physiopraxis 2014; 12(01): 20-24
DOI: 10.1055/s-0034-1364234
physiowissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York

Internationale Studienergebnisse


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10 January 2014 (online)

 

Sturzprävention bei Morbus Parkinson – Bewusstes Gehen statt Übungen

Menschen, die an Morbus Parkinson erkrankt sind, können Stürze vermeiden, indem sie sich langsam und konzentriert fortbewegen. Ein solches bewusstes Gehen scheint zur Sturzprävention effektiver zu sein als ein spezifisches Programm mit Kraft- oder Gleichgewichtsübungen. Zu diesem Schluss gelangten die Physiotherapeutin Dr. Emma Stack und die Internistin Dr. Helen Roberts an der University of Southampton, England.

Die beiden Forscherinnen werteten die ausgefüllten Fragebögen von 255 Senioren aus, deren Parkinson-Diagnose seit bis zu 31 Jahren feststand. In ihren Antworten beschrieben die Patienten, wo und warum sie gestürzt waren und wie sie sich vorher und nachher verhalten hatten. Den Ergebnissen zufolge erlitten 136 Befragte (53 Prozent) außerhalb ihres häuslichen Umfeldes einen Sturz. Dieser ereignete sich meistens während eines Spazierganges. Als häufigste Gründe gaben die Patienten Stolpern (24 Prozent) und Unaufmerksamkeit wegen Müdigkeit oder Ablenkung an (12 Prozent). Nach dem Sturz kamen 30 Prozent der hingefallenen Senioren wieder alleine auf die Beine, 40 Prozent benötigten die Hilfe von einer anderen Person.

Die Forscherinnen vermuten, dass Übungen zur Sturzprävention zu Stürzen beitragen können, da sie zur Ermüdung führen. Stattdessen empfehlen sie Menschen mit Morbus Parkinson, langsam zu gehen und sich auf ihre Umwelt zu konzentrieren. Von Multitasking raten die Wissenschaftlerinnen ab. Das heißt, die Patienten sollten sich während eines Spaziergangs beispielsweise nicht unterhalten oder sich mit anderen Aufgaben beschäftigen. Außerdem sollten sie fremde Menschen dazu anleiten können, ihnen im Falle eines Sturzes zu helfen.

akb

Parkinsons Dis 2013; doi: 10.1155/2013/704237


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Morbus Parkinson – Alter erhöht Erkrankungsrisiko

Mit zunehmendem Alter erhöht sich das Risiko, an Morbus Parkinson zu erkranken. Jährlich gibt es pro 100.000 Einwohner 5,3 Neuerkrankungen bei den 40- bis 49-Jährigen. Bei den 70- bis 79-Jährigen sind es 254 Betroffene. Da die fortschreitende medizinische Versorgung die Lebenserwartung stetig ansteigen lässt, wird auch die Anzahl der Menschen mit Morbus Parkinson zunehmen.

WS

Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München 2013


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Koordination – Schulterschmerz beeinflusst Gleichgewichtsfähigkeit

Haben Menschen Schulterschmerzen, stört das offenbar deren Gleichgewichtsfähigkeit. Zu diesem Schluss kamen der Physiotherapeut Tobias Baierle aus Heidelberg und seine Kollegen („Gleichgewichtstraining bei Schulterschmerzen“, S. 40).

40 Patienten und 40 Gesunde nahmen an der Studie teil. Einschlusskriterium war ein seit mindestens vier Monaten bestehender Schulterschmerz, der eine Intensität von wenigstens 7 auf einer 15-Punkte-VAS hatte. Zudem mussten die Patienten Ruheschmerzen haben, ansonsten aber gesund sein. Nach der Untersuchung führten die Patienten einen Gleichgewichtstest durch: Sie standen beidbeinig auf einem computergesteuerten Balancekreisel („S3-Check“), hatten die Arme vor der Brust verschränkt und versuchten, das Brett möglichst stabil zu halten. Die Werte verglichen die Wissenschaftler mit denen der Gesunden.

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Mittels des S3-Check-Systems fanden Wissenschaftler heraus, dass Patienten mit Schulterschmerzen ein Gleichgewichtsdefizit haben.
(TST Trend Sport Trading GmbH)

Sie fanden heraus, dass die Probanden mit Schulterschmerzen eine signifikant schlechtere Standstabilität hatten als die Gesunden – obwohl sie ihre Arme aufgrund der Ausgangsstellung während des Tests nicht bewegt hatten. Auffällig war, dass die Patienten ihr Gewicht häufig zur betroffenen Seite hin verlagerten. Über welchen Mechanismus die Schulterschmerzen die Gleichgewichtsfähigkeit beeinträchtigen, ist laut den Autoren bislang nicht bekannt.

josc

BMC Musculoskelet Disord 2013; 14: 282


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Arbeitsmedizin und -sicherheit – Ein Einsatzfeld für Ergo- und Physiotherapeuten

In Australien arbeiten Physiotherapeuten und Ergotherapeuten häufig im Bereich Arbeitsmedizin und -sicherheit. Bislang mangelt es aber an Informationen darüber, welche Eigenschaften und Kompetenzen diese Berufsgruppen für dieses Aufgabenfeld benötigen. Daher untersuchten die Ergotherapeutin Kerry Adam und ihre Kollegen diese Fragestellung an der University of Queensland, Australien.

Die Forscher recherchierten 21 Artikel und ein Buchkapitel in elektronischen Datenbanken wie PubMed oder OTseeker. Im Anschluss daran führten sie eine Metasynthese durch. Den Ergebnissen zufolge benötigen Therapeuten für das Arbeitsfeld Arbeitsmedizin und -sicherheit umfassende Kenntnisse über Prävention und Rehabilitation von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Des Weiteren müssen sie sich auch zu Fragen zur Ergonomie, Arbeitssicherheit und -organisation auskennen. Sie benötigen geeignete Kommunikationsfertigkeiten, um Patienten zu beraten und sich mit anderen Berufsgruppen auszutauschen. Weiterhin sollten sie arbeitsbezogene Assessments und Interventionen einsetzen können, zum Beispiel das Work-Hardening-Programm. Professionelles Verhalten setze zudem voraus, dass sie ihr Vorgehen reflektieren, evaluieren und überzeugend vertreten können.

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Da die ausgewerteten Arbeiten eine geringe Beweiskraft besitzen, sehen die Forscher einen Bedarf an methodisch hochwertigen Forschungen. Diese sollten außerdem untersuchen, welche Kompetenzen Ergo- und Physiotherapeuten konkret benötigen und inwieweit sie diese in ihrer Ausbildung bereits erwerben.

akb

AOTJ 2013; 60: 76–84


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Medizinisch-Beruflich orientierte Reha – Work-Hardening-Programm

Work Hardening beschreibt ein Hebe-, Haltungs- und Arbeitstraining, das in der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) von Menschen mit chronischen Rückenschmerzen zum Einsatz kommt. Das Trainingsprogramm soll die Patienten zu rückengerechtem Verhalten befähigen und ihre Kondition steigern. Zu diesem Zweck üben die Rehabilitanden arbeitstypische Bewegungen und Abläufe wiederholt ein. Neben einer Verbesserung von Kraft und Ausdauer geht es auch darum, die persönlichen Belastungsgrenzen einschätzen und respektieren zu lernen.

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fk

forschung.deutsche-rentenversicherung.de


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Achillodynie – Exzentrisches Training verbessert Funktion

Exzentrisches Training gilt bei chronischen Achillodynien als State-of-the-Art-Intervention. Bislang gibt es jedoch nur wenige Studien, die bei diesem Krankheitsbild den Effekt von exzentrischem mit dem von konzentrischem Training hinsichtlich Kraft, Ausdauer und Funktionsfähigkeit verglichen haben.

Aus diesem Grund führten Wissenschaftler aus Korea eine Studie mit 32 Patienten durch, die seit mindestens einem halben Jahr an einer Achillodynie erkrankt waren. Sie randomisierten die Patienten in zwei Gruppen. Alle übten acht Wochen lang dreimal pro Woche. Das Programm beinhaltete ein Aufwärmprogramm auf einem Fahrradergometer und anschließend, je nach Gruppe, ein exzentrisches oder konzentrisches Trainingsprogramm für die Wadenmuskulatur. Bezüglich Satz- und Wiederholungszahl waren beide Programme gleich. Die Intensität des Trainingsprogramms wurde von Woche zu Woche gesteigert.

Am Ende der Intervention zeigte sich, dass das exzentrische Training die Kraft, Ausdauer und Funktionsfähigkeit der Wadenmuskulatur effektiver verbesserte sowie die Schmerzen deutlicher verringerte als das konzentrische. Somit scheint das exzentrische Training zu Recht als „State of the Art“ zu gelten.

josc

Am J Phys Med Rehabil 2013; 92: 68–76


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Warum – exzentrisches Training ...

... bei Achillodynien so effektiv ist, ist bislang noch nicht klar – obwohl es inzwischen sehr viele Studien gibt, die dessen Effektivität untermauern. Die derzeit am ehesten denkbare Theorie ist, dass die Kombination aus Muskelkräftigung und Verlängerung des Muskels dessen viskoelastische Eigenschaften verändert.

josc

Am J Phys Med Rehabil 2013; 92: 68–76


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Schlaganfall – Prognose der Armfunktion frühzeitig stellen

Patienten mit anfänglich fehlender oder minimaler distaler Handfunktion nach einem Schlaganfall haben eine schlechte Prognose, ihren Arm wieder funktionell im Alltag einsetzen zu können. Niederländische Forscher untersuchten nun, ob es auch Patienten gibt, deren Arm sich trotz der schlechten Prognose besser regeneriert als der anderer Patienten.

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Sie schlossen 299 Patienten, die im Schnitt einen Monat nach dem Schlaganfall zur Reha in eine Klinik aufgenommen wurden, in eine Studie ein. Am Anfang und am Ende der Rehaphase untersuchten die Forscher die Patienten mithilfe der Stroke Upper Limb Capacity Scale (SULCS). Mit dieser Skala lässt sich die Ausführung verschiedener Aktivitäten des Armes bewerten. 125 Patienten zeigten zu Beginn der Studie keine oder nur eine minimale Funktion der betroffenen Hand oder Finger (SULCS-Wert 0-3). Sechzig Prozent davon hatten auch bei Entlassung keine distalen Funktionen erreicht. Eine bessere Chance, einen höheren SULCS-Wert (4–10) zu erreichen, hatten Patienten dann, wenn sie bereits zu Beginn einen SULCS-Wert von 2 oder 3 aufwiesen. Somit haben Patienten, die früh proximale Armfunktionen zeigen – vor allem die Fähigkeit, ein Objekt nach vorn über den Tisch zu schieben –, offenbar eine bessere Prognose. Zudem stieg bei Patienten, die nach dem Schlaganfall schnell in die Reha kamen, die Wahrscheinlichkeit, ihre distale Handfunktion zu verbessern.

hoth

Arch Phys Med Rehabil 2013; 94: 839–844


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Jogging – Umstellung aufs Barfußlaufen langsam angehen

Die sogenannten Barfußschuhe sind in den vergangenen Jahren immer mehr in Mode gekommen. Doch bezüglich der Vor- und Nachteile dieses Laufstils ist die Beweislage bislang unklar. Möglichen Vorteilen wie vermehrter Kraft und besserer Balance könnte aufgrund der fehlenden Dämpfung ein erhöhtes Verletzungsrisiko gegenüberstehen. Um bezüglich dieser Frage mehr Klarheit zu erhalten, untersuchten amerikanische Wissenschaftler die Füße von Barfuß- und normalen Läufern mittels MRT. Damit wollten sie herausfinden, ob es bei Barfußläufern vermehrt zu Knochenmarködemen oder Stressfrakturen kommt.

Sie scannten die Füße von 36 Läufern im MRT. Der anschließende Untersuchungszeitraum betrug zehn Wochen. In dieser Zeit absolvieren 17 Probanden zusehends mehr Kilometer ihres wöchentlichen Laufprogramms im „VibramFiveFingers“- Barfußschuh. Die restlichen Teilnehmer liefen weiterhin in ihren gedämpften Schuhen.

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www.vibram-fivefingers.de

Nach den zehn Wochen kamen alle Probanden noch einmal ins MRT. Es zeigte sich, dass signifikant mehr Barfußläufer (10 von 19) ein Knochenmarködem in mindestens einem Knochen des Fußes hatten. In der anderen Gruppe war es nur einer von 16 Läufern.

Die Autoren empfehlen Läufern, die auf Barfußschuhe umsteigen wollen, dies sehr langsam zu tun, um Stressverletzungen zu vermeiden.

josc

Med Sci Sports Exerc 2013; 45: 1363–1368


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Mittels des S3-Check-Systems fanden Wissenschaftler heraus, dass Patienten mit Schulterschmerzen ein Gleichgewichtsdefizit haben.
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