Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2013; 48(11/12): 688-697
DOI: 10.1055/s-0033-1361987
Fachwissen
Notfallmedizin
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Explosionsverletzungen[*] – Präklinische Versorgung und Management

Explosion injuries – Prehospital care and management
Thorsten Holsträter
,
Susanne Holsträter
,
Daniela Rein
,
Matthias Helm
,
Björn Hossfeld
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
16. Dezember 2013 (online)

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Zusammenfassung

Explosionsverletzungen sind nicht auf kriegerische Auseinandersetzungen oder terroristische Attentate beschränkt. Auch im privaten oder industriellen Umfeld kann der Notarzt mit derartigen Verletzungen, verursacht z.B. durch Feuerwerkskörper oder Gasexplosionen, konfrontiert werden. Dabei sind die Verletzungsmuster besonders komplex und vereinen stumpfe und penetrierende sowie thermische Verletzungen. Notfallmediziner müssen auf die Behandlung von Explosionstraumata, im Einzel- wie im Großschadensfall (MANV), vorbereitet sein. Dies erfordert Kenntnisse über die Entstehung einer Explosion und die besonderen pathophysiologischen Zusammenhänge von Explosionsverletzungen, um eine möglichst leitliniengerechte Traumatherapie initiieren zu können.

Abstract

Explosion injuries are not restricted to war-like military conflicts or terrorist attacks. The emergency physician may also encounter such injuries in the private or industrial fields, injuries caused by fireworks or gas explosions. In such cases the injury patterns are especially complex and may consist of blunt and penetrating injuries as well as thermal damage. Emergency medical personnel must be prepared to cope with explosion trauma not only in individual cases but also in major casualty incidents (MCI). This necessitates a sound knowledge about the mechanisms and processes of an explosion as well as the particular pathophysiological relationships of explosion injuries in order to be able to initiate the best possible, guideline-conform trauma therapy.

Kernaussagen

  • Die Ursachen von Explosionsverletzungen in Deutschland sind meist industrieller Natur, dazu kommen Haushalts- und Freizeitunfälle.

  • Bombenexplosionen mit terroristischem Hintergrund sind in Krisengebieten an der Tagesordnung. Aber auch in Europa und den USA kommen solche Ereignisse vor. Notärzte sollten mit den speziellen, komplexen Verletzungsmustern und den Besonderheiten einer solchen Einsatzstelle vertraut sein.

  • Explosionsverletzungen sind häufig komplexe Polytraumen. Typisch ist die Kombination aus stumpfen und penetrierenden Verletzungen sowie Verbrennungen. Die Einteilung erfolgt in primäre bis quartäre Verletzungsmechanismen.

  • Der Anteil an Toten und Schwerstverletzten steigt bei Explosionen in geschlossenen Räumen bzw. wenn die Explosion den Einsturz von Gebäuden zur Folge hat.

  • In MANV-Situationen (MANV = Massenanfall von Verletzten) treten hohe Anteile an Leichtverletzten und geringere Anteile an Schwerstverletzten auf. Durch sorgfältige Sichtung müssen die kritisch Verletzten identifiziert, erstversorgt und zügig in geeignete Behandlungseinrichtungen transportiert werden.

  • Die Erstbehandlung soll prioritätenorientiert nach dem <C>ABCDE-Algorithmus erfolgen. Lebensrettende Maßnahmen vor Ort umfassen das Stillen kritischer Blutungen, die Sicherstellung der Oxygenierung und die Immobilisation der Halswirbelsäule sowie die Entlastung eines Spannungspneumothorax.

  • Bei fehlender Kontraindikation (Schädel-Hirn-Trauma) soll bezüglich der Volumentherapie das Konzept der permissiven Hypotension verfolgt werden. Dies gilt auch für Schwerbrandverletzte.

  • Blast Lung Injury (BLI) stellt ein durch die Druckwelle verursachtes Barotrauma dar und ist Ausdruck der Nähe des Opfers zum Explosionsort. Klinisch zeigen sich schwerste Oxygenierungsstörungen, auch ein Pneumothorax kann auftreten. Therapeutisch stehen die Sicherung der Oxygenierung und ggf. die Entlastung des (Spannungs-) Pneumothorax im Vordergrund.

1 Erstveröentlichung des Beitrags in: Notf.med. up2date 2013; 8: 229242


Ergänzendes Material