Als Krankheitserreger hat Clostridium difficile mittlerweile höchste Priorität: Erkrankungen durch diesen Keim haben in den letzten
Jahren erheblich zugenommen [
1
], [
2
]. Problematisch ist auch das vermehrte Auftreten hypervirulenter Stämme [
2
]. Nach Angaben der aktuellen Leitlinie der European Society of Clinical Microbiology
and Infectious Diseases (ESCMID) gilt Vancomycin bei schweren und komplizierten CDAD-Fällen
sowie bei Rezidiven als First-Line-Therapeutikum. Bei schweren und komplizierten CDAD-Formen
vergibt die Gesellschaft für orales Vancomycin sogar den höchsten Empfehlungsgrad
auf Basis höchster Evidenz, womit orales Vancomycin der Substanz Fidaxomicin vorzuziehen
ist [
3
]. Orales Vancomycin hat sich darüber hinaus auch bei leichten Schweregraden der CDAD
durch eine hohe Wirksamkeit bewährt [
4
].
Inzidenz schwer verlaufender Durchfallerkrankungen ist gestiegen
Die Inzidenz schwer verlaufender und therapiebedürftiger Durchfallerkrankungen ist
in jüngster Zeit dramatisch gestiegen: Laut einer aktuellen Untersuchung hat sich
die Zahl stationärer Einweisungen wegen schwerster infektiöser Durchfallerkrankungen
von 2000 bis 2011 mehr als verdoppelt [
5
]. Besonders auffällig ist dieser Anstieg bei Clostridium-difficile-assoziierten Diarrhoen. So stieg die Zahl der CDAD-Entlassungsdiagnosen bei Klinikpatienten
nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) von 1,3 Fällen pro 100 000 zwischen 2000
und 2006 auf mittlerweile 97,5 Fälle pro 100 000 dramatisch an [
6
]. Rund 40 % dieser Infektionen werden laut epidemiologischen Daten des CDAD-KISS
(Krankenhaus-Infektionen-Survillance-System) ambulant erworben, in knapp 60 % der
Fälle handelt es sich um nosokomiale Infektionen [
1
].
Mehr Infektionen durch hypervirulente Stämme
Beunruhigend ist nach Angaben verschiedener Publikationen weiterhin das vermehrte
Auftreten besonders schwer verlaufender Clostridium-difficile-assoziierter Diarrhoen mit hoher Letalität, die durch einen extrem aggressiven hypervirulenten
Erregerstamm (Ribotyp 027) ausgelöst werden [
7
], [
8
]. Charakteristisch für Ribotyp 027 ist die vermehrte Produktion der beiden C. difficile-Toxine
A und B sowie die Synthese eines dritten Toxins mit bislang ungeklärter pathogenetischer
Bedeutung.
Anders als die meisten mit der Nahrung aufgenommenen Keime überleben die Sporen von
C. difficile im sauren Milieu des Magens. So erreichen sie unbeschadet den Darm, keimen
bei günstigen Bedingungen wie z. B. einer gestörten Darmflora aus und heften sich
dann an das Darmepithel (Abb. [
1
]). Die Freisetzung der Toxine A und B bewirkt eine Glukosylierung und damit die Inaktivierung
von Rho-GTPasen in der Wirtszelle. Die Folge ist eine Beeinträchtigung des Aktin-Zytoskeletts
mit anschließender Apoptose der Darmepithelzellen. Zudem wirken die Toxine – u. a.
durch Rekrutierung von Immunzellen – proinflammatorisch [
9
], [
10
]. Durch die Schädigung des Darmepithels wird die intestinale Barriere erheblich gestört,
sodass es zu einer sekretorischen Diarrhoe kommt. Bei schweren Verlaufsformen kann
sich eine pseudomembranöse Kolitis entwickeln.
Abb. 1 Infektionsverlauf Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhoe.
Grundsätzlich ist der CDAD-Verlauf schwer abzuschätzen. Er kann sich von einer leichten
und passageren Durchfallerkrankung ohne starke Allgemeinsymptomatik rasch zu einer
schweren Kolitis mit vital bedrohlichem Verlauf entwickeln. Durch derartige Komplikationen
sind insbesondere immunkompromittierte Patienten und Patienten mit chronisch- entzündlichen
Darmerkrankungen gefährdet. Um schwere CDAD-Verläufe zu verhindern, sollte frühzeitig
eine effektive antibiotische Therapie eingeleitet werden.
Leitlinienkonforme First-Line-Therapie
Orales Vancomycin hat sich bei allen CDAD-Formen bewährt. „Es gilt als sichere Therapieoption,
mit der sich bei frühzeitigem Einsatz komplizierte Verläufe vermeiden lassen“, erklärt
Prof. George Micklefield, Gastroenterologe aus Münster. Resistenzen von C. difficile gegenüber Vancomycin sind bisher nicht dokumentiert. Das Antibiotikum ist in Form
von Vancomycin ENTEROCAPS® 250 mg seit Anfang 2012 für die Behandlung aller Schweregrade der CDAD zugelassen
[
11
].
Metronidazol: Therapierefraktäre Verläufe werden häufiger
„Die CDAD-Therapie mit Metronidazol sollte aus meiner Sicht heute auch bei leichtem
Verlauf kritisch betrachtet werden“, berichtet Micklefield. In verschiedenen Studien
wurden vermehrt Rezidive und eine erhöhte Therapieversagerrate unter Metronidazol
beobachtet [
12
], [
13
], [
14
].
„Hierfür werden etwa Gründe wie eine verringerte Sensitivität der C. difficile-Stämme mit erhöhter Toxinproduktion sowie die nachteilige Pharmakokinetik gegenüber
Vancomycin diskutiert“, erklärt Micklefield. Eine doppelblinde Vergleichsstudie zeigt,
dass mit oralem Vancomycin bei schwerem Verlauf eine deutlich höhere Heilungsrate
als mit Metronidazol zu erreichen ist (97 % vs. 76 %) [
4
].
Hohe Wirkstoffkonzentration im Darm
Neben der hohen Heilungsrate weist orales Vancomycin weitere Vorteile auf: So steht
mit Vancomycin ENTEROCAPS® 250 mg eine speziell für die CDAD-Therapie entwickelte Darreichungsform zur Verfügung,
bei der der Wirkstoff im Vergleich zu herkömmlichen Vancomycin-Präparaten verzögert
aus der Polyethylenglycol-Matrix freigesetzt wird. Daraus resultiert eine hohe Konzentration
im Darmlumen, d. h. direkt am Ort der Infektion. „Zudem wird orales Vancomycin nur
geringfügig aus dem Magen-Darm-Trakt resorbiert. Relevante Konzentrationen im Blut
sind daher nicht zu erwarten, systemische Nebenwirkungen entsprechend unwahrscheinlich“,
so Micklefield. Orales Vancomycin wird in einer Dosis von 4 x 250 mg über einen Zeitraum
von 10 Tagen eingenommen. Auch für spezielle Patientengruppen wie Schwangere und Kinder
unter 10 Jahren ist die Therapie mit oralem Vancomycin gut geeignet [
2
].
Im Gegensatz zu dem seit langem etablierten Vancomycin sind die Erfahrungen mit dem
2013 eingeführten Fidaxomicin noch begrenzt. Auch zeigten klinische Vergleichsstudien
versus Vancomycin keine Überlegenheit bei den Heilungsraten [
15
], [
16
].
Dr. Katharina Arnheim, Freiburg
Der Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung von RIEMSER Pharma GmbH, Greifswald.
Die Autorin ist freie Journalistin.
Interview – CDAD frühzeitig erkennen und gezielt behandeln
Prof. Dr. George Micklefield, Münster
Die Inzidenz von Clostridium-difficile-assoziierten Diarrhoen (CDAD) ist im ambulanten und klinischen Bereich in den letzten
Jahren erheblich angestiegen. Wir befragten Prof. George Micklefield, Gastroenterologe
aus Münster, zu Verlaufsformen und Therapie.
? Wie macht sich eine schwere CDAD-Verlaufsform bemerkbar?
Prof. Micklefield: Grundsätzlich ist eine CDAD durch einen abrupt beginnenden wässrigen Durchfall mit
unangenehm fauligem Geruch charakterisiert. Typisch sind außerdem Krämpfe und Schmerzen
im Abdomen und eine Hypoalbuminämie, da der Körper vermehrt Wasser und Eiweiß ausscheidet.
Bei einem schweren Verlauf treten außerdem systemische Symptome wie Fieber und Schüttelfrost,
Erbrechen oder Kreislaufinstabilität auf. Auch Zeichen für eine Peritonitis oder einen
Ileus, Leukozytose, Linksverschiebung des Blutbilds und Nierenbeteiligung mit erhöhtem
Kreatinin sind sehr ernst zu nehmen. Um die Progression zu einem schweren Verlauf,
eventuell mit Entwicklung einer pseudomembranösen Kolitis zu verhindern, sollte der
Arzt bereits erste Hinweise auf das Vorliegen einer CDAD sehr ernst nehmen. Bei älteren
Patienten > 65 Jahre, intensivmedizinisch betreuten Patienten sowie Patienten mit
Immunsuppression oder Komorbiditäten ist à priori immer von einem schweren Verlauf
auszugehen.
Übrigens sind schwere Verläufe mit Nachweis des Ribotyps 027, rezidivierende Verläufe
mit stationärer Aufnahme, Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Versorgung, Entwicklung
von Megakolon, Perforation oder refraktärer Kolitis mit Notwendigkeit einer Kolektomie
sowie letale Verläufe innerhalb von 30 Tagen nach CDAD-Diagnose laut § 6 Absatz 1
Nr. 5a des Infektionsschutzgesetzes meldepflichtig.
? Was empfehlen Sie für die Therapie einer CDAD?
Prof. Micklefield: Die Behandlung dieser Infektion umfasst zunächst Basismaßnahmen wie Substitution
von Wasser und Elektrolyten sowie gegebenenfalls das Absetzen des auslösenden Antibiotikums.
Außerdem ist eine gezielte Therapie indiziert. Orales Vancomycin gilt hier meiner
Meinung nach als fester Standard zur Behandlung aller CDAD-Formen. Mit Heilungsraten
von 98 % bei leichten und 97 % bei schweren CDAD-Formen überzeugt das Antibiotikum
nicht nur in der Praxis und Klinik, sondern auch im Rahmen von Studien. Den immer
noch häufigen Einsatz von Metronidazol sehe ich kritisch. Zu dem im letzten Jahr eingeführten
Fidaxomicin müssen wir sicherlich zunächst einmal mehr Erfahrungen sammeln. Aus meiner
Sicht sollte es mit Blick auf die empfohlenen Strategien zum rationalen Einsatz von
Antiinfektiva (Antibiotic Stewardship, ABS) als Reserveantibiotikum eingesetzt werden.
! Herr Professor Micklefield, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Dr. Katharina Arnheim, Freiburg.