Diabetologie und Stoffwechsel 2014; 9(6): 390
DOI: 10.1055/s-0034-1397458
Erwiderung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erwiderung – Antwort auf den Leserbrief von Frau Küstner und Herrn Schütt

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Publication Date:
29 December 2014 (online)

Es ist mir vorweg ein Bedürfnis, Frau Küstner und Herrn Schütt für Ihren Leserbrief zu danken. Sie haben meinen vorwiegend historisch ausgerichteten Artikel in vielfacher Hinsicht kompetent aktualisiert. Auch wenn manchmal Meinung gegen Meinung steht, so betone ich doch ausdrücklich: Entscheidend ist die Ansicht des Sozialausschusses der DDG! Mir fällt dieses Urteil umso leichter, als auf meinen Antrag hin seinerzeit der Ausschuss „Soziales“ (erster Vorsitzender Berend Willms) gegründet wurde und weil die Jury für den Thomas-Fuchsberger-Preis 2014 unter meinem Vorsitz diese Auszeichnung dem in Sozialfragen hochverdienten Oliver Ebert zuerkennen durfte.

Was im Folgenden im Vergleich zu dem Leserbrief nicht hinterfragt oder kommentiert wird, gilt also als die zu beachtende Lehrmeinung. Die Einstufung nach Grad der Behinderung (GdB) je nach den verschiedenen Therapieformen hatte sich über viele Jahre bewährt und löste vor allem die unsinnige Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab, wonach die Höhe der Insulindosis die gemachten Einschränkungen bestimmte: Mehr als 40 E täglich (vor allem bei den eher insulinresistenten Typ-2-Diabetikern) wurden negativer bewertet im Vergleich zu den oft mit weniger als 40 E täglich eingestellten eher instabilen Typ-1-Patienten.

A propos „Patienten“: An diesem Ausdruck stoßen sich die beiden Kritiker. Warum eigentlich? Man sollte bei den „Menschen mit Diabetes“ bedenken, dass sie in der Tat Patienten sind, weil der Diabetes mit all seinen verschiedenen Typen und folgenreichen Komplikationen eben doch eine Krankheit darstellt. Glücklicherweise können wir diese in Zusammenarbeit mit den Betroffenen heutzutage wesentlich besser behandeln bis hin zu der schon von Katsch geforderten „ bedingten Gesundheit“. Eine Verharmlosung des Krankheitsbildes würde aber denjenigen zuarbeiten, die z. B. von einem „milden Altersdiabetes“ (venia sit verbo!) sprechen. Andererseits stehe ich dazu, dass noch immer und nicht selten den Betroffenen bei gegebenen Umständen das Siegel „schwerbehindert“ aufgedrückt wird, auch wenn diese Menschen den Antrag auf Schwerbehinderung freiwillig selbst gestellt haben. Ferner hatte auch ich immer betont, dass man bei der Suche nach einem Arbeitsplatz nicht unbedingt den Diabetes angeben muss. Ob das immer – für den Betroffenen – eine glückliche Entscheidung ist, darf jedoch bezweifelt werden. Über mögliche Hypoglykämien und deren Symptome sollten instabile Diabetiker unbedingt den Arbeitgeber und vor allem die Arbeitskollegen informieren.

Natürlich teile ich die Ansicht der Kritiker, dass nicht mehr die „Menschen mit Diabetes viel zu oft in einer sehr vage gehaltenen Sprache und ohne Verweis auf die aktuelle Rechtslage über sozialrechtliche Belange aufgeklärt werden sollen“. Hier rennt man offene Türen ein, da auch ich mich stets zu einer umfassenden Aufklärung bekannt und diese in Wort und Schrift seit Jahrzehnten praktiziert habe.

Ich schlage den Leserbrief-Autoren und der Schriftleitung von „Diabetologie und Stoffwechsel“ vor, dass ein künftiger sozialmedizinischer Artikel, auch wenn dieser bevorzugt historische Aspekte berücksichtigt, zur möglichen Aktualisierung Frau Küstner und Herrn Schütt oder anderen Mitgliedern des Sozialausschusses vorgelegt werden, ja ich lade sie ein, in gemeinsamer Autorenschaft zu publizieren. Eine Anmerkung sei mir am Ende aber doch noch erlaubt: Die Schärfe der Kritik des Leserbriefes verwundert doch ein wenig (z. B. „nicht würdiger Beitrag“ etc.). Hat sich in Stilfragen in den letzten 50 Jahren doch einiges geändert? Ich hoffe: Nein!

Prof. Dr. med. Hellmut Mehnert, Krailling

Herausgeberkommentar

Der Leserbrief von Frau Küstner und Herrn Schütt greift ein Thema auf, bei dem aus unserer Sicht grundsätzlich Konsens besteht: für Berufseignung und Fahreignung sollte eine individuelle Analyse und Bewertung der tätigkeits- und krankheitsbedingten Risiken erfolgen. Es ist uns als Herausgeber der Zeitschrift Diabetologie und Stoffwechsel ein Anliegen, mit dieser offenen und differenzierten Betrachtungsweise die vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten der Mitbürger mit Diabetes mellitus im Berufsleben, aber auch grundsätzlich in unserer Gesellschaft, zu unterstützen. Daher geben wir diesem Thema Platz und Raum, gerade auch in Bezug auf die inhaltliche Begleitung durch unsere Fachgesellschaft, deren 50-jähriges Jubiläum wir dieses Jahr feiern.

Wir freuen uns über die kritische Auseinandersetzung über das aus unserer Sicht sehr wichtige Thema, nicht zuletzt, da dies Ausdruck der Lebendigkeit unserer Gesellschaft ist. Den Brief von Frau Küstner und Herrn Schütt dürfen wir abschließend als Angebot verstehen, den Ausschuss Soziales der Deutschen Diabetes Gesellschaft bei der inhaltlichen Bewertung sozialmedizinischer Beiträge mit einzubinden.