Dtsch Med Wochenschr 2013; 138(45): 2322-2324
DOI: 10.1055/s-0033-1349628
Arztrecht in der Praxis | Commentary
Wettbewerbsrecht
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Gesetzliche Anforderungen an ärztliche Werbung

Beispiel Kinesio-TapingLegal requirements on medical advertising using the example of Kinesio Taping
T. Oehler
1   Advokaturbüro Oehler, Osnabrück
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Publication History

28 August 2013

05 September 2013

Publication Date:
25 October 2013 (online)

Einführung

Im vorliegenden Beitrag werden die Anforderungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) an ärztliche Werbung dargestellt. Die Ausführungen richten sich nach einem aktuellen Urteil des Landgerichts (LG) Ulm [5] zum Kinesio-Taping. Das Urteil hat eine einstweilige Verfügung zum Gegenstand, die gegenüber einer Ärztin aufgrund von Werbeaussagen zum Kinesio-Taping erging. Die Relevanz der Entscheidung ergibt sich daraus, dass zahlreiche Ärzte, aber auch Kliniken, im Internet auf ihrer Homepage das Verfahren des Kinesio-Tapings anbieten und Aussagen darüber auf ihrer Homepage treffen. Das Urteil wird bei Übereinstimmung des Aussageinhalts zwischen den streitgegenständlichen Werbeaussagen im Urteil und den eigenen Feststellungen auf der Homepage zwingender Anlass zur Überarbeitung der Internetpräsenz sein. Im Folgenden werden zunächst das Kinesio-Taping und der wissenschaftliche Stand vorgestellt, anschließend die in diesem Zusammenhang interessierenden wettbewerbsrechtlichen und heilmittelwerberechtlichen Vorschriften sowie das Urteil des LG Ulm.

Kinesio-Taping

Kinesio-Tapes gehen auf den japanischen Chiropraktiker Kenzo Kase zurück. Es handelt sich um ca. 2 bis 5 cm breite, elastische Klebebänder auf einer Baumwollbasis. Es gibt sie in unterschiedlichen Farben, wobei z. B. rote und pinkfarbene Tapes eine anregende Wirkung haben sollen. Sie werden mit einem Acrylkleber an der Haut befestigt und können nach Herstellerangaben ca. 3–5 Tage haften bleiben. Intention hinter diesem Verfahren soll u. a. das Abheben der obersten Hautschicht von der darunter liegenden Schicht und eine Verbesserung der Durchblutung sein. Die Klebetechniken variieren danach, welches mutmaßliche Ziel erreicht werden kann. Das Material wird teilweise ohne vorherige Dehnung des Muskels, teils mit vorheriger Dehnung, möglicherweise auch in unterschiedlichen Formen (z. B. Y-Form) angelegt. Trotz kontroverser Studienlage wurde dieses Taping unter anderem als neue, revolutionäre Technik [1] mit unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten dargestellt. Dabei fanden unter anderem die Sportphysiotherapie, die Schmerztherapie oder die Neurologie Erwähnung.

Im Hochleistungssport, egal ob Tennis, Fußball oder Leichtathletik, wurden diese Streifen mittlerweile bei zahlreichen prominenten Sportlern gesichtet. Ob dies auf eine entsprechende Marketingstrategie zurückzuführen ist, ist bisher nicht bekannt. Verfehlt haben diese Marketingträger insofern nicht eine Wirkung, als dass zahlreiche Freizeitsportler den professionellen Sportlern nacheifern. Ungeklärt ist, ob die Tapes wirken.

Bisher hat sich eine Metaanalyse – die Gegenstand des im Folgenden besprochenen Urteils war – mit der Behandlung und Prävention von Sportverletzungen mittels Kinesio-Taping befasst. Von 97 Beiträgen erfüllten gerade einmal 10 die Einschlusskriterien (der Artikel musste Daten über die Wirkung des Kinesio-Tapings zur Verfügung stellen, und zwar im Hinblick auf Resultate, die die Muskeln und das Skelett betreffen; ferner musste die Arbeit eine Kontrollgruppe haben). Von diesen 10 Publikationen prüften nur 2 Studien sportbezogene Verletzungen. Davon involvierte lediglich eine Studie verletzte Athleten. Die eingeschlossenen Studien enthielten aber z.T. Ergebisse zur möglichen Prävention von Sportverletzungen. Die Wirksamkeit des Kinesio-Tapings in Bezug auf Schmerzerleichterung war belanglos: Es gab keine klinisch relevanten Ergebnisse. Fazit der Metaanalyse war, dass lediglich eine qualitative Evidenz von geringer Bedeutung vorlag, die den Nutzen des Kinesio-Tapings gegenüber anderen Arten des Tapings bei Handhabung und Prävention von Sportverletzungen untermauern konnte [8].


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Wettbewerbsrecht

Das Wettbewerbsrecht enthält in § 3 UWG (Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen) in Abs. 1 eine Generalklausel. Danach sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. § 4 UWG zählt in einem Katalog zahlreiche Beispiele unlauterer geschäftlicher Handlungen auf. Ein für Ärzte extrem wichtiges Beispiel liefert dabei § 4 Nr. 11 UWG: Unlauter handelt danach, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Es geht dabei um „Vorsprung durch Rechtsbruch“. Über diese Norm werden zahlreiche Vorschriften in das Wettbewerbsrecht mit einbezogen, z. B. die Berufsordnung für Ärzte oder das Heilmittelwerbegesetz. In § 3 HWG ist geregelt, dass eine irreführende Werbung unzulässig ist. Das ist vor allem dann der Fall, wenn nach Nr.1 z. B. Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben. Eine Irreführung kann auch nach Nr.2a dadurch stattfinden, dass der fälschliche Eindruck erweckt wird, dass ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann.


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