Der Klinikarzt 2014; 43(4): 171
DOI: 10.1055/s-0034-1376433
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

La vita è bella

Günther J Wiedemann
Further Information

Publication History

Publication Date:
07 May 2014 (online)

Mag es noch jemand hören, das große Wehklagen über die Ökonomisierung der Medizin? Gerade jetzt, wo es in den Kliniken an allen Ecken und Enden ernst wird mit der finanziellen Schraube, die immer fester gezogen wird, wächst unter den Ärzten nicht etwa der Geist der Rebellion; es macht sich Ermattung breit, Resignation, die innerliche Kündigung. Dass Betriebswirte bestimmen, welche Medizin richtig und angemessen ist – geschenkt. Dass Politiker nicht einmal ein Mindestmaß an Fachkompetenz für hohe und höchste Ämter im Gesundheitswesen vorweisen müssen – wir haben uns daran gewöhnt. Im Deutschen Ärzteblatt (Heft 11/2014) war dazu kürzlich Bemerkenswertes zu lesen. Auf die Frage, welche Qualifikation er für seine Arbeit im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages mitbringe, habe Dietrich Monstadt (CDU) geantwortet: „Ich bin spritzender Diabetiker. Schon deshalb habe ich ein Interesse daran, dort mitzuarbeiten, wo ich für andere Menschen mit derselben Erkrankung beziehungsweise Dauererkrankungen etwas bewirken kann.“ Der Vollständigkeit halber sei empfohlen, den beruflichen Hintergrund und die politischen Absichtserklärungen aller 37 Mitglieder des Gesundheitsausschusses unter www.aerzteblatt.de/gesundheitsausschuss nachzulesen.

 

Sind wir im falschen Film?

 

Dass vieles im Argen liegt, wissen wir also. Dass wir den Kampf gegen die Windmühlenflügel der Bürokratie und Ökonomie manchmal am liebsten aufgeben würden, ist kein Geheimnis. Doch wie können wir damit zurechtkommen? Wie erhalten wir uns Kraft, Engagement und Optimismus für unsere Patienten?

Als Inspiration sei hier der Film „La vita è bella – Das Leben ist schön“ empfohlen, der 1999 den Oscar für den besten fremdsprachigen Film erhielt. In diesem Film wird der italienische Jude Guido mit seinem Sohn Giosué ins KZ deportiert. Um den Jungen vor dem Horror des Lagerlebens zu schützen, tut der Vater so, als handele es sich um ein spannendes Spiel auf einem Abenteuerspielplatz. Dem Sieger winkt ein Panzer als Preis. Mit viel Phantasie gelingt es Guido, die Fiktion bis zur Einnahme des Lagers durch die Amerikaner aufrecht zu erhalten. Und tatsächlich gewinnt der Junge in seiner Vorstellung den Hauptpreis: er wird von einem amerikanischen Panzer mitgenommen. Dass sein Vater nicht überlebt hat, wird ihm erst später klar.

Um jegliches Missverständnis zu vermeiden: nein, eine Klinik ist nicht mit einem Konzentrationslager vergleichbar, und das Leiden der Juden in der Vernichtungsmaschinerie des Dritten Reiches verbietet jegliche Relativierung. Doch die Verarbeitung des grauenvollen Themas in „La vita è bella“ kann dennoch ein Anstoß für unseren Alltag sein. Wenn wir an den äußeren Gegebenheiten nichts ändern können, hilft eine innere Haltung weiter, die uns über den Dingen stehen und sie uns in einem anderen Licht sehen lässt. Humor statt Resignation, Lachen statt Klagen. Schon Immanuel Kant meinte, der Himmel habe den Menschen als Gegengewicht zu den vielen Mühseligkeiten des Lebens drei Dinge gegeben: die Hoffnung, den Schlaf und das Lachen. Die Hoffnung auf eine Medizin ohne das Diktat der Ökonomie haben wir aufgegeben. Und in mancher Nacht sind wir um den Schlaf gebracht. Vielleicht versuchen wir es jetzt mit Lachen.

Wo der Mensch lacht, hat der Teufel seine Macht verloren.

(James Krüss: Timm Thaler oder das verkaufte Lachen)