ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2014; 123(09): 432-433
DOI: 10.1055/s-0034-1390215
Colloquium
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mini-Implantate – Einsatz zur Verankerung von Total- und Teilprothesen

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Publication Date:
11 October 2014 (online)

 

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist zu erwarten, dass die Anzahl zahnloser Patienten und solcher mit teilbezahntem Kiefer in den kommenden Jahren deutlich ansteigen wird. Eine kostengünstige Therapieoption, die auch eine im Alter immer wichtiger werdende einfache Pflege ermöglicht, stellt die Versorgung mit herausnehmbarem Zahnersatz (Total- bzw. Teilprothese) dar. Um dessen Retention zu verbessern und somit zu einem gesteigerten Patientenkomfort sowie einer erhöhten Langlebigkeit der Versorgungen beizutragen, können Implantate zur sicheren Prothesenverankerung inseriert werden. Der besondere Nutzen von Mini-Implantaten mit einem reduzierten Durchmesser von weniger als 3 mm, die in beiden Indikationen zunehmend Verwendung finden, wird im Folgenden erläutert.

Stabilisierung von Totalprothesen

Der Zustand der Zahnlosigkeit bringt physische Einschränkungen mit sich, die durch adäquate Therapiekonzepte sicher und kostengünstig auf ein Minimum zu reduzieren sind. Da Totalprothesen diese Anforderungen nicht in vollem Maße erfüllen – durch mangelnde Retention aufgrund eines häufig atrophierten Kieferkamms kann die Funktionalität nicht vollständig wiederhergestellt werden – haben sich Konzepte zur Verankerung des Zahnersatzes durch Insertion von Implantaten durchgesetzt. Bekannt ist, dass dieses Konzept mit 2 konventionellen Implantaten im Unterkiefer bereits zu einer deutlichen Verbesserung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität führt. Doch bei suboptimalen anatomischen Voraussetzungen stellt die Verwendung von Implantaten mit Standarddurchmesser ein Problem dar: In einigen Fällen ist es unmöglich, die Implantate optimal zu positionieren. Eine Anpassung der Biologie, d. h. des Knochenangebots, an den Implantatdurchmesser ist kosten- und zeitaufwendig sowie mit einem invasiven Eingriff verbunden. Eine Alternative stellt die Anpassung des Implantats an die anatomischen Gegebenheiten dar. Möglich ist dies durch eine Reduktion des Implantatdurchmessers.

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Die Inhalte dieses Beitrags wurden auf Basis von Informationen zusammengestellt, die Dr. Andreas Worni (Universität Bern, li.) und PD Dr. Friedhelm Heinemann (Morsbach / Universität Greifswald, re.) bei einem von 3 M ESPE organisierten Symposium mit dem Titel „Mini-Implantate im Zeichen des demografischen Wandels“ präsentierten.

Dass Implantate mit reduziertem Durchmesser für die Indikation der Prothesenverankerung im Unterkiefer geeignet sind, wird erstmals in einem Konsensus-Statement des ITI [ 1 ] bestätigt, das 2014 veröffentlicht wurde. Hier wird insbesondere der Einsatz bei Patienten mit reduziertem Knochenangebot empfohlen.


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Klinische Studie

Die Ergebnisse einer bisher unveröffentlichten klinischen Studie zum Einsatz von Mini-Implantaten im zahnlosen Unterkiefer, die von der Universität Bern initiiert wurde, weisen ebenfalls auf eine hervorragende Eignung der Minis in dieser Indikation hin. In der Untersuchung wurden Mini-Implantate bei 20 Patienten mit einer Unterkiefer-Teilprothese inseriert. Die Insertion erfolgte unter Lappenbildung, dabei wurden die distalen Implantate in einem Abstand von 5–7 mm vom Foramen mentale positioniert. Es wurde eine Sofortbelastung angestrebt und dann realisiert, wenn ein Eindrehmoment von über 35 Ncm erzielt wurde. In regelmäßigen Kontrolluntersuchungen erfolgte nicht nur eine Ermittlung der Überlebensraten der Mini-Implantate, sondern auch eine Untersuchung des Verschleißverhaltens des Attachmentsystems.

Nach einem Beobachtungszeitraum von 12 Monaten zeigte sich, dass sich der Verschleiß auf die Matrize beschränkt und zu Beginn am größten ist. Die O-Ringe stellten sich als sehr präzise heraus und wurden aufgrund des Verschleißes zu einem Drittel nach 12 Monaten ausgewechselt. Die Patrizen zeigten keinerlei Verschleißerscheinungen. Die Retentionswerte der Housings, die je nach Gehäusetyp unterschiedlich sind, wurden als gut eingestuft: Für einen ausreichenden Prothesenhalt sind Abzugskräfte von 3,5–7 N erforderlich. Im Rahmen der Studie, in der Gehäuse des Typs MH-2 zum Einsatz kamen, wurde eine Retention von 7–9 N gemessen. Die Überlebensraten der Mini-Implantate waren mit denen konventioneller Implantate vergleichbar.


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Verankerung von Teilprothesen

Erfahrene Anwender von Mini-Implantaten setzen diese bereits seit mehreren Jahren erfolgreich ein, um nicht nur Totalprothesen zu verankern, sondern auch die Retention von Teilprothesen zu verbessern. Die Anzahl an Teilprothesenträgern steigt stetig und die mangelnde Retention dieses herausnehmbaren Zahnersatzes stellt ein häufiges Problem dar, das sogar zum frühzeitigen Verlust natürlicher Pfeilerzähne führen kann.

Seit rund 30 Jahren werden bereits wissenschaftliche Diskussionen darüber geführt, ob Implantate und natürliche Zähne als Pfeiler für herausnehmbaren und festsitzenden Zahnersatz miteinander verbunden werden dürfen. Dabei hat sich herausgestellt, dass diese prothetische Option durchaus zu guten Ergebnissen führen kann, jedoch ist es wichtig, den Ansatz systematisch zu verfolgen und die Implantate strategisch sinnvoll zu positionieren. Benötigt wird also eine Systematik zur Bewertung des Lückengebisses und der anschließenden Planung der Implantatanzahl und -positionen.

Dies gilt auch für den Einsatz von Mini-Implantaten mit reduziertem Durchmesser. Zu beachten ist hierbei, dass die Belastung des periimplantären Knochens bei durchmesserreduzierten Implantaten höher ist als bei solchen mit Standarddurchmesser. Bei indirekter Kraftübertragung durch schleimhautgetragene und lediglich implantatretinierte Prothesen (Soft-Loading Konzept wie bei MDI Mini-Dental-Implantaten von 3 M ESPE) besteht jedoch keine Gefährdung durch Überlastung – dies wird durch Studienergebnisse [ 2 ]–[ 4 ] bestätigt, die mit konventionellen Implantaten vergleichbare Überlebensraten in der Indikation der Prothesenstabilisierung belegen.


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Systematisches Vorgehen

Um hinsichtlich der Verwendung im teilbezahnten Kiefer ein systematisches Vorgehen mit Mini-Implantaten zu erleichtern, wurde von einer Arbeitsgruppe * ein Planungsschema entwickelt. Dieses bietet ausgehend von einer Klassifizierung des Lückengebisses Empfehlungen zur Implantatanzahl und Positionierung der Mini-Implantate auf Qua­drantenebene.

Ausgangspunkt aller Überlegungen ist eine positionsabhängige prothetische Wertigkeit der Pfeilerzähne: Bei einem Eckzahn handelt es sich um den strategisch wichtigsten Pfeiler, die Wertigkeit nimmt über einen Zahn ab Position 4 hin zum Schneidezahn ab. Danach richtet sich auch das MDI-Planungsschema: Bei einem Restzahnbestand mit hoher Wertigkeit (Klassen 4 und 5) sind nur wenige Mini-Implantate zur Unterstützung notwendig. Ist die Anzahl und Wertigkeit der verbleibenden natürlichen Zähne gering (z. B. Klassen 0 und 1), wird empfohlen, entsprechend mehr Mini-Implantate zu inserieren, um nachhaltig die Prothesenstabilität zu verbessern. Dabei wird je Klasse eine bestimmte Anzahl und Positionierung strategischer Implantate empfohlen, das Planungsschema bietet dem Zahnarzt aber gleichzeitig die Freiheit, je nach Patientenfall auch optionale Mini-Implantate zu inserieren (Abb. [ 1 ] und [ 2 ]).

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Abb. 1 Empfehlungen zur Planung der Position und Anzahl von MDI Mini-Dental-Implantaten zur Pfeilervermehrung im Oberkiefer.
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Abb. 2 Empfehlungen zur Planung der Position und Anzahl von MDI Mini-Dental-Implantaten zur Pfeilervermehrung im Unterkiefer.

Um zu zeigen, dass eine Pfeilervermehrung mit strategischen MDI Mini-Dental-Implantaten, die inseriert und in eine vorhandene Teilprothese eingearbeitet wurden, eine zuverlässige Behandlungsoption darstellt, wurde an der Universität Greifswald eine prospektive randomisierte multizentrische 3-Jahres-Studie initiiert. Neben der Universität Greifswald stehen 3 Zahnarztpraxen als Zen­tren zur Verfügung. Ermittelt wird auch, ob sich die Lebensqualität und Zufriedenheit der Patienten durch die Behandlung verbessert. Verglichen werden zudem die Überlebensraten von Mini-Implantaten nach Sofortbelastung und verzögerter Belastung.


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Nichts für Anfänger

Mini-Implantate sollten nicht ohne implantologische Erfahrung und entsprechende Schulungen verwendet werden. Nur mit ausreichenden Kenntnissen anatomischer Strukturen sowie bei Einhaltung des empfohlenen Insertionsprotokolls lassen sich klinisch gute Ergebnisse erzielen.


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* Arbeitsgruppe bestehend aus: Prof. Dr. Reiner Biffar, PD Dr. Torsten Mundt (beide Universität Greifswald), den niedergelassenen Zahnärzten Dr. Ulrich Baumheuer, Dr. Marcus Engelschalk, Dr. Harry Fritz, Dr. Jochen Hilgert, Dr. Bastian Kämpfe, Dr. Zoltan Keilinger, Dr. Ulf Krausch, Dr. Bernd Mützel, Dr. Wolfgang Tamminga, ZA Frank Tussing, Dr. Winfried Walzer und Dr. Rainer Witt sowie Philipp Doebert, Thomas Landrock und Dr. Karsten Schwarz von 3 M ESPE.


  • Literatur

  • 1 Bornstein MM et al. Int J Oral Maxillofac Implants 2014; (Suppl. 29) 78-82
  • 2 Sohrabi K et al. Clin Oral Implants Res 2012; 23: 515-525
  • 3 Shatkin TE et al. Compendium 2007; 28: 36-41
  • 4 Mundt T et al. Gerodontology 2013; DOI: 10.1111/ger.12066.

  • Literatur

  • 1 Bornstein MM et al. Int J Oral Maxillofac Implants 2014; (Suppl. 29) 78-82
  • 2 Sohrabi K et al. Clin Oral Implants Res 2012; 23: 515-525
  • 3 Shatkin TE et al. Compendium 2007; 28: 36-41
  • 4 Mundt T et al. Gerodontology 2013; DOI: 10.1111/ger.12066.

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Die Inhalte dieses Beitrags wurden auf Basis von Informationen zusammengestellt, die Dr. Andreas Worni (Universität Bern, li.) und PD Dr. Friedhelm Heinemann (Morsbach / Universität Greifswald, re.) bei einem von 3 M ESPE organisierten Symposium mit dem Titel „Mini-Implantate im Zeichen des demografischen Wandels“ präsentierten.
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Abb. 1 Empfehlungen zur Planung der Position und Anzahl von MDI Mini-Dental-Implantaten zur Pfeilervermehrung im Oberkiefer.
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Abb. 2 Empfehlungen zur Planung der Position und Anzahl von MDI Mini-Dental-Implantaten zur Pfeilervermehrung im Unterkiefer.