Drug Res (Stuttg) 2014; 64(S 01): S28
DOI: 10.1055/s-0033-1358041
Symposium der Paul-Martini-Stiftung
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prävention durch Impfungen – Pneumokokken und Influenza

M. W. Pletz
Zentrum für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Jena
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Mathias Pletz
Universitätsklinikum Jena
Erlanger Allee 101
07740 Jena

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Publication Date:
25 November 2014 (online)

 

    Moderne Impfstrategien fokussieren nicht mehr ausschließlich auf die Prävention von Kinderkrankheiten. Die Impfung von Älteren rückt zunehmend in den Fokus der Forschung. Die meisten der bislang für Erwachsene verfügbaren und auch empfohlenen Impfungen richten sich gegen die häufigsten Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie: Pneumokokken und Influenza. Dabei wird zunehmend klar, dass das gealterte Immunsystem (Immunseneszenz) nicht nur mit einer erhöhten Vulnerabilität gegenüber Infektionen einhergeht, sondern auch eine im Vergleich zu Kindern verminderte Impfantwort generiert.

    Aus epidemiologischer Sicht kann die Entwicklung der Pneumokokkenkonjugatvakzine als Durchbruch bezeichnet werden. Mit der Konjugatvakzine steht erstmals eine Impfung gegen den wichtigsten bakteriellen Erreger von Atemwegsinfektionen zur Verfügung, die so wirksam ist, dass sie in verschiedenen Regionen der Welt zu einer Eradikation der enthaltenen Pneumokokkenserotypen geführt hat.

    Allerdings resultierte die Eradikation in einer „ökologischen Nische“ im Nasopharynx der Kleinkinder, die das Hauptreservoir von Pneumokokken darstellen. Diese Nische wurde von nicht-Vakzin-Serotypen okkupiert. Der Anstieg von Besiedelungen und auch Infektionen durch nicht-Vakzin-Serotypen wird als „Replacement“ bezeichnet. Die derzeitige Strategie gegen „Replacement“ besteht in einer Erweiterung der in der Konjugatvakzine enthaltenen Serotypen. Die erste zugelassene Konjugatvakzine war 7-valent und wurde in 2010 durch eine 10- und eine 13-valente Vakzine ersetzt. Derzeit ist eine 15-valente Vakzine in Entwicklung.

    Seit 2011 ist die primär für Kleinkinder entwickelte 13-valente Konjugatvakzine auch für den Einsatz bei Erwachsenen zugelassen. Damit stehen für die Impfung beim Erwachsenen zwei Impfstoffe zu Verfügung: die ältere, wenig immunogene Polysaccharidvakzine mit einem breiten Serotypenspektrum (23 Serotypen) und die besser wirksame Konjugatvakzine mit einem schmaleren Spektrum.

    Meta-Analysen zeigen, dass die Polysaccharidvakzine das Risiko einer Pneumokokkenbakteriämie reduziert, aber nicht vor nicht-bakteriämischer Pneumonie schützt und dass die Schutzwirkung bei Personen mit hohem Risiko für Pneumokokkeninfektionen (Ältere und Immunsupprimierten) eingeschränkt ist. Die bislang nur auf Kongressen vorgestellten Ergebnisse einer randomisierten, kontrollierten Studie mit 85 000 Erwachsenen über 65 Jahre (CAPITA) belegen für die Konjugatvakzine hingegen eine Schutzwirkung vor nicht-bakteriämischer Pneumokokkenpneumonie. Derzeit divergieren die Empfehlungen, welcher Impfstoff bei Erwachsenen angewendet werden sollte. Sinnvoll scheint die sequenzielle Impfung (Konjugat- gefolgt von Polysaccharidvakzine), die zunehmend von verschiedenen Kommissionen für Patienten mit einem besonders hohen Risiko für schwere Pneumokokkeninfektionen (z. B. bei Asplenie) empfohlen wird. Wichtig ist hierbei die Einhaltung der Reihenfolge, da eine vorhergehende Impfung mit der Polysacchardivakzine die Impfantwort einer nachfolgenden Vakzinierung vermindert (Hyporesponsiveness).

    Gegen den bedeutendsten viralen Erreger respiratorischer Infektionen, Influenzaviren, wurden in den letzten Jahren mehrere innovative Impfstoffe entwickelt. Das Spektrum reicht von hühnereiweißfreien Impfstoffen für Allergiker über adjuvantierte oder intradermal injizierte Impfstoffe, die bei Älteren eine bessere Impfantwort induzieren sollen, bis hin zur injektionsfreien, intranasal applizierten Lebendvakzine für Kinder. Die neueste Entwicklung ist ein tetravalenter Impfstoff mit einer breiteren Wirksamkeit, der in den nächsten Jahren wahrscheinlich die trivalenten Vakzine ablösen wird. Dieser Impfstoff enthält im Gegensatz zu trivalenten Vakzinen (2× A plus 1× B) zwei Influenza B Stämme. Je nach Zusammensetzung der saisonal zirkulierenden Influenzastämme kann damit eine durchschnittlich um 16 % breitere Schutzwirkung erreicht werden. Die Verträglichkeit der verschiedenen Vakzine ist gut und ernsthafte Nebenwirkungen sind ausgesprochen selten. Zum Teil ergeben sich für einzelne Indikationsgruppen Hinweise darauf, dass ein bestimmter Impfstofftyp besonders geeignet ist bzw. Vorteile gegenüber der klassischen trivalenten Spaltvakzine hat. Die Schutzwirkung gegenüber einer Labor-bestätigten Influenza-Infektion ist für eine große Zahl von Indikationsgruppen ausreichend gut belegt. Weitere Studien zu der Frage, ob auch klinische Ereignisse (Pneumonie, Hospitalisierung, Tod) durch die Impfung verhindert werden können, sind jedoch nach wie vor wünschenswert.

    Daten des Kompetenznetzes zur ambulant erworbenen Pneumonie, CAPNETZ, belegen, dass die sekundär bakterielle Pneumonie (meist durch Pneumokokken) nach einer primären Influenzainfektion besonders schwer verläuft und daraus folgend, dass die kombinierte Impfung gegen Pneumokokken und Influenza, die simultan erfolgen kann, eine besonders effektive Schutzwirkung vermittelt.


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