Aktuelle Urol 2013; 44(03): 171-172
DOI: 10.1055/s-0033-1348105
Referiert und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nierenzellkarzinom – Schlechtere Prognose bei mikrovaskulärer Invasion

Contributor(s):
Johannes Weiß

J Urol 2012;
187: 418-423
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Publication Date:
27 May 2013 (online)

 
 

Eine mikrovaskuläre Invasion gilt bei zahlreichen Krebsarten als Risikofaktor, beim Nierenzellkarzinom ist die prognostische Bedeutung jedoch derzeit unklar. Eine internationale Multicenterstudie hat nun bestätigt, dass die mikrovaskuläre Invasion eine Metastasierung begünstigt und mit einer ungünstigeren Prognose korreliert.
J Urol 2012; 187: 418–423

In die retrospektive Analyse von Nils Kroeger, UCLA Institute of Urologic Onkology / Kalifornien, und Kollegen gingen die Daten von insgesamt 2596 Patienten ein, bei denen zwischen 1981 und 2009 ein Nierenzellkarzinom operativ behandelt worden war. Keiner der Patienten hatte eine neoadjuvante oder adjuvante Chemotherapie erhalten. Bei Metastasen erfolgte eine Immuntherapie oder eine Behandlung mit Thyrosinkinase-Hemmern. Die Daten beinhalteten neben den soziodemografischen Charakteristika u. a. den histologischen Typ des Malignoms sowie Angaben zu einer makro- oder mikrovaskulären Invasion. Eine mikrovaskuläre Invasion war dabei definiert als Invasion neoplastischer Zellen in mikroskopische Gefäße oder Tumorembolien in mikroskopischen Gefäßen innerhalb des Tumors. Die Autoren unterteilten die Patienten dementsprechend in eine Gruppe mit und eine ohne mikrovaskuläre Invasion und verglichen hier Unterschiede bezüglich

  • klinisch-pathologischer Parameter,

  • dem Auftreten von Metastasen und

  • dem tumorspezifischen Überleben.

Der Nachbeobachtungszeitraum betrug im Median 22,4 Monate und erstreckte sich bis zu einem Maximum von 212 Monaten.

Mikrovaskuläre Invasion ist ein Risikofaktor für Metastasierung

Die Studienkohorte bestand zu 64,9 % aus Männern (n = 1685) und 35,1 % aus Frauen (n = 911) im medianen Alter von 61 Jahren (Range: 19–97 Jahre). Lymphknoten- oder Fernmetastasen hatten 677 Patienten. Bei 18,6 % der Patienten (n = 475) fand sich eine mikrovaskuläre Invasion, bei 19,6 % (n = 510) eine makrovaskuläre Invasion mit Infiltration der Nierenvene und / oder Vena cava. In der multivariaten Analyse erwiesen sich u. a. ein männliches Geschlecht, das T-Stadium und eine mikrovaskuläre Invasion als unabhängige Risikofaktoren für eine Metastasierung, und zwar bei allen Patienten und Subtypen.

Patienten mit mikrovaskulärer Invasion waren im Schnitt älter und wiesen schlechtere Werte im "Eastern Cooperative Oncology Group Performance Status" auf. Eine mikrovaskuläre Invasion war ferner assoziiert mit einem größeren Tumordurchmesser, einem höheren Fuhrmann-Grad, einem fortgeschritteneren T-Stadium sowie mit Fern- und Lymphknotenmetastasen. Letzteres galt auch für Tumoren in einem niedrigen T-Stadium. Auch bei Metastasenfreiheit war im Falle einer mikrovaskulären Invasion die Prognose im Hinblick auf das Überleben ungünstiger. In der univariaten Analyse fand sich zunächst eine signifikante Korrelation zwischen einer mikrovaskulären Invasion und dem tumorspezifischen Überleben, die jedoch nach Anpassung bezüglich möglicher Störfaktoren ihre Signifikanz verlor.

Fazit

Eine mikrovaskuläre Invasion findet sich bei annähernd jedem 5. Patienten mit einem Nierenzellkarzinom. Sie sei eng mit einer ungünstigeren Prognose korreliert und ein unabhängiger Prädiktor für eine Metastasierung, was auch für niedrigere Tumorstadien gilt, so die Autoren.

Kommentar

Histologische Parameter hilfreich zur Einschätzung der Prognose

Nach einer kurativ intendierten Operation von Patienten mit einem Nierenzellkarzinom (NZK) ist die prognostische Vorhersage eines Tumorrezidivs von großer Bedeutung. In Abhängigkeit vom Tumorstadium steigt die Wahrscheinlichkeit für ein Rezidiv des NZK und damit das Risiko für ein krebsspezifisches Versterben. So liegt in dem lokalisierten Stadium pT1 das krebsspezifische 5-Jahres Überleben bei > 90 %, fällt jedoch beim fortgeschrittenen Stadium pT3a je nach Infiltrationsort (perirenales oder peripelvines Fett) auf bis zu 40 % ab [ 1 ], [ 2 ]. Die verbesserte prognostische Stratifizierung stellt die wichtigste Grundlage für eine optimale Nachsorge dar. Bereits heute können das Risiko einer systemischen Progression und das damit verbundene Mortalitätsrisiko anhand verschiedener patienten- und tumorspezifischer Faktoren untersucht werden. Trotz der rasanten Verbreitung molekularer Hochdurchsatzverfahren mit der Identifikation potenzieller Risikofaktoren sind histopathologische Parameter einfach zu erhebende und dabei gut zu standardisierende Faktoren, um ein Rezidivrisiko abzuschätzen. Die Identifizierung von weiteren spezifischeren Risikofaktoren wird eine genauere Abschätzung ermöglichen, die dann auch für die Empfehlung zur Durchführung einer adjuvanten Therapie benötigt wird [ 3 ].

In einer großen retrospektiven Multicenterstudie an 2596 Patienten, die zwischen 1981 und 2009 an 5 Institutionen in Europa und den USA operiert wurden, untersuchten Kroeger et al. den beim Nierenzellkarzinom bisher kontrovers diskutierten prognostischen Risikofaktor der vaskulären Mikroinvasion [ 4 ]. Die mikrovaskuläre Invasion oder auch der V1-Status ist ein sehr interessanter pathologischer Parameter, da er bei der urologischen Tumorentität der Nicht-Seminome im klinischen Stadium I eine sehr gute Rezidivvorhersage erlaubt. Bei Vorliegen einer mikrovaskulären Invasion wird in diesem Stadium beim Nicht-Seminom die adjuvante Chemotherapie empfohlen [ 5 ]. In dem von Kroeger et al. untersuchten Kollektiv hatten 26,1 % der Patienten Lymphknoten- oder Fernmetastasen, 18,6 % der Patienten eine mikrovaskuläre Invasion und 80 % zeigten den histologischen Subtyp eines klarzelligen NZK. In der univariablen Analyse war die mikrovaskuläre Invasion ein unabhängiger Prognoseparameter für Patienten mit einem lokalisierten Tumorstadium. Es zeigte sich eine signifikante Verkürzung der krebsspezifischen Überlebenszeit (HR 2,379, 95 %CI: 1,620–3,494) und der V1-Status korrelierte mit einem höheren Tumorstadium, einem größeren Tumordurchmesser und einem höheren Fuhrman Grading. Nach der multivariablen Adjustierung unter Einschluss des Geschlechts, des Allgemeinzustands (Eastern Cooperative Oncology Group), des Differenzierungsgrads und des TNM-Status war der Wert der mikrovaskulären Invasion jedoch kein signifikanter unabhängiger Prognoseparameter mehr [ 4 ].

Trotz dieses Ergebnisses der Studie von Kroeger et al. wird die Bedeutung der mikrovaskulären Invasion auch weiterhin kontrovers diskutiert. In einer jüngst publizierten Arbeit mit einem ebenfalls repräsentativen Kollektiv von 1754 Patienten zeigte der Parameter der mikrovaskulären Invasion eine Verbesserung der prädiktiven Vorhersagekraft ("predictive accuracy") von 1,4 % im Vergleich zum Grundmodell (C-Index: 0,792 vs. 0,778). Das Grundmodell dieser Studie beinhaltete die klassischen histopathologischen Parameter des T-Stadium, N-Status, Tumordurchmesser, Differenzierungsgrad und der Tumornekrose [ 6 ]. Der in dieser Studie bestimmte Harrells Konkordanz-Index, auch C-Index genannt, berücksichtigt die unterschiedlich langen Überlebenszeiten der Patienten [ 7 ]. Der C-Index gibt die Wahrscheinlichkeit für ein eintretendes Ereignis, z. B. ein krebsspezifisches Versterben, für das zugrunde liegende Modell an. Er kann Zahlenwerte zwischen 0,5 und 1,0 annehmen, wobei der Wert 0,5 der Wahrscheinlichkeit von 50 % entspricht und somit mit der Wahrscheinlichkeit eines Münzwurfes vergleichbar ist.

Der hier angewandte statische Vergleich mittels C-Index führt zu einer verbesserten prognostischen Vorhersagekraft zwischen den Modellen. Es muss jedoch immer zwischen der Aussagekraft einzelner Parameter und der Kombination der Einzelfaktoren in Vorhersagemodellen bzw. -algorithmen unterschieden werden. Für viele dieser Einzelparameter wurde in der Vergangenheit bereits eine prognostische Relevanz aufgezeigt. Allerdings ergab sich gerade nach der Bündelung der Einzelfaktoren in multivariablen Modellen oftmals kein zusätzlicher Gewinn hinsichtlich der Vorhersagekraft. Eine verbesserte Risikoabschätzung wurde daher oftmals nicht erreicht. Das "Cox Proportional Hazard Modell", das von Kroeger et al. angewandt wurde, gibt einen rein informativen Gehalt mit Bestimmung des Signifikanzniveaus für eine Variable an.

Die Frage der prognostischen Bedeutung einer mikrovaskulären Invasion konnte in der hier vorliegenden Arbeit nicht abschließend geklärt werden. Dennoch zeigt diese Arbeit, dass histologische Parameter wie die Venen- und Lymphgefäßinfiltration oder die perirenale und pelvine Fettgewebsinfiltration, die nicht direkt in die TNM Stadieneinteilung einfließen, für eine verbesserte Prognoseeinschätzung beim NKZ von Bedeutung sein können. Eine detaillierte histopathologische Beurteilung, wie die der mikroskopischen Veneninfiltration, erscheint daher unerlässlich.

PD Dr. Jens Bedke und Dr. Stephan Kruck, Tübingen


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PD Dr. Jens Bedke


ist Oberarzt an der Klinik für Urologie, Eberhard Karls Universität Tübingen

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Dr. Stephan Kruck


ist Funktionsoberarzt an der Klinik für Urologie, Eberhard Karls Universität Tübingen

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