Dialyse aktuell 2013; 17(7): 337
DOI: 10.1055/s-0033-1357216
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Keine Zeit

Christian Schäfer
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Publication Date:
10 September 2013 (online)

Es hat sich schon seit Langem angekündigt und ist mittlerweile ein immer drängender werdendes Problem für viele Pflegekräfte. Sie fragen sich: Wie können wir die Patienten noch versorgen, ohne selbst dabei auszubrennen, Fehler zu machen und notwendige pflegerische Tätigkeiten wegzulassen? Zeit ist ein kostbares Gut: In der heutigen, immer schnelllebigeren Welt erkennen immer mehr Menschen den Wert des Innehaltens und der Ruhe – Zeit zu haben ist Luxus. Aber geht es zum Beispiel um schwer kranke Menschen, sollte die Verfügbarkeit der Zeit, die dafür notwendig ist, um eine adäquate und sichere Pflege zu gewährleisten, kein Luxus, sondern Standard sein!

Wie wichtig dies ist, zeigt eine Studie aus England, die am 29. Juli online veröffentlicht wurde (BMJ Qual Saf 2013; doi: 10.1136/bmjqs-2012-001767). Ball JE et al. zeigen hierin auf, dass Personalmangel in der Pflege über Zeitdruck zu vermehrten Fehlern und zum Weglassen wichtiger Tätigkeiten führt – also letztendlich zu einer verschlechterten Patientenversorgung. Es bestätigt sich hierin das, was man mit gesundem Menschenverstand voraussagen konnte – und das ist gut so! Es ist notwendig, auch das Offensichtliche durch wissenschaftliche Untersuchungen zu belegen – erst dann darf es als validiert gelten. Und – auch sehr wichtig – dann hat man mehr in der Hinterhand, wenn Argumentationen gegenüber Politikern etc. notwendig sind.

Das kann mitunter essenziell sein: Derzeit nehmen Politiker solche Dinge mit einer erhöhten Sensibilität auf. Denn wir befinden uns im Wahlkampf für die Bundestagswahlen am 22. September 2013: Alles, mit dem man auftrumpfen kann, verwenden die Parteien mit Handkuss. Inzwischen hat das Kompetenzteam um Kanzlerkandidat Peer Steinbrück (SPD) mitbekommen, dass man mit Pflegethemen punkten kann – v. a., da sich die derzeitige Regierung bisher nicht damit hervorgetan hat, entscheidend auf die aktuelle Situation (Pflegekräftemangel, zu geringe Löhne etc.) zu reagieren.

So verspricht Steinbrück u. a., dass die neue Regierung dafür sorgen wird, die Zahl der eingestellten Pflegekräfte um 125 000 innerhalb der nächsten Legislaturperiode zu erhöhen, so er denn Kanzler wird. Natürlich haben andere Parteien auch erkannt, dass das Thema Pflege beim Wählerfang gut wirkt, und grundlegende Pflegereformen angekündigt. Interessant ist es in diesem Zusammenhang, wie die Parteien auf 13 Fragen („Wahlprüfsteine“) der Kampagne „Ich will Pflege“ antworten, nachzulesen auf http://www.ichwillpflege.de unter dem Punkt „Wahlprüfsteine“. Die Frage, wem man nun glauben soll bzw. was davon wirklich umgesetzt werden wird, ist schwierig zu beantworten. Die Entscheidung für oder gegen eine Partei bleibt letztendlich jedem selbst überlassen.

Eines ist aber sicher: Wir brauchen in Deutschland mehr Pflegekräfte! Dies zeigt auch der „Pflegeheim Rating Report 2013“: Hierin steht u. a., dass bis 2030 bis zu 331 000 zusätzliche Stellen in der ambulanten und stationären Pflege geschaffen werden müssen, um dem Pflegebedarf der alternden Gesellschaft in Deutschland begegnen zu können. Worauf warten wir noch?

Einer der Wege aus dem Fachkräftemangel ist das Anwerben von ausländischen Pflegern. Hierbei sind Pflegekräfte zum Beispiel aus südeuropäischen Ländern v. a. aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit sehr daran interessiert, erforderliche Maßnahmen wie Deutschkurse zu belegen. So haben Anfang August 18 spanische Pflegekräfte an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) angefangen. Möglich wurde dies durch das Projekt „Bienvenido! Spanische Fachkräfte für Niedersachsen“ – sowohl für die Neuankömmlinge als auch für die Hochschule ist dies vorteilhaft. Natürlich sollte man auch im Land Pflegekräfte rekrutieren – mit besseren Arbeitsbedingungen, mehr Lohn etc. Aber ohne die Unterstützung aus dem Ausland wird es wohl auch nicht gehen.

Über das Ausland geht auch diese Schwerpunktausgabe der Dialyse aktuell: Lesen Sie, wie man exemplarisch in Bangladesch, Argentinien, Nigeria und auf einem Kreuzfahrtschiff mit Nierenkranken umgeht bzw. Präventionsprojekte implementiert. Ich wünsche Ihnen eine schöne Lektüre!