JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2014; 03(03): 102-103
DOI: 10.1055/s-0034-1378165
Kolumne
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

The never-ending Story

Heidi Günther
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Publication Date:
04 June 2014 (online)

Kein Problem wird gelöst, wenn wir träge darauf warten, dass Gott sich darum kümmert.

(Martin Luther King)

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(Foto: Paavo Blåfield)

Jeder von uns, der sich im täglichen Krankenhausbetrieb und da besonders in der Pflege befindet, weiß: nach der Urlaubszeit ist vor der Urlaubszeit, nach der Grippewelle ist vor der Grippewelle. Ist die Abteilung ausnahmsweise mal gut besetzt, lässt sich die nächste Kündigungswelle schon erahnen. Nur, die Arbeit wird nicht weniger.

Es hat von vielen Institutionen schon die verschiedensten empirischen Erhebungen gegeben, die sich mit dem Personalmangel und den daraus entstehenden Problemen bei der Versorgung der Patienten befassen, aber auch mit den physischen und psychischen Folgen für das Pflegepersonal. Da ist von schlechter Patientenversorgung oder sogar Pflegefehlern die Rede. Von überdurchschnittlich hohen Fluktuationszahlen, von noch höherem Krankenstand, von geringer Verweildauer im Beruf. Kurz, die Patienten, aber auch die Mitarbeiter sind unzufrieden. Und die offensichtlich Wenigen, die tapfer und mehr oder weniger enthusiastisch im Beruf bleiben, erwarten dann früher oder später sogenannte Stressoren, die sie entweder aufgeben oder aber mindestens krank werden lassen.

2012 wurde von der Bundesregierung sogar ein „Stressreport“ veröffentlicht, in dem dann auch die „Stressoren“ im Berufsleben allgemein benannt worden sind. Es sind, wer hätte das gedacht, das stetig wachsende Arbeitsvolumen, der Zeitdruck und die Hektik. Schön, dass die Verantwortlichen das jetzt auch wissen und ich hoffe, es war für die Beteiligten nicht allzu stressig. Immerhin wurden 20.000 Beschäftigte befragt und die Ergebnisse zu Papier gebracht. Ich hätte dafür keinen „Stressreport“ gebraucht und erwarte auch keine großen politisch gewollten Änderungen der Situation – denn Papier ist bekanntlich geduldig und auf dem stand ja nichts, was nicht schon seit Jahren bekannt ist.

In den letzten Monaten hatte auch unsere Station wieder einmal die üblichen Probleme. Wir hatten zwei Langzeitkranke, dann immer mal die eine oder andere Grippe, zwei Kollegen waren im Urlaub, zwei Stellen nicht besetzt. Das hört sich nicht allzu schlimm an, aber wir sind ein kleines Team, das sich dann schnell mal halbiert hat. Dann komme ich als Stationsleitung immer wieder ganz schön ins Schleudern und es vergeht nicht ein Tag, an dem ich nicht vor dem Dienstplan sitze und versuche, das Beste daraus zu machen. In dieser aktuellen Situation hatte ich Glück. Zum einen hat sich unsere PDL sehr schnell zum Einsatz von Kollegen aus Zeitarbeitsfirmen entschlossen und zum anderen habe ich ein Team um mich herum, das sich durch ein hohes Maß an Flexibilität und Loyalität auszeichnet. Dennoch kamen wir an den Rand der möglichen Belastbarkeit. Ich konnte zusehen, wie die Kollegen immer blasser und gereizter wurden und wie wir mit der anfallenden Arbeit kaum noch fertig wurden. Überstunden liefen auf und die Frustration wurde immer größer. Es musste etwas passieren.

Da fiel mir ein, dass eine Kollegin von uns im vergangenen Jahr bei einer Weiterbildungsmaßnahme zur Förderung von künftigen Führungskräften war und dort an einem, für unsere derzeitige Situation maßgeschneiderten Projekt mitgearbeitet hat. Der Titel lautete: „Schön gepflegt – Was ich im Pflegealltag für mich selbst tun kann“. Ich bat meine Kollegin Serena in der nächsten Teambesprechung dieses Projekt vorzustellen und hoffte, dass wir etwas für uns finden können, das uns unsere derzeitige Situation leichter macht.

Sie berichtete uns sehr kurzweilig und interessant, wie es zu diesem Projekt kam. Über individuelle körperliche Belastungen, die der Schichtdienst per se schon mit sich bringt. Von der individuellen psychischen Belastung vom Umgang mit den durch den Beruf bedingten emotional beanspruchenden Situationen bis zu den Schwierigkeiten in der Gestaltung des Familienlebens und der Freizeit. Aber auch von den gesellschaftlichen und organisatorischen Erschwernissen.

Ziel dieses Projekts sollte die Entwicklung und Anwendung eines „Selbstpflegepakets“ sein und uns, die Pflegekräfte, ermuntern, auch in schwierigen Situationen uns selbst nicht zu vernachlässigen. Damit wir gesund bleiben und auch die Motivation und den Spaß im Stationsalltag nicht verlieren. Sicherlich ist auch der Arbeitgeber gefragt und sollte möglichst optimale Arbeitsbedingungen schaffen. Aber es gibt, so haben wir von Serena gelernt, sehr viel, was wir im Team oder jeder für sich tun kann.

In unserer Teamsitzung haben wir verschiedene Möglichkeiten der „Selbstpflege“ aus Serenas Angebot diskutiert und für uns als gut befunden. Zum Beispiel – und das kommt mir persönlich sehr entgegen – einen „Tag der Stille“ einzuführen. Soll bedeuten, dass wir an einem bestimmten Tag der Woche die hohen Geräuschpegel auf Station bewusst herabsetzen. Oder, und damit haben wir auch schon begonnen, eine wöchentliche Teamrunde. Wir machen diese jetzt immer am Montag und lassen dabei die letzte Woche noch einmal Revue passieren. Das läuft sehr gut und im Nachhinein erscheint dann die eine oder andere Situation der letzten Tage gar nicht mehr so schlimm.

Eine Möglichkeit ist natürlich auch die aktive Pause. Aber dieses Thema ist ja ein Dauerbrenner auf allen Stationen dieser Welt. Wir wollen uns aber trotzdem bemühen, eine gewisse Pausenkultur auf unserer Station zu etablieren und nicht immer nur den schnellen Kaffee zwischendurch. Wichtig finde ich auch das aktive Loslassen und bewusst nach dem Dienst abzuschalten. Als Unterstützung hat Serena uns ein „Wochenprotokoll Selbstpflege“ vorgestellt. In diesem Protokoll sollte jeder, wenn er möchte, eine Woche lang festhalten: Wann und wie viel geschlafen? Was und wann gegessen und getrunken? Wie viel Bewegung und Sport? Wie viele soziale Kontakte und Hobbys gepflegt? etc. Ich glaube, wir alle würden uns wundern, was innerhalb einer Arbeitswoche, am besten noch im Schichtdienst, dabei herauskommt. Doll wird es nicht sein.

Warum schreibe ich das alles? Eigentlich sollte eine Kolumne ja witzig und pointiert sein und besonders viel Heiterkeit kommt bei diesem Thema nicht gerade auf. Ich wollte aber einmal aufzeigen, wie wir mit diesen Dauerproblemen umzugehen versuchen und bin mir sicher, dass andere Teams andere Lösungen haben. Ich bin mir aber auch sicher, dass in zwei oder drei Jahren die gleiche Kolumne abgedruckt werden könnte und sie genau so aktuell wäre wie heute.

Na gut, ich gebe es zu – das ist auch nicht besonders witzig.

Ihre
Heidi Günther