungen. Durch den Aufwand der wöchentlichen Anfahrt kann es unter Exazerbationsbedingungen zu Unregelmäßigkeiten in der Infusionsfrequenz kommen. Weiterhin stellt die Fahrt für Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung und schwerer Luftnot z. T. eine körperliche und logistische Herausforderung dar. Untersuchungen über die Bedeutung der Einhaltung der regelmäßigen Infusionsfrequenz liegen nicht vor.

Vor diesem Hintergrund wurde in einer Machbarkeitsanalyse überprüft, welche Auswirkungen eine i. v. Heimtherapie auf den klinischen Verlauf bei Patienten mit fortgeschrittenem AAT-Mangel hat. Gegenstand der Verlaufsbeobachtung über 36 Monate war die longitudinale Erfassung der Veränderungen der Lungenfunktion, die Dokumentation der Exazerbationsprofile und die Charakterisierung der Lebensqualitätsparameter.

Die Strukturbedingungen der Durchführung einer intravenösen, ambulanten Heimtherapie wurden ebenso analysiert wie mögliche Komplikationen der Therapie zu Hause.


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Material und Methodik

Patienten

In die Untersuchung wurden 7 Patienten einbezogen, bei denen ein homozygoter Alpha-1-PI-Mangel vorliegt und bei denen aufgrund des reduzierten Serumspiegels (< 80 mg/dl) und der eingeschränkten Lungenfunktion (FEV1 < 65 % SW) entsprechend den Therapieempfehlungen (ATS/ERS) bereits eine Substitutionstherapie mit humanem Alpha-1-Antitrypsin erfolgte bzw. mit Beginn der Studie eingeleitet wurde. Alle Patienten befanden sich zum Zeitpunkt des Beginns in Betreuung durch das Alpha-1-Center an der Evangelischen Lungenklinik Berlin.

Bei den Patienten handelte es sich ausschließlich um Nicht- bzw. Ex-Raucher. Die Substitutionstherapie erfolgte bis zum Studienbeginn durch niedergelassene Pneumologen oder Hausärzte. Voraussetzung für die Aufnahme der Patienten in das Homecare-Programm war eine vorhergehende Absprache mit dem Arzt, der bisher die Substitutionstherapie durchgeführt hatte und die ambulante Betreuung des Patienten fortsetzen sollte ([Tab. 1]). Die Teilnahme an dem ambulanten Betreuungsprogramm erfolgte auf freiwilliger Basis entsprechend einem „Einschreibmodell“, nachdem die Patienten über die Möglichkeit und die Durchführung des Programmes aufgeklärt worden waren.

Tab. 1

Biometrische Daten der Patienten bei Aufnahme in das Homecare-Programm.

Alter (Jahre)

∅ 56,7 ( 40 – 68 Jahre)

Geschlecht

(♂/♀ ) 5/ 2

Therapiedauer (Jahre)

∅ 8,8 ( 1 – 19 Jahre)

VCin ( l )

2,95 ± 0,82

FEV1 ( l/s )

1,02 ± 0,61

SaO2 ( % )

90,9 ± 4,83

Neben der kontinuierlichen wöchentlichen Substitutionstherapie (52 Infusionen/Jahr) mit Prolastin erhielten alle Patienten eine antiobstruktive Therapie mit einem langwirksamen Anticholinergikum und einem langwirksamen Beta-Sympatomimetikum. Eine permanente Therapie mit systemischen Steroiden erfolgte in keinem Falle.

Eine schriftliche Einwilligung erfolgte vor der Teilnahme an der Untersuchung. Ein Ethikkommissionsvotum liegt vor.


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Struktur der Heimbetreuung

Voraussetzung für die Durchführung einer Substitutionstherapie unter Homecare-Bedingungen war der Aufbau eines mobilen ambulanten Pflegedienstes. Zur Umsetzung des ambulanten Betreuungssystems war die Bereitstellung eines Fahrzeuges erforderlich, das mit den notwendigen Materialien für die Infusionstherapie sowie den Geräten für die Durchführung der therapiebegleitenden Diagnostik (Pulsoximeter, Spirometer, Blutgasautomat) ausgerüstet war.

Die Patienten wurden 1-mal wöchentlich durch eine Pflegekraft besucht. Im Rahmen dieser Visiten wird die Infusionstherapie (Dosierung 60 mg/kg Körpergewicht) und die therapiebegleitende Diagnostik durchgeführt. Die Diagnostik umfasste die Dokumentation von klinischen Angaben und Symptomen sowie von Funktionsparametern entsprechend dem folgenden Schema:

Wöchentlich: Pulsoximetrie, Pulsfrequenz, Blutdruck; Beurteilung des Allgemeinzustandes (Husten, Auswurf, Dyspnoe).

Monatlich: Pulsoximetrie, Pulsfrequenz, Blutdruck; Beurteilung des Allgemeinzustandes (Husten, Auswurf, Dyspnoe, Exazerbationen).

Vierteljährlich: Pulsoximetrie, Pulsfrequenz, Blutdruck; Beurteilung des Allgemeinzustandes (Husten, Auswurf, Dyspnoe, Exazerbationen); Spirometrie, Blutgasanalyse.

Zur Beurteilung des Allgemeinzustandes und der subjektiven Symptome wurde ein vereinfachter QoL-Score verwendet, aus dem folgende Fragen ausgewertet wurden:

  1. Beurteilung des aktuellen Gesundheitszustandes

  2. Häufigkeit von Atembeschwerden in den letzten 6 Monaten

  3. Häufigkeit von Husten

  4. Häufigkeit von Auswurf

  5. Häufigkeit von Dyspnoe

  6. Häufigkeit von Atemnotanfällen

  7. Häufigkeit von Exazerbationen

  8. Wieviel „gute“ Tage (wenig Atembeschwerden) hatten Sie in einer durchschnittlichen Woche?

Exazerbationen waren definiert als eine akute Verschlechterung der Lungenerkrankung über mehrere Tage, die mit starker Atemnot, vermehrtem oder eitrigem Auswurf einhergeht, und eine Intensivierung der Dauertherapie ggf. unter Einsatz von systemischen Steroiden und/oder Antibiotika erforderte.

Die Beurteilung erfolgte anhand einer Skala von 1 (sehr schlecht, an den meisten Tagen der Woche, kein Tag war „gut“) bis 5 (sehr gut, gar nicht, jeder Tag war „gut“). Es wurde ein Quotient ermittelt, der sich aus der Ausprägung der Beschwerden und der Anzahl der Fragen errechnete (maximal 5,0).

In der Spirometrie wurden die postbronchodilatorischen Parameter erfasst.

Komplikationen der intravenösen Therapie wie z. B. Paravasate und allergische Reaktionen wurden dokumentiert

Nach 36 Monaten Dauer des Homecare-Programmes erfolgt eine erste Auswertung zu den Ergebnissen und Erfahrungen des Pilotprojektes.


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Ergebnisse

Die Substitutionstherapie unter Homecare-Bedingungen zeigte bei den teilnehmenden Patienten eine sehr gute Akzeptanz. Bei allen Patienten wurde die Therapie im 3-jährigen Beobachtungszeitraum kontinuierlich und ohne Komplikationen durchgeführt. Ein Patient verstarb aufgrund einer fortgeschrittenen respiratorischen Insuffizienz und kardialer biventrikulärer Dekompensation im Jahre 2012 nach insgesamt 20-jähriger Dauer der Substitutionstherapie.

Zur Beurteilung der Effektivität des Homecare-Programmes hinsichtlich der Veränderungen der Lungenfunktionsparameter (FEV1 abs., VCin abs.) werden die Befunde der Patienten aus dem Jahre 2006 mit den Daten aus dem Jahre 2009 (Beginn der Heimtherapie) und aus dem Jahre 2012 (nach 3-jähriger Dauer der Heimtherapie) verglichen ([Abb. 1]). Es zeigt sich eine deutliche Verlangsamung der funktionellen Verschlechterung für die beobachteten Parameter (ΔFEV1 0,46 l vs. 0,08 l, ΔVCin 0,62 l vs. 0,08 l).

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Abb. 1 Veränderungen der Lungenfunktionsparameter (FEV1 abs., VCin abs.): 2006 vs. 2009 (Beginn der Heimtherapie) vs. 2012 ( nach 3-jähriger Heimtherapie).

Die individuellen Verläufe für FEV1 und VCin sind in den [Abb. 2] und [Abb. 3] dargestellt. Das FEV1 zeigt nach stärkeren Schwankungen im ersten Beobachtungsjahr im weiteren Verlauf eine weitgehende Stabilität, wobei sich in Abhängigkeit vom Ausgangswert drei Gruppen unterscheiden lassen. Die inspiratorische Vitalkapazität zeigt ebenfalls initial stärkere Schwankungen. Hier zeigen sich zwei Gruppen, von denen die Patienten mit geringer eingeschränkten Ausgangswerten eine Besserungstendenz erkennen lassen.

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Abb. 2 Individueller Verlauf des Atemstoßtestes (FEV1).
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Abb. 3 Individueller Verlauf der inspiratorischen Vitalkapazität (VCin).

Im QoL-Score ([Abb. 4]) stellt sich im Verlauf über 3 Jahre keine gerichtete Veränderung dar, insbesondere aber keine Verschlechterung. Auffällig sind geringere Quotienten im jeweils ersten Quartal des Jahres als Ausdruck eines verschlechterten subjektiven Befindens. Dieser Befund korreliert mit der jeweils höheren Exazerbationsfrequenz im 1. Quartal ([Abb. 5]).

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Abb. 4 Quality-of-Life-Score.
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Abb. 5 Exazerbationsfrequenz.

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Diskussion

Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit der Durchführbarkeit und Erfassung klinischer Parameter einer heimbasierten Prolastintherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem AAT-Mangel. Die Option einer i. v. Substitution besteht in Deutschland seit 25 Jahren, jedoch liegen nur wenige Analysen zur Machbarkeit einer Homecare-Therapie vor. Der klinische Verlauf des fortgeschrittenen AAT-Mangels ist sehr heterogen und die vorliegenden klinischen Studien sind in Bezug auf Wirksamkeit der Prolastintherapie, z. B. Beeinflussung des Verlustes der Lungenfunktionsparameter, uneinheitlich. Verschiedene Ursachen für diese Ergebnisse werden diskutiert, insbesondere ist die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Therapie von Bedeutung. Die Regelhaftigkeit der Administration scheint einen Einfluss auf die Exazerbationshäufigkeit zu haben, andererseits können Exazerbationen des Krankheitsbildes zu einer Unterbrechung der Therapie und möglicherweise zu einer weiteren Verschlechterung der Funktionsparameter führen. Flexibilität und Mobilität der Patienten ist notwendig, um die wöchentlichen Infusionsintervalle in der Ambulanz bzw. Praxis einzuhalten, eine Aufgabe, die ggf. durch die Hinfälligkeit des Patienten und/oder fehlende Transportmöglichkeiten (auch jahreszeitlich bedingt) zusätzlich erschwert wird.

Die Vorteile einer Homecare-Therapie hinsichtlich Effektivität der Therapie, Verbesserung der Lebensqualität und Kostenreduktion im Vergleich zur stationären oder ambulanten Therapie in Arztpraxen wurden wiederholt untersucht und hervorgehoben [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16].

Die Ergebnisse belegen, dass im Untersuchungszeitraum von 36 Monaten keine Komplikationen bei insgesamt mehr als 1000 Infusionen im Rahmen der i. v. Therapie auftraten. Insbesondere traten keine Paravasate oder allergische Reaktionen auf. In der Literatur werden durchschnittlich bis zu 10 % „adverse events“ unter der laufenden Therapie dokumentiert [1] [8] [19]. Bei den beobachteten 7 Patienten traten keine klinisch relevanten Ereignisse i. S. von Komplikationen auf. Die Erfassung der obengenannten klinischen Parameter zeigte eine Stabilisierung der Exazerbationshäufigkeit unter Vermeidung von Hospitalisierungen. Die Lungenfunktionsparameter wiesen nur eine geringe statistisch signifikante Verschlechterung auf. Im Vergleich zu dem Beobachtungszeitraum vor der Homecare-Therapie war eine deutliche Verzögerung der Verschlechterung zu verzeichnen. Diese Befunde gingen mit einer Stabilisierung der Lebensqualitätsparameter (LQ) im Beobachtungszeitraum einher. Auffällig war, dass die Patienten zu Beginn der Homecare-Therapie einen instabileren Verlauf aufwiesen, möglicherweise als Ausdruck der Umstellung der Infusionsbedingungen. Gegen Ende der 36 Monate kam es jedoch zu einer einheitlichen Stabilisierung der Befunde. Im Vergleich zu anderen Untersuchungen [12] wurde die Stabilisierung der Lebensqualität nicht von einer unzureichenden Vermeidung von Exazerbationen begleitet.

Auffällig war die jahreszeitliche Periodik der Exazerbation. Bereits zuvor war aufgefallen, dass Patienten mit AAT-Mangel eine Zunahme über Exazerbationen im Winter, insbesondere im ersten Quartal des Jahres, berichten. Die vorliegende Untersuchung bestätigt diese Befunde und belegt, dass trotz einer Optimierung der Infusionsfrequenz und wöchentlicher ambulanter Visiten eine Zunahme der Exazerbationsfrequenz während der Wintermonate zu verzeichnen ist. Patienten sind offenbar im ersten Quartal eines Jahres, ähnlich wie die allgemeine Kohorte der COPD-Patienten, infektanfälliger. Die regelmäßige Homecare-Therapie führt aber zu einer rechtzeitigen Erkennung und ambulanten Therapie der Exazerbationen, zur Stabilisierung der QoL-Parameter sowie zu einer Verzögerung der Lungenfunktionsdegradation. Unter Berücksichtigung dieser Befunde ist die Wertigkeit der Lungenfunktionsparameter zur kurz- und mittelfristigen Verlaufsbeurteilung – neben einem CT-Score als Prädiktor der Mortalität [20] [21] – weiter zu validieren.

Zusammenfassend belegt die prospektive Studie die Effektivität der Homecare-Therapie mit Prolastin bei Patienten mit schwergradigem AAT-Mangel. Limitationen der Studie sind die fehlende Plazebokontrolle als Untersuchungsarm sowie die Tatsache, dass eine regelmäßige Zuwendung auf wöchentlicher Basis vor Ort zur frühzeitigeren Intervention von betreuender Seite führt. Die Verschlechterung des klinischen Verlaufs wird rechtzeitig erkannt. Eine Stärke der Untersuchung ist die Beobachtung der heterogenen Verläufe unter Therapie, um eine individuelle prognostische Abschätzung des Krankheitsbildes zu erzielen.

Voraussetzung für die Effektivität der Homecare-Therapie ist einerseits die sorgfältige Auswahl geeigneter Patienten. Hierbei war und ist nicht beabsichtigt, alle zu substituierenden AAT-Mangel-Patienten in ein Homecare-System einzuschließen. Vielmehr ist zu betonen, dass die Teilnahme an der Homecare-Therapie auf freiwilliger Basis i. S. eines „Einschreibmodells“ konzipiert ist. Der Impuls zur Teilnahme sollte vom behandelnden Arzt ausgehen, da er einschätzen kann, ob und in welchem Umfang der jeweilige Patient mobil sein sollte und kann. Eine weitere Voraussetzung ist der Aufbau eines ambulanten Betreuungssystems, das die logistischen und personellen Voraussetzungen zur stabilen Gewährleistung der ambulanten Therapie und insbesondere auch die Schulung der Mitarbeiter hinsichtlich der Erkennung und Beherrschung von Komplikationen beinhalten muss [16] [22] [23] [24] [25].

Ebenso sind die rechtlichen Aspekte zu berücksichtigen, die sich aus der persönlichen Leistungserbringung des Arztes und somit aus den Möglichkeiten und Grenzen der Delegation ärztlicher Leistungen ergeben (Stellungnahme der BÄK und der KBV vom 29.08.2008). Hiernach „können intravenöse Injektionen und Infusionen an entsprechend qualifizierte nichtärztliche Mitarbeiter delegiert werden, wenn sich der Arzt von der durch Ausbildung und Erfahrung gewonnenen spezifischen Qualifikation in der Punktions- und Injektionstechnik überzeugt hat und wenn er sich in unmittelbarer Nähe (Rufweite) aufhält“. Bei Verwendung eines Portsystems ist die Delegation der Applikation von Medikamenten abhängig von der applizierten Substanz und der Qualifikation und der Erfahrung des damit betrauten nichtärztlichen Mitarbeiters. In einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses („Übertragungsrichtlinie“) wird ein „Katalog von ärztlichen Tätigkeiten definiert, die im Rahmen von Modellvorhaben auf Berufsangehörige der Kranken- und Altenpflege zur selbständigen Ausübung von Heilkunde übertragen werden können“. Dieser Katalog sieht u. a. die Durchführung von „i. v.-Injektionen und Injektionen in liegende Infusionssysteme von Medikamenten (Selektion durch Positivliste) nach Anordnung/Verordnung“ vor (Bundesanzeiger Nr. 46 S. 1128) vom 21.03.2012).

Hierbei sollte sichergestellt sein, dass ein Arzt im Notfall kurzfristig zur Verfügung stehen kann (Notfallkette), z. B. könnte der nächstgelegene Notarztstützpunkt über die Infusionstermine im Voraus informiert werden.

Perspektiven

Die Ergebnisse des vorgestellten Modellvorhabens zur Prolastin-Heimtherapie bei ausgewählten Patienten belegen Effektivität und Sicherheit dieser Therapie. Voraussetzung für die Durchführung und ggf. Ausweitung des Modells sind der Aufbau und die logistische und personelle Absicherung entsprechender Betreuungsstrukturen. Diese könnten und sollten ggf. in ambulante Strukturen i. S. einer „respiratory home care“ eingebunden werden, die neben der ambulanten Prolastintherapie auch Patienten mit ambulanter Langzeitsauerstofftherapie (LTOT) und nicht-invasiver Heimbeatmung (NIV) einschließt.

Im Interesse der rechtlichen Absicherung derartiger ambulanter Betreuungssysteme ist vom Gesetzgeber eine kurzfristige Verabschiedung des Beschlusses des GBA zu wünschen.


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Interessenkonflikt

A. Wilke und C. Grohé haben Honoraria für Vorträge bzw. Teilnahme an Advisory Board Meetings von Grifols (Talecris) erhalten.

Danksagung

Wir bedanken uns bei allen Patienten mit AAT-Mangel, die an dieser Untersuchung teilgenommen haben. Wir danken Frau D. Anacker für den unermüdlichen Einsatz vor Ort und Frau Dr. H. Lüders für die biometrische Analyse. Die Untersuchung wurde durch eine Forschungsförderung der Firma Grifols vormals Talecris unterstützt.

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Dr. Andreas Wilke
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Abb. 1 Veränderungen der Lungenfunktionsparameter (FEV1 abs., VCin abs.): 2006 vs. 2009 (Beginn der Heimtherapie) vs. 2012 ( nach 3-jähriger Heimtherapie).
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Abb. 2 Individueller Verlauf des Atemstoßtestes (FEV1).
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Abb. 3 Individueller Verlauf der inspiratorischen Vitalkapazität (VCin).
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Abb. 4 Quality-of-Life-Score.
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Abb. 5 Exazerbationsfrequenz.