Diabetologie und Stoffwechsel 2013; 8(5): 373-374
DOI: 10.1055/s-0033-1362068
Erwiderung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erwiderung – Antwort auf den Leserbrief von Herrn Professor Kerner

Theodor Koschinsky
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
20. November 2013 (online)

Ziel unserer Publikation [1] war die Konkretisierung der Anforderungen an die Messqualität und die Qualitätssicherung von POCT-Glukose-Messsystemen für die primäre GDM-Diagnostik, um den betroffenen Herstellern sowie den für die Zulassung und die Überwachung verantwortlichen Funktionsträgern eine möglichst aktuelle Empfehlung durch die zwei mit dieser Fragestellung befassten Fachgesellschaften in Deutschland zur Verfügung zu stellen. Einleitend dazu werden im Abschnitt „Grundlagen und Voraussetzungen“ die dafür relevante S3-Leitlinie der DDG und der DGGG [2] und die darauf basierenden Praxisempfehlungen[3] zitiert, die die angesprochenen „Hinweise zur Verwendung von POCT-Glukose-Messsystemen zur Diagnostik des Gestationsdiabetes“ und das „beachtenswerte Ergebnis, dass dies prinzipiell möglich ist“ enthalten. Prof. Kerners Ablehnung dieser Möglichkeit wurde schon 2012 in Diabetologie und Stoffwechsel publiziert [4] und von Dr. Kleinwechter, dem Sprecher der GDM-Leitliniengruppe, ausführlich beantwortet [5].

Die Aussage „ausschließlich mit dem Gerät HemoCue 201 DM RT“ ist so nicht gemacht worden. Durch das Weglassen des Kontextes im Abschnitt „Aktueller Handlungsbedarf für diese Stellungnahme“ ist sie zudem irreführend. Darin wird bezüglich der erforderlichen Messqualität von POCT-Glukose-Messsystemen für die primäre GDM-Diagnostik ausdrücklich festgestellt, dass es in Deutschland ausser dem o. g. POCT-System noch mehrere andere, prinzipiell dafür geeignete Messsysteme von mindestens 5 weiteren benannten Herstellern gibt. Diese Aussage wird durch aktuelle, umfangreiche Untersuchungsergebnisse aus dem Institut für Diabetes-Technologie an der Universität Ulm gestützt [6–8]. Dabei erfüllten laut Freckmann et al. z. B. 18 von 34 POCT-Glukose-Messsystemen die neuen verschärften Kriterien der ISO 15 197:2013 (u. a. müssen 95 % der Messergebnisse ≥100 mg / dL innerhalb von ± 15 % des Referenzwertes liegen) und sogar 6 von 34 das rechnerische Kriterium, dabei innerhalb von ± 10 % zu liegen [6].

Obwohl diese letztgenannten 18 Messsysteme die erforderliche Messqualität für die primäre GDM-Diagnostik erfüllen, dürfen sie dafür erst dann eingesetzt werden, wenn sie eine zulassungstechnische Voraussetzung gemäß der GDM-Leitlinie erfüllen: „… diese Messsysteme – wie auch alle anderen Glukose-Messsysteme – sollen nach Herstellerempfehlungen für die ärztliche Anwendung in Screening und Diagnostik eines GDM ausdrücklich vorgesehen sein.“ Bisher erfüllt nur – wie von uns erwähnt – das o. g. HemoCue-System beide Voraussetzungen, während die übrigen Hersteller noch intern über entsprechende Zulassungsergänzungen beraten, ob es sich wirtschaftlich gesehen lohnt, den zusätzlichen Aufwand in Kauf zu nehmen.

Zu Punkt 1 und 2: Prof. Kerner verweist darauf, dass es von HemoCue außer dem von uns genannten Messsystem auch noch weitere Systeme gibt, von denen ihm nicht bekannt ist, ob sie die von uns konkretisierten Anforderungen für die GDM-Diagnostik erfüllen, wobei von uns die Formulierung gewählt wurde „gemäß dem Prüfstandard DIN EN ISO 15 197:2003 mit folgender Modifikation…“, weil diese Anforderungen von der in der Norm geforderten Messqualität bewußt im Sinne enger gefasster Limits abweichen. Prof. Kerners Angaben, dass die drei anderen von ihm laut Internetauftritt benannten Geräte von HemoCue im Jahr 2013 nicht einmal die Anforderungen von DIN EN ISO 15 197:2003 erfüllen, stützen sich auf Publikationen mit älteren technischen Modellen aus 1998, 2001, 2005 und 2008. In seiner Referenz 7 aus 2012 stellen die holländischen Autoren entgegen seiner Darstellung ausdrücklich fest: „Conclusions: When ISO 15 197 was applied, Roche, HemoCue (HemoCue Glu201DM) and Abbott fulfilled the criterion in this patient population (critically ill ICU patients),…“.

Die Aussage zur zugelassenen Messqualität des HemoCue 201 DM RT beruht primär auf den vom Hersteller bei der CE-Zulassung vorgelegten Daten gemäß dem o. g. Prüfstandard und den zusätzlichen Herstellerauswertungen mit verschärften Limits. Diese Herstellerangaben sind in den Kernaussagen durch aktuelle, unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt worden [8],[9]. Da die Marktzulassung von POCT-Glukose-Messsystemen und deren Überwachung in Deutschland von den o. g. Funktionsträgern nur von den Zulassungsbedingungen und nicht von den Ergebnissen wissenschaftlicher Publikationen abhängt, ist es folgerichtig, dass DGKL und DDG die Anforderungen an diese Systeme für die primäre GDM-Diagnostik unter Berücksichtigung der technologischen Fortschritte in der vorliegenden Weise konkretisiert haben.

Zu Punkt 3: Wir stimmen mit Prof. Kerner überein, dass die von DIN EN ISO 15 197:2003 mindestens geforderte Messqualität (95 % der Messergebnisse ≥75 mg / dL innerhalb von ± 20 % des Referenzwertes) nicht ausreicht, um die Diagnose eines GDM-Diabetes zu stellen.

Das von ihm gewählte Beispiel der Konsequenzen einer ± 15 % Abweichung vom Referenzmethodenwert erwähnt aber nicht, dass dies in Deutschland die offizielle Rahmenbedingung für alle Glukose-Messsysteme in klinisch-chemischen Labors gemäß der RiliBÄK [10] auf der Basis der akzeptierten Mindestanforderung bei der externen Qualitätssicherung für das Ergebnis der Ringversuchsproben ist. Daher muß man – im Gegensatz zu Prof. Kerners Meinung, dass „die (Glukose-)Messung im KC-Labor …wesentlich genauer ist…“ bei der Beurteilung eines einzelnen Glukosemesswertes aus dem KC-Labor durchaus die Möglichkeiten einer Messwertabweichung innerhalb des akzeptierten Fehlerkorridors im gesamten ± 15 % Bereich berücksichtigen. Hier entlarvt sich die „Glaubensfrage“ als rhetorisches Stilelement, das sich nicht an der praktizierten Realität in Deutschland sondern an US-amerikanischen Zielvorstellungen orientiert. Diese sind zwar wünschenswert aber bisher nicht flächendeckend verwirklicht. Daher ist der Ausschluss von POCT-Glukose-Messsystemen vom Einsatz bei der GDM-Diagnostik, die die von der DGKL und der DDG konkretisierten Anforderungen im Kontext der GDM-Leitlinie erfüllen, nicht mit den von Prof. Kerner vorgetragenen Argumenten zu rechtfertigen.

 
  • Literatur

  • 1 Thiery J, Luppa PB, Koschinsky T et al.: Anforderungen an die Messqualität und Qualitätssicherung (QS) von Point-of-Care-Testing(POCT)-Blutglukose-Messsystemen, die für das Screening und die Diagnose eines Gestationsdiabetes mellitus (GDM) gemäß der GDM-Leitlinie der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) geeignet sind. Diabetologie Stoffw 2013; 8: 195-197
  • 2 Kleinwechter H, Schäfer-Graf U, Bührer C et al.: Gestationsdiabetes mellitus (GDM) Evidenzbasierte Leitlinie zu Diagnostik, Therapie und Nachsorge der DDG und der DGGG. Diabetologie Stoffw 2011; 6: 290-328
  • 3 Kleinwechter H, Schäfer-Graf U, Bührer C et al.: Gestationsdiabetes mellitus (GDM) – Diagnostik, Therapie und Nachsorge. Diabetologie Stoffw 2012; 7 (Suppl. 02) S174-S184 in: Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes-Gesellschaft, Aktualisierte Version 2012, Hrsg.: M. Kellerer, S. Matthaei sowie im Internet: „Aktuelle Fassung der evidenzbasierten Leitlinien“ www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de
  • 4 Kerner W. POCT zur Diabetes-Diagnostik mit Blutglukose – KONTRA. Diabetologie Stoffw 2012; 7: 390-391
  • 5 Kleinwechter H. POCT zur Diabetes-Diagnostik mit Blutglukose – PRO. Diabetologie Stoffw 2012; 7: 387-389
  • 6 Freckmann G, Schmid C, Baumstark A, Pleus S, Link M, Haug C. System Accuracy Evaluation of 43 Blood Glucose Monitoring Systems for Self-Monitoring of Blood Glucose according to DIN EN ISO 15 197. J Diabetes Sci Technol 2012; 6 (5) 1060-1075
  • 7 Baumstark A, Pleus S, Schmid C, Link M, Haug C, Freckmann G. Lot-to-Lot Variability of Test Strips and Accuracy Assessment of Systems for Self-Monitoring of Blood Glucose according to ISO 15 197. J Diabetes Sci Technol 2012; 6 (5) 1076-1086
  • 8 Freckmann G, Baumstark A, Link M, Pleus S, Haug C, Sieber J. Evaluating System Accuracy of Blood Glucose Monitoring Systems for Point of Care Testing. Diabetes 2013; 62 (Suppl. 01) 870-P
  • 9 Kos S, van Meerkerk A, van der Linden J, Stiphout T, Wulkan R. Validation of a new generation POCT glucose device with emphasis on aspects important for glycemic control in the hospital care. Clin Chem Lab Med 2012; 50: 1573-1580
  • 10 Bundesärztekammer (2008) Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen (RiliBÄK 2008). Dtsch Ärztebl 105: A341-A355