PPH 2014; 20(02): 110
DOI: 10.1055/s-0034-1371793
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

PEGASUS

Contributor(s):
Michael Schulz
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Publication History

Publication Date:
21 March 2014 (online)

18 Jahre nach der Erstausgabe ist das PEGASUS-Programm nun in der sechsten Auflage in einer Neubearbeitung erschienen. PEGASUS steht für „Psychoedukative Gruppenarbeit mit schizophren und schizoaffektiv erkrankten Menschen“. Aufbauend auf den Ideen von Luc Ciompi machten sich Günther Wienberg und Mitarbeiter 1989 auf den Weg, ein psychoedukatives Programm zu erproben und erste Manuale zu entwickeln.

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(Foto: Psychiatrie Verlag)

Von den ehemaligen Mitherausgebern ist nur noch Günther Wienberg geblieben. Aber auch das neue Autorenteam funktioniert. Neben Christoph Walther, der die Neuausgabe mit hilfreichen Hinweisen zu aktuellen Erkenntnissen der Erwachsenenbildung bereichert hat, ist der Ärztin Michaela Berg als Mitherausgeberin vor allem im Hinblick auf die Darstellung pharmakologischer Therapieansätze eine fundierte und zeitgemäße Darstellung gelungen.

Im Konzert anderer Psychoedukationsprogramme sticht PEGASUS seit jeher durch die benannten Anforderungen an die Haltung der Durchführenden und durch sein eher optimistisches Bild auf die psychiatrische Erkrankung hervor. Eine zentrale Botschaft lautet, dass die Betroffenen nicht „belehrt“ werden, sondern dass man sich auf Augenhöhe begegnet. Jenseits von einfachen Erklärungen gilt es, neben fachlichen Erkenntnissen, den subjektiven Sichtweisen der Betroffenen Raum zu geben. Neben Expertenwissen spielt also Erfahrungswissen seit jeher in diesem Konzept eine zentrale Rolle.

Eine weitere Botschaft lautet, dass psychische Krankheiten grundsätzlich heilbar sind. Hier stellte das PEGASUS-Konzept, bereits lange bevor der Begriff „Recovery“ in Deutschland Verbreitung fand, eine wirkungsvolle Alternative zu dem an manchen Orten bis heute vorherrschenden „therapeutischen Negativismus“ dar. Nicht das Verständnis eines schicksalshaft vorbestimmten Krankheitsprozesses stellt das Lernziel dieses Programms dar. Vielmehr gehen die Autoren von weitgehend offenen Lebensläufen aus, „bei denen es ganz wesentlich auf die Selbsthilfe- und Bewältigungsfähigkeiten sowie die lebensgeschichtlich bedingten Lösungsversuche ankommt“.

Das vorliegende Manual orientiert sich inhaltlich eng am Dreiphasen-Modell nach Luc Ciompi und die vorgesehenen 14 Stunden sind in drei Teile gegliedert.

Im ersten Teil geht es um die Erarbeitung eines Störungsmodells. Das Vulnerabilitätskonzept bietet hier einen konzeptionellen Rahmen. Im zweiten Teil wird auf pharmakologische und psychotherapeutische Behandlungsansätze eingegangen. Teil drei widmet sich dann dem Thema der Rückfallprophylaxe und endet mit der Erarbeitung eines persönlichen Krisenplans.

Das Programm richtet sich an das ambulante Setting. Die Ausstattung des Buchs ist üppig – ebenso wie der Preis von 49,95 Euro. Dafür bekommt man aber auch eine CD mit hilfreichen Materialien zur Durchführung der einzelnen Stunden mitgeliefert.

Das PEGASUS-Programm stellt eine berufsgruppenübergreifende psychosoziale Intervention dar. Für das Aufgabenprofil einer zukunftsfähigen Psychiatrischen Pflege bietet PEGASUS eine hervorragende Grundlage, um in der Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen und Betroffenen der Krankheit den Schrecken etwas zu nehmen und für die Betroffenen einen Zugewinn an Kontrolle und Hoffnung zu erreichen. Den Autoren und dem Verlag sei Dank, dass dieser „moderne Klassiker“ durch die gelungene Neuauflage nicht in Vergessenheit gerät, sondern weiter wirken kann.

Michael Schulz