PPH 2014; 20(04): 229-230
DOI: 10.1055/s-0034-1384785
DFPP-Mitteilungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mitteilungen für die Mitglieder der Deutschen Fachgesellschaft Psychiatrische Pflege

Uwe Genge
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Publication Date:
23 July 2014 (online)

Verschiedene Entwicklungen der vergangenen Jahre in unserem Gesundheitswesen und unserer Gesellschaft machen es notwendig, dass sich Pflegende in der Psychiatrie Gedanken über ihr zukünftiges Profil machen [1]. Da hierbei verschiedene Szenarien denkbar sind, erscheint es sinnvoll, unterschiedliche Möglichkeiten zu diskutieren und abzuwägen.

Seit ein paar Jahren wird in diesem Kontext über das Konzept des „Advanced Nursing Practice“ (ANP) nachgedacht. Dieses Modell wird schon seit längerem im angloamerikanischen und angelsächsischen Raum und darüber hinaus erfolgreich umgesetzt. Zumindest scheint die internationale Datenlage darauf hinzudeuten, dass der Einsatz von entsprechend qualifizierten Pflegenden (international auf Hochschulniveau) positive Effekte hat: „Im Zusammenhang mit dem Einsatz von CNS (clinical nurse specialist; Anm. d. Verf.) ergaben Vergleichsstudien bessere Patientenergebnisse hinsichtlich Aufenthaltsdauer, Kosten und Komplikationen unter Einbezug von CNS in Pflegeteams“ [2].

Als ANP wird die erweiterte und vertiefte Pflegepraxis von Expertinnen und Experten bezeichnet, die sich durch drei Eigenschaften auszeichnet: Spezialisierung und vertieftes klinisches Wissen in einem spezialisierten Fachgebiet, Erweiterung der beruflichen Kompetenzen und Fortschritt in der Pflegepraxis zur Verbesserung der Versorgungs- und Pflegequalität [3], [4].

In Deutschland wurden vor wenigen Jahren die ersten entsprechenden Stellen geschaffen, zunächst in Stabsstellenfunktion. Zudem wurde die Akademisierung der Pflegepraxis etabliert. In der Psychiatrischen Pflege leistet der Studiengang „Psychische Gesundheit und Psychiatrische Pflege“ an der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld wichtige Pionierarbeit. Laut der Studiengangbeschreibung geht es um die „Vermittlung von Expertenwissen im Hinblick auf die pflegerische Versorgung in unterschiedlichen Handlungsfeldern und Befähigung zur professionellen Entscheidungsfindung in komplexen Sachverhalten. Unter Einbeziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse und klinischer Kompetenzen im Hinblick auf Diagnostik und therapeutische Interventionen ergibt sich eine erweiterte Pflegepraxis“ [5].

Der Akademisierungsprozess wird in der Folge voraussichtlich zur Differenzierung von Qualifikationsprofilen führen. Die zukünftigen Arbeitsfelder sind auf die Erfordernisse der jeweiligen Station zuzuschneiden und Pflegende werden im Rahmen ihrer persönlichen Fähigkeiten für spezielle Aufgaben tätig. Wichtig scheint hier die Fähigkeit von Pflegenden zu sein, in unterschiedlichen Situationen unterschiedliche Rollen anzunehmen und Bedürfnisse zu befriedigen.

Mit Sorge sollte die Entwicklung betrachtet werden, wenn die Akademisierung der Pflegepraktiker nicht dazu führt, dass die Pflegeexpertise in der direkten Patientenversorgung ankommt, sprich beim Nutzer. Dazu könnte es aber notwendig werden, parallel auch die Systematik in der Pflege grundlegend zu reformieren. Es ist verkehrt, wenn der Verantwortungsbereich (und damit auch die Verdienstmöglichkeiten) umso größer sind, je größer der „Abstand“ zum Patienten wird.

Da die Aufgaben und Tätigkeitsbereiche der Pflegeexperten sehr heterogen und institutionsabhängig beschrieben sind, haben sich interessierte Pflegende in einer Arbeitsgruppe der DFPP getroffen, um sich mit der Thematik auseinanderzusetzen ( Bericht AG Pflegeexperten). Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich das System der Pflegeexperten im Sinne des ANP etablieren wird. Die DFPP leistet durch ihre verschiedenen Arbeitsgruppen und fachlichen Statements einen wichtigen Beitrag hierzu.