Drug Res (Stuttg) 2014; 64(S 01): S14-S15
DOI: 10.1055/s-0033-1358033
Symposium der Paul-Martini-Stiftung
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Invasive Pilzinfektionen: Aspergillose, Candidose, Mucormykose

O. A. Cornely
Translationale Forschung, Cologne Excellence Cluster on Cellular Stress Responses in Aging-Associated Diseases (CECAD), ZKS Köln – BMBF01KN1106, Klinik I für Innere Medizin, Universität Köln
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Oliver A. Cornely
Uniklinik Köln
Kerpener Straße 68
50937 Köln

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
25. November 2014 (online)

 

    Bisher wurden mehrere hundert Pilze als humanpathogen beschrieben. Unter den invasiven Mykosen sind jedoch vor allem die Candidose (meist als Candidämie), die Aspergillose und die Mucormykose klinisch relevant.

    Die Candidämie ist definiert durch das Vorliegen einer positiven Blutkultur. Eine Bewertung eines solchen Befunds als Kontamination ist obsolet. Etwa die Hälfte der Candidämien betrifft Patienten auf Intensivstationen, die andere Hälfte findet sich verteilt in allen Fachrichtungen. Eine ambulant erworbene Candidämie findet sich in der Literatur als Rarität. Die Inzidenz der Candidämie wird mit 10–20 pro 1000 Aufnahmen auf Intensivstationen angegeben. Stationär behandelte Patienten mit Tumorleiden sind zu etwa 0,2 % betroffen, Empfänger einer allogenen Knochenmark- oder Stammzelltransplantation zu etwa 1,5 %.

    Da Therapieverzögerungen der Candidämie die Sterblichkeit um 1–2 % pro Stunde rasant ansteigen lassen, ist es von großer Bedeutung die lokale Epidemiologie zu kennen. Nur dann ist eine zielsichere Therapie denkbar, wenn der initiale deskriptive mikrobiologische Befund „Hefen in der Blutkultur“ eintrifft. Insbesondere Candida glabrata und Candida krusei sind nicht empfindlich gegenüber dem langjährigen Therapiestandard Fluconazol. So beschreibt eine Kennzahl der lokalen Epidemiologie das Verhältnis von C. glabrata und C. krusei zu allen andern Candida spp., da bei letzteren Empfindlichkeit vorausgesetzt werden kann. Da C. krusei in nahezu allen Publikationen einen Anteil im niedrigen einstelligen Prozentbereich ausmacht, liegt besonderes Augenmerk auf C. glabrata.

    Es liegen seit kurzem umfangreiche europäische Leitlinien zur Diagnostik und Therapie vor.

    Die Therapie der Candidämie erfolgt leitliniengemäß mit einem Echinocandin. Grund ist die Überlegenheit von Anidulafungin gegenüber Fluconazol in einer randomisierten, doppelblinden Phase III-Studie, die häufig als Überlegenheit der Substanzklasse der Echinocandine interpretiert wird. Caspofungin wurde in randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studien mit liposomalem Amphotericin B und mit Micafungin verglichen. Diese Vergleiche ergaben ähnliche Wirksamkeit, jedoch für liposomales Amphotericin B eine höhere Toxizität. Keine Regel ohne Ausnahme: für C. parapsilosis sind die minimalen Hemmkonzentrationen in der Empfindlichkeitstestung für Fluconazol durchweg geringer als für die Echinocandine, so dass diese Spezies nach wie vor mit Fluconazol behandelt werden sollte.

    Die Therapiedauer der unkomplizierten Candidämie beträgt 14 Tage nach Negativierung der Blutkulturen. Die Therapie kann bei kreislaufstabilem Patienten und empfindlicher Spezies oralisiert werden. In jedem Fall einer Candidämie ist weitere Diagnostik indiziert, um Organbeteiligungen festzustellen, die Einfluss auf die Therapiedauer hätten. Augenbeteiligungen treten bei 1–3 % der Patienten auf. Dies kann auch nach den ersten Tagen noch der Fall sein, so dass der beste Zeitpunkt für die obligatorische Ophthalmoskopie in der zweiten Therapiewoche liegt. Bei Vorliegen einer Retinitis wird derzeit eine 12-wöchige Therapie empfohlen. Die durchschnittliche Candidämiedauer beträgt etwa 5 Tage, bei längerer Dauer ist eine transösophageale Echokardiografie erforderlich, um eine Endokarditis auszuschließen.

    Die zweithäufigste invasive Mykose ist die Aspergillose der Lungen. Alle invasiven Schimmelpilzinfektionen sind unterdiagnostiziert, da nur wenige diagnostische Tests zur Verfügung stehen und eine Fungämie sehr selten ist. Im Gegensatz zur Candidämie sind vor allem Patienten mit ausgeprägter Immunsuppression betroffen. Gewichtigster Risikofaktor ist die Neutropenie, gefolgt von langdauernder, hochdosierter Glukokortikosteroidexposition. In zunehmendem Maße werden genetische Risikofaktoren wie z. B. die Pentraxin 3-Defizienz erkannt. Die beweisende Diagnose der invasiven Aspergillose erfolgt seit der Erstbeschreibung im Jahre 1856 durch Rudolf Virchow durch die Histologie. Alternativ wird der kulturelle Nachweis aus der Biopsie akzeptiert. Der Nachweis von Galactomannan im Blut oder in der bronchoalveolären Lavageflüssigkeit erhärtet den Verdacht, wenn bei einem Risikopatienten Lungeninfiltrate festgestellt werden. Das Galactomannan hat darüber hinaus prognostischen Wert, denn im Verlaufe einer erfolgreich therapierten Aspergillose sollte seine Konzentration im Blut sinken.

    Die Therapie der invasiven Aspergillose erfolgt heute mit Voriconazol. Im Falle einer Unverträglichkeit oder von Medikamenteninteraktionen kann alternativ liposomales Amphotericin B gegeben werden. In diesem Jahr wurden erste Daten zu Isavuconazol vorgestellt, das in einer gegen Voriconazol randomisierten, doppelblinden Phase III-Studie eine vergleichbare Wirksamkeit zeigte. Es besteht mit Isavuconazol möglicherweise eine weitere Therapiealternative.

    Selten und oft unterschätzt ist die Mucormykose. Auch sie betrifft zumeist immunsupprimierte Patienten. Neben neutropenischen Patienten, die typischerweise eine Pneumonie durch Mucorales erleiden können, sind Diabetiker mit mangelhafter Blutzuckereinstellung eine Risikogruppe. Diese Patienten erkranken an einer sinunasalen Form, die sich zur rhinozerebralen Mucormykose ausweiten kann. Klinisches Alarmzeichen ist der plötzliche einseitige totale Visusverlust. Die Mucormykose ist durch ein sehr rasches Wachstum über Organgrenzen hinweg gekennzeichnet. Die Geschwindigkeit ist im Vergleich mit der häufigen Differenzialdiagnose einer Tumorerkrankung ganz wesentlich akzeleriert. Mucormykosen können innerhalb einer Woche durchaus 10–20 cm „zurücklegen“. Dabei kann sich beispielsweise eine Pneumonie durch das Zwerchfell in Milz, Leber oder nach perirenal ausdehnen. Im Labor werden sie deshalb als „lid-lifter“ bezeichnet, weil sie nach sehr kurzer Zeit die gesamte Kulturschale ausfüllen und u. U. den Deckel anheben. Pathognomonisch für die Mucorpneumonie ist das CT-morphologische reverse Halozeichen, bei dem eine ringförmige Nekrose scheinbar gesundes Lungengewebe umgibt („Atollzeichen“).

    Die Diagnostik bei Verdacht auf Mucormykose umfasst ein Staging, wie es bei Tumordiagnose üblich ist. Therapeutisch stehen nur zwei Substanzen zur Verfügung. In erster Linie ist hier liposomales Amphotericin B in höherer Dosierung anzuwenden. Einzige Alternative ist bisher Posaconazol. Jeder Patient mit einer Mucormykose sollte mit den entsprechenden chirurgischen Fachkollegen diskutiert werden.

    Für alle drei invasiven Mykosen gilt, dass wenige diagnostische und therapeutische Möglichkeiten bestehen und dennoch die rasche und entschlossene Diagnostik und Therapie über die Prognose des Patienten entscheidet.


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    Interessenkonflikte: Forschungsmittel, Studienplanung, Referent: 3 M, Actelion, Astellas, Basilea, Bayer, Celgene, Cubist, Da Volterra, Daiichi Sankyo, F2G, Genzyme, Gilead, GSK, Medpace, Menarini, Merck Serono, MSD, Miltenyi, NanoMR, Novartis, Optimer, Parexel, Pfizer, Quintiles, Sanofi Pasteur, Summit/Vifor, Viropharma
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