Transfusionsmedizin 2014; 4(4): 163-164
DOI: 10.1055/s-0033-1362914
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ausdauer wird früher oder später belohnt – meistens aber später

Rainer Blasczyk
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Publication Date:
27 November 2014 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

im Jahre 1969 führte Edward D. Thomas in Seattle die erste erfolgreiche Knochenmarktransplantation durch. Dabei wird ein Leukämiepatient durch eine Geschwisterspende gerettet. Die jahrzehntelangen experimentellen und klinischen Arbeiten, die zu diesem Erfolg geführt haben, waren mühsam und von Rückschlägen geprägt. Bis dahin war jede Knochenmarktransplantation fehlgeschlagen, namhafte Immunologen erklärten die allogene Barriere für unüberbrückbar und viele sahen in den Arbeiten zur Knochenmarktransplantation eine Sackgasse. Seit dem haben mehr als 1 Million Patienten eine Knochenmarktransplantation erhalten. Im Jahre 1979 wurde der erste Patient mit einem unverwandten Spender transplantiert und die Idee zur Etablierung von Stammzellspenderregistern war geboren. Weltweit sind heute fast 25 Millionen freiwillige Knochenmarkspender registriert.

Ich freue mich, Ihnen eine Ausgabe zum Themenkomplex Immungenetik vorlegen zu können, in der die Erfolgsgeschichte der hämatopoetischen Stammzelltransplantation dank der großen Ausdauer einiger Forscher ein segensreicher Bestandteil in der Behandlung schwerstkranker Patienten geworden ist und heutige Diskussionen sich nicht ausschließlich mit experimentellen Ansätzen, sondern vor allem intensiv mit Qualitätssicherung und Standardisierungen befassen können. Im Praxistipp beschreibt Sabine Riebschläger aus Essen, wie die Suche nach einem nicht verwandten Stammzellspender organisiert ist und wie eine effiziente Suche heute durchgeführt wird. Im Deutschen Konsensus 2013 zur immungenetischen Spenderauswahl für die allogene Stammzelltransplantation beschreiben Carlheinz Müller et al. den aktuellen Stand der relevanten Kriterien, um den bestmöglichen Spender zu identifizieren.

Die hämatopoetische Stammzelltransplantation, die ursprünglich zur Therapie der mit einer Hochdosischemotherapie oder Ganzkörperbestrahlung verbundenen Nebenwirkung der Knochenmarkaplasie gedacht war, hat sich als Immuntherapie par excellence herausgestellt. Der Erfolg dieses Konzeptes der Immuntherapie gibt Anlass zu deren ständiger Weiterentwicklung.

Ein zukünftiger Weg dieser Immuntherapie kann die Anwendung von Designer-T-Zellen sein, über die Hinrich Abken in der Übersicht referiert und insbesondere den aktuellen Stand der Entwicklung chimärer Antigen-Rezeptoren (CARs) vorstellt.

Diese Übersicht macht deutlich, dass Ausdauer eine unerlässliche Tugend visionärer Forschung sein muss, die vom Grundsatz getrieben wird, sich am liebsten an die Zukunft zu erinnern. Das gilt in gleicher Weise für die komplexen, interdisziplinären Forschungsrichtungen unseres Fachgebiets, die auf regenerative Stammzellkonzepte und gentechnische Verfahren setzen. Die Geschichte der Knochenmarktransplantation zeigt, dass Ausdauer früher oder später belohnt wird – meistens aber später. Ich wünsche daher allen Visionären viel Geduld mit sich selbst, aber vor allem mit Gutachtern, Geldgebern und Behörden.

Für das Herausgeberteam