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DOI: 10.1055/s-0033-1359244
Endoskopische Lungenvolumenreduktion beim Emphysem
Standortbestimmung nach einer DekadeEndoscopic Lung Volume Reduction Therapy for EmphysemaSetting up After a DecadeIn Deutschland ist von einer Prävalenz von etwa 700 000 Patienten mit fortgeschrittener COPD (GOLD Stadium III und IV) auszugehen [1], wobei ein erheblicher Teil hiervon ein zusätzliches Emphysem aufweist. Neben der Atemwegsobstruktion ist pathophysiologisch insbesondere auch die verminderte Gasaustauschfläche und der exspiratorische Elastizitätsverlust ursächlich für die statische und dynamische Überblähung. Klinisch resultierend hieraus und im Vordergrund der Symptomatik stehend ist die Dyspnoe der Patienten mit deutlich eingeschränkter Lebensqualität. Trotz Rehabilitation und maximaler pharmakologischer Therapie, in erster Linie Bronchodilatatoren zur Reduktion der Atemwegsobstruktion und Überblähung, bleiben die Patienten meist hoch-symptomatisch und in ihrer Belastungsfähigkeit limitiert. Chirurgische Volumenreduktionsverfahren zur Verbesserung der Atemmechanik wurden in den 1990er Jahren wieder aufgegriffen, nachdem erste klinische Versuche in den 1950er Jahren eine nicht vertretbare perioperative Mortalität erbrachten. In der NETT-Studie (National Emphysema Treatment Trial) konnte gezeigt werden, dass Patienten mit oberlappenbetontem, heterogenem Emphysem von einem solchen Eingriff in Bezug auf Verbesserung der Lungenfunktion, Belastbarkeit, Lebensqualität und Prognose profitieren [2] [3]. Gleichzeitig war ersichtlich, dass Patienten mit schwerster Funktionseinschränkung (FEV1 < 15 % d. S. und DLCO < 20 % d. S.) sowie homogenem Emphysem eine deutlich erhöhte Mortalität aufwiesen [2] [3]. Wenngleich also eine Patientengruppe zu identifizieren ist, die von einer chirurgischen Lungenvolumenreduktion profitiert, hat sich das Verfahren aufgrund der Invasivität, der perioperativen Morbidität und der Kosten infolge verlängerter Hospitalisation auf breiter Front nicht durchgesetzt.
So wurde schon frühzeitig bzw. parallel nach minimal-invasiven Verfahren gesucht, die auf endoskopischem Wege ähnliche Effekte der Lungenvolumenreduktion erzielen. Nach nunmehr zehn Jahren Erfahrung seit der Erstbeschreibung der endoskopischen Lungenvolumenreduktion (ELVR) zunächst mittels Implantation von endobronchialen Ventilen [4] scheint dies möglich, allerdings ist die Datenbasis für die verschiedenen Verfahren aktuell sehr unterschiedlich und insgesamt vergleichsweise begrenzt. Auch bleiben viele Fragen, insbesondere in Bezug auf Patientenauswahl, Differenzialindikation und Methodik sowie Langzeiteffekte, offen.
Nach ersten Pilotuntersuchungen wurde die Sicherheit und Effektivität einer unilateralen endobronchialen Ventilimplantation mittels ZephyrTM-Ventilen multizentrisch, kontrolliert und randomisiert im Vergleich zu einer konservativen Standardtherapie in der zu dieser Thematik bisher größten publizierten sog. VENT-Studie verglichen [5]. Wenngleich in der primären Endpunktanalyse eine statistisch signifikante Verbesserung von FEV1 und 6-Minuten-Gehstrecke in der Therapiegruppe zu verzeichnen war, so sind diese mit 5,8 % bzw. 6,8 % gegenüber der Kontrollgruppe klinisch eher nicht relevant. Allerdings ergab eine Subgruppenanalyse, dass die Patienten mit computertomografisch weitgehend intakten interlobären Fissuren als Hinweis auf eine fehlende Kollateralventilation zwischen dem behandelten Lungenlappen und dem benachbarten Lappen eine deutlich größere und klinisch relevante Zunahme mit 17,1 % FEV1 Verbesserung nach 12 Monaten hatten als Patienten ohne intakte Fissuren [5]. Diese Beobachtung konnte auch in der europäischen Kohorte, der Euro-VENT-Studie, bestätigt werden [6]. Wiederum in einer Post-hoc-Analyse zeigte sich, dass bei denjenigen Patienten mit CT-morphologisch intakten Fissuren und lobärer Okklusion durch die Ventile eine größere Volumenreduktion im Ziellappen zu erreichen war und nach zwölf Monaten eine anhaltend deutliche Verbesserung von FEV1 mit Zunahme im Mittel um 28 % gegenüber denjenigen Patienten ohne diese Kriterien. Allerdings war diese Subgruppe mit 20 Patienten relativ klein im Vergleich zur Gesamtgruppe der insgesamt 111 mit Ventilen therapierten Patienten. Auch waren nur bei etwa einem Drittel aller Patienten CT-morphologisch intakte Fissuren nachweisbar und nur bei etwa der Hälfte der mit Ventilen behandelten Patienten waren die CT-morphologischen Kriterien einer lobären Okklusion vorhanden [6]. Offensichtlich sind dabei anatomische Faktoren wie fehlende Kollateralventilation und technische Aspekte wie eine komplette lobäre Okklusion (mit konsekutiver Atelektasenentwicklung) bessere Erfolgsprädiktoren als die Heterogenität des Emphysems [6]. So wissen wir inzwischen auch, dass eine nicht-lobäre bilaterale Okklusion (mit intrabronchialen IBVTM-Ventilen) bei heterogenem Emphysem nicht effektiv ist [7]. Derzeit ist also das zugrundeliegende Konzept der Ventilbehandlung eine möglichst komplette Ausschaltung im Ziellappen technisch zu erreichen, allerdings auch, insbesondere bei rascher Ausbildung, mit einem gewissen Risiko einer Pneumothoraxentwicklung im benachbarten Lappen behaftet. Neben einer exakten CT-morphologischen Analyse existiert mit dem ChartisTM-System eine bronchoskopische Methode, die mit etwa 75 %-iger Genauigkeit eine fehlende Kollateralventilation und damit einen wesentlichen Erfolgsprädiktor der Ventilimplantation vorhersagen kann [8].
In der vorliegenden Ausgabe der Pneumologie berichten Franke et al. [9] über die Ergebnisse ihrer Fallstudie hinsichtlich der Änderung des Residualvolumens als Ausmaß der Überblähung und Verbesserung des 6-Minuten-Gehstreckentests als Maß der körperlichen Leistungsfähigkeit nach unilateraler lobärer IBVTM-Implantation bei Patienten mit fortgeschrittenem heterogenem Lungenemphysem. Zu den intrabronchialen Ventilen existieren bisher nur sehr wenige Daten. Einschränkend in der Aussage ist sicherlich die sehr geringe Anzahl von insgesamt 10 mit IBV behandelten Patienten, von denen 7 in Bezug auf die Verbesserung der Gehstrecke nach im Mittel 312 Tagen profitierten mit einer Korrelation zur Reduktion des Residualvolumens und damit Bestätigung von Ergebnissen der o. a. Studien. Interessant erscheint jedoch noch ein zusätzlicher Aspekt der Arbeit: Nur ein geringer Teil der Patienten mit fortgeschrittener COPD, die trotz rehabilitativer Maßnahmen und stadiengerechter medikamentöser Therapie weiterhin einen hohen Leidensdruck haben, erscheinen aufgrund funktioneller und CT-morphologischer Kriterien überhaupt für eine Ventiltherapie geeignet. Dies ist allerdings im Moment zunächst eine der zentralen Fragestellungen: die Festlegung von Kriterien für die Auswahl der Patienten für das jeweils geeignete Verfahren, auch angesichts der damit verbundenen Kosten.
Das nicht-blockierende und in der Regel irreversible Verfahren der RePneu-CoilTM-Implantation ist unabhängig von der Kollateralventilation. Das Wirkprinzip dieser meist konsekutiv bilateral durchgeführten Methode beruht auf einer Komprimierung des emphysematös veränderten Lungenlappens mit Volumenreduktion und Verbesserung der elastischen Rückstellkräfte und damit der Verminderung der Lungenüberblähung. Erste Studien mit kleinen Patientenzahlen zeigen eine Wirksamkeit der Methode in Bezug auf eine signifikante und klinisch relevante Verbesserung der Lebensqualität, Lungenfunktion und körperlichen Belastbarkeit nach 3 bzw. 6 Monaten mit einer relativ guten Sicherheit der Methode [10] [11]. Mittlerweile sind erste Daten mit 119 Patienten aus vier randomisierten multizentrischen europäischen Studien auf dem letzten ERS-Kongress präsentiert worden, die die Wirksamkeit und Sicherheit nach 6 bzw. 12 Monaten bestätigen [12]. Interessanterweise zeigt sich nach einem Jahr kein Unterschied in der Wirksamkeit bei 39 Patienten mit homogenem Emphysem gegenüber 35 Patienten mit einem inhomogenen Emphysem [12]. Die ebenfalls nicht-blockierenden Verfahren der Polymerschauminstillation sowie Wasserdampfinstillation müssen derzeit als experimentell betrachtet werden, zudem birgt die dem Verfahren inhärente inflammatorische Reaktion in dem Lungenareal ein zusätzliches Risiko für die ohnehin schwer beeinträchtigten Patienten [13] [14].
Aktuell lässt sich festhalten, dass die ELVR für bestimmte Patienten mit schwerem Lungenemphysem eine wenig invasive Behandlungsmaßnahme darstellt zur Verbesserung der körperlichen Belastungsfähigkeit und Lebensqualität, möglicherweise auch der Prognose [15] [16] bei einem akzeptablen Risiko der Methode. Die Erkenntnisse aus Subgruppenanalysen bisheriger Studien müssen nun in prospektiven Interventionsstudien mit klar definierten Endpunkten geprüft werden. Patienten, die außerhalb von Studien behandelt werden, sollten soweit möglich zumindest in geeigneten Register-Studien erfasst werden, um Daten zum Langzeitverlauf in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit zu gewinnen. Aktuell sind in Deutschland zwei industriegesponsorte Registerstudien zur Ventiltherapie (NCT01580215) und RePneu-CoilTM-Therapie (NCT01806636) aktiv. Wünschenswert wäre für neue interventionelle Verfahren in der Pneumologie, ähnlich wie in der Kardiologie bzw. Herz-, Thorax-, Gefäßchirurgie, ein entsprechendes Register unter der Verantwortung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie bzw. dem Institut für Lungenforschung mit dem Ziel der Darstellung von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität der verschiedenen Techniken, der Ermittlung von Kriterien für die Indikationsstellung, der Erfassung von Qualität und Sicherheit von speziellen Medizinprodukten, der Bewertung der Versorgungsqualität auf Ebene der teilnehmenden Zentren mit dem Ziel der Qualitätsverbesserung und schließlich der gesundheitsökonomischen Evaluation der eingesetzten Behandlungsverfahren. Noch ein Schritt weiter wäre ein Lungenemphysemregister, in dem auch die chirurgischen Verfahren zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie erfasst würden. Nach zehn Jahren wäre es auch angesichts der gesundheitspolitischen Bedeutung Zeit hierfür.
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Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass sie Patienten mit den im Artikel erwähnten Verfahren im Rahmen der jeweiligen Zulassung behandeln.
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Literatur
- 1 European Lung White Book 2013. www.ersnet.org
- 2 National Emphysema Treatment Trial Research Group. A randomized trial comparing lung-volume-reduction surgery with medical therapy for severe emphysema. N Engl J Med 2003; 348: 2059-2073
- 3 Criner GJ, Cordova F, Sternberg AL et al. The National Emphysema Treatment Trial (NETT): part II: lessons learned about lung volume reduction surgery. Am J Respir Crit Care Med 2011; 184: 881-893
- 4 Toma TP, Hopkinson NS, Hillier J et al. Bronchoscopic volume reduction with valve implants in patients with severe emphysema. Lancet 2003; 361: 931-933
- 5 Sciurba FC, Ernst A, Herth FJF et al. A randomized study of endobronchial valves for advanced emphysema. N Engl J Med 2010; 363: 1233-1244
- 6 Herth FJF, Noppen M, Valipour A et al. Efficacy predictors of lung volume reduction with Zephyr valves in a European cohort. Eur Respir J 2012; 39: 1334-1342
- 7 Ninane V, Geltner C, Bezzi M et al. Multicentre European study for the treatment of advanced emphysema with bronchial valves. Eur Respir J 2012; 39: 1319-1325
- 8 Herth FJF, Eberhard R, Gompelmann D et al. Radiological and clinical outcomes of using ChartisTM to plan endobronchial valve treatment. Eur Respir J 2013; 41: 301-308
- 9 Franke KJ, Nilius G, Domanski U et al. Unilaterale Lungenvolumenreduktion mit intrabronchialen Ventilen nach Selektion mittels endoskopischer Kollateralventilationsmessung. Pneumologie 2014; 68: 100-105
- 10 Slebos DJ, Kloster K, Ernst A et al. Bronchoscopic Lung Volume Reduction Coil Treatment of Patients With Severe Heterogeneous Emphysema. Chest 2012; 142: 574-582
- 11 Shah PL, Zoumot Z, Singh S et al. Endobronchial coils for the treatment of severe emphysema with hyperinflation (RESET): a randomised controlled trial. Lancet Respir 2013; 1: 233-240
- 12 Deslee G, Blaas S, Gesierich W et al. Lung volume reduction coil (LVRC) treatment is safe and effective in heterogeneous and homogeneous emphysema. ERJ 2013; P2289
- 13 Kramer MR, Refaely Y, Maimon N et al. Bilateral Endoscopic Sealant Lung Volume Reduction Therapy for Advanced Emphysema. Chest 2012; 142: 1111-1117
- 14 Snell G, Herth FJF, Hopkins P et al. Bronchoscopic thermal vapour ablation therapy in the management of heterogeneous emphysema. ERJ 2012; 39: 1326-1333
- 15 Hopkinson NS, Kemp SV, Toma TP et al. Atelectasis and survival after bronchoscopic lung volume reduction for COPD. Eur Respir J 2011; 37: 1346-1351
- 16 Venuta F, Anile M, Diso D et al. Long-term follow-up after bronchoscopic lung volume reduction in patients with emphysema. Eur Respir J 2012; 39: 1084-1089
Korrespondenzadresse
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Literatur
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