JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2014; 03(05): 198-199
DOI: 10.1055/s-0034-1393861
Kolumne
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Sache mit der Qualität

Heidi Günther
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Publication Date:
06 October 2014 (online)

Wir bleiben nicht gut, wenn wir nicht immer besser zu werden trachten

Gottfried Keller (Schweizer Dichter, 1819–1890)

Alle Jahre wieder war es im Frühsommer dieses Jahres erneut soweit und der Qualitätsbericht unserer Klinik für das vergangene Jahr wurde vorgestellt. Und, wie in sicherlich allen Kliniken dieses Landes, war und ist unser Anspruch an unsere Arbeit, höchste Qualität abgeliefert zu haben und weiterhin noch qualitativ hochwertiger zu arbeiten. Gern, ich bin dabei.

Dieser Qualitätsbericht unserer Klinik an sich ist schon qualitativ sehr hochwertig. Gutes Papier, aufwendiger Druck, schöne Fotos, verständliche Textbeiträge und statistische Erhebungen. Mir gefällt sehr gut, dass nicht nur die Mitarbeiter oder ausgesuchte Personen diesen Bericht lesen können, sondern dass jeder Patient oder Besucher unseres Hauses sich ein Exemplar in unserer Rezeption nehmen und sich ein Bild über uns und unsere Arbeit machen kann.

Nun ist das mit dem Anspruch auf Qualität nicht ganz neu. Schon meine Großmutter sprach immer von der guten Butter, der guten Baumwolle und der guten Seidenbluse (daher wahrscheinlich auch nur sonntags zu tragen). Sie legte immer und bei allem großen Wert auf Qualität und war auch gern bereit, nicht unbedingt auf jeden (damals noch) Pfennig zu achten.

In der Werbung geht nichts über die Qualität der beworbenen Produkte. Von Schokoladen, die ganze Familien zusammenführen, über Handys, die außer bügeln alles können, bis zum intelligenten Kleinwagen, der wahrscheinlich schon bevor der Fahrer überhaupt einsteigt weiß, wohin es gehen soll. Alles immer nur vom Feinsten und ich falle sehr gern darauf rein.

Doch was habe ich mich schon geärgert! Meine Wimpern wurden nicht länger, die Flecken waren nach der Wäsche noch da und die Margarine spritzte in der Pfanne. Meinen Cholesterinwert habe ich dann gar nicht erst kontrolliert, obwohl ich „Becel“ nur so in mich reingeschaufelt habe. Die Enttäuschung wollte ich mir doch ersparen.

Als Entscheidungshilfe springt „Stiftung Warentest“ für fast alle Produkte des täglichen Lebens gern ein. In ihrer Zeitschrift „test“ könnte ich, wenn mich die große Unsicherheit im Supermarkt überkommt, schnell nachlesen, ob ich gerade zum richtigen und besten zum Beispiel Klopapier greife. In ihrem Artikel „Viel Gutes für den Po“ stand klipp und klar, dass „Charmin Comfort weiß“ und „Charmin De Luxe“ das Beste vom Besten ist. 400 Männer und Frauen, die eine Woche für die Stiftung 27 verschiedene Toilettenpapiere – von billig bis teuer und mit zwei, drei, vier und fünf Lagen – getestet haben, können nicht lügen! Nun ist es nicht besonders schwer, in einer staatlich unterstützen und von Steuermitteln geförderten Stiftung in verschiedenen Laboren mit neuesten Technologien und vielfältigen Möglichkeiten zu ermitteln, ob der so stark beworbene Lippenstift auch tatsächlich 24 Stunden hält oder nicht und wie hoch der Fleischanteil im sogenannten Fleischsalat wirklich ist. Da gibt es dann objektive Ergebnisse und der Verbraucher kann sich, wenn er Lust und Zeit hat, daran orientieren.

Zoom Image
(Foto: Paavo Blåfield)

Was ist aber mit der Feststellung der Qualität in solchen Bereichen wie dem Gesundheitswesen, besonders in einem Krankenhausbetrieb und – noch spezieller – in einem Stationsbetrieb? Sicherlich helfen statistische Erhebungen und jährlich positiv beschiedene hochoffizielle Zertifizierungen. Hilfreich ist auch eine fest installierte Abteilung für Qualitätsmanagement in der Klinik, die ganzjährig ein Auge auf die Qualität unserer Arbeit hat.

Dennoch hängt dann viel von den subjektiven Meinungen und Erwartungen der Patienten ab. Und dann erleben wir immer öfter, dass wenn erst mal die akuten gesundheitlichen Probleme behoben worden sind, der Fokus und der Anspruch der Patienten mehr auf dem Dienstleistungsunternehmen Krankenhaus liegen.

Wie in sicherlich allen Kliniken haben auch unsere Patienten am Ende ihres Aufenthalts bei uns die Möglichkeit, ihre Meinung, Eindrücke, Kritik und bestenfalls auch Lob in einer Patientenzufriedenheitsbefragung zu äußern. Ja, was soll ich sagen? Nicht selten kommen Kommentare, Wünsche und „Kritik“ zu Papier, die wir einigermaßen ungläubig zur Kenntnis nehmen müssen.

Zum Beispiel: Der Pizzaservice hat zu lange gedauert oder mehr mitteldeutsche Fernsehprogramme wären wünschenswert. Ständig kommentiert wird das Essen – zu viel, zu wenig, zu früh, zu spät, zu warm, zu kalt. Manche Patienten schreiben in ihren Fragebogen, dass sie nie wussten, ob und wann eine ärztliche Visite stattfindet – dabei passiert genau das auf unserer Station an Werktagen mit stoischer Genauigkeit zwischen 7.30 und 8.00 Uhr. Andere Patienten beklagen sich, dass sie nicht über ihre nach-stationäre Versorgung informiert werden – obwohl ausführliche Entlassungsgespräche mit Ärzten und Pflegekräften, Beratungen zum Verbandswechsel nach der Entlassung (inklusive der Mitgabe von Verbandsmaterial für den ersten Verbandswechsel) stattfinden.

Da bekommen wir, die Ausführenden, doch so manches Mal den Eindruck, dass Qualität zu liefern auch ein bisschen was mit Qual zu tun hat. Natürlich sollte ich nicht vergessen, auch das gute und konstruktive Feedback durch Patienten und deren Angehörige zu erwähnen. Die eine oder andere Änderung in den Abläufen der Station wurde aufgrund von Hinweisen der Patienten schon umgesetzt und hat damit auch die Qualität des Aufenthalts für nachfolgende Patienten verbessert. Trotzdem wünschen wir uns manchmal, dass es ein objektiveres Mittel zur Erhebung der Qualität unserer Arbeit geben würde. Eine Stiftung Warentest für unsere Arbeit.

Na ja, und wenn ich ehrlich bin, so manches Mal haben uns einige der Bemerkungen auf unseren „Patzu“-Bögen auch schon zum Schmunzeln gebracht.

Ihre