Z Gastroenterol 2015; 53(4): 349-350
DOI: 10.1055/s-0034-1397676
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Terminservicestellen – Lösung des Problems „Wartezeiten“?

Franz Josef Heil
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Publication Date:
16 April 2015 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Einer der „Aufreger“ im Entwurf des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes ist die Einrichtung von Terminservicestellen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen. Mal abgesehen von den Kosten, die völlig unnötig entstehen und natürlich – wer hätte anderes erwartet – von den niedergelassenen Kassenärzten aufzubringen sind, so fehlt mir auch aus anderen Gründen das Verständnis für diese Maßnahme.

Es ist sicher allgemeine Auffassung bei den niedergelassenen Ärzten, dass mit den Servicestellen ein Luxus- und Neidthema bearbeitet bzw. befriedigt werden soll: Privatpatienten werden angeblich bevorzugt behandelt und müssen kürzer als Kassenpatienten auf einen Termin warten. Nur darum geht es. Was ist da aber wirklich dran? Und können die neu einzurichtenden Servicestellen diese angeblichen Probleme lösen?

Jeder von uns weiß, dass es in Deutschland keinen relevanten Unterschied zwischen der medizinischen Behandlung von Privat- und von Kassenpatienten gibt. Alle Patienten werden nach dem aktuellen wissenschaftlich-medizinischen Standard behandelt. Zum Glück gibt es bei uns bisher für Kassenpatienten gar keine schlechtere Medizin als für Privatpatienten, auch wenn immer mehr Kassenpatienten inzwischen befürchten, dass ihre Kasse ihnen eine gute Versorgung nicht mehr anbietet, d. h. die sogenannte WANZ-Medizin nach SGB-V nicht mehr dem besten medizinischen Standard entspricht. Ich glaube, noch ist die Befürchtung unbegründet. Ob es langfristig so bleibt, wage ich allerdings zu bezweifeln. Vielleicht erhalten wir neue Antworten auf dem berufspolitischen Vormittag „Steigende Therapiekosten heute – Ende der Therapiefreiheit morgen?“ am 2. Mai 2015 auf unserer bng-Jahrestagung in Hamburg.

Es bleibt also das Terminproblem übrig: Privatpatienten erhalten vielerorts schneller einen Termin. Dabei wäre das, wie ich schon vor Jahren geschrieben habe, leicht zu ändern: Abschaffung der Budgetierung, damit die Praxen die zu erbringenden Leistungen auch bezahlt bekommen. Wartezeiten für Kassenpatienten sind systembedingt und keine bösartige Marotte von niedergelassenen Ärzten. Ärzte sitzen auch nicht Däumchen drehend in der Praxis und warten auf den nächsten Privatpatienten. Es ist außerdem schwer nachzuvollziehen, wie 11 Prozent Privatpatienten, die auch noch seltener zum Arzt gehen als Kassenpatienten, die deutschen Praxen verstopfen sollten. Selbst ohne die Privatpatiententermine würde sich an der Situation nichts ändern. Wobei man nicht übersehen darf, dass auch Privatpatienten Menschen sind, die einen Anspruch auf medizinische Versorgung haben.

Natürlich führen auch echte Kapazitätsgrenzen zu unvermeidbaren Wartezeiten. Eine Endoskopie kann nicht beschleunigt werden, und die Ressource „Arzt“ ist begrenzt. Wie aber soll eine Terminservicestelle dieses Kapazitätsproblem lösen? Sie kann möglicherweise Termine bei Kollegen vermitteln, die nicht ausgelastet sind. Das wird vermutlich nicht der Wunscharzt des anfragenden Patienten sein. Und es darf die Frage erlaubt sein, warum in einer Region die eine Facharztpraxis überlaufen ist und entsprechend lange Wartezeiten hat, während vielleicht in einer Nachbarpraxis Kapazitäten frei sind. Könnte das etwas mit der Beliebtheit oder sogar fachlichen Kompetenz zu tun haben? Wiederholt habe ich Politikern die süffisante Frage gestellt, wo sie eher abends mit Freund oder Familie essen gehen möchten: In einem Restaurant, wo man zuvor rechtzeitig einen Tisch reservieren muss, oder in einem Lokal, in dem die Tische alle leer sind. Mein Eindruck: Den Vergleich versteht jeder.

Ich erwarte also, dass der Patient mit dem Angebot der Terminservicestelle nicht glücklich sein wird. Auch der Verweis auf eine Krankenhausambulanz, bei der nicht einmal bekannt ist mit welcher Qualifikation („Facharztstandard“) welcher Arzt behandeln wird, wird daran nichts ändern. Außerdem wird hiermit der Grundsatz der freien Arztwahl erheblich beeinträchtigt. Dass die unklare und möglicherweise höhere und unbudgetierte Bezahlung der vermittelten ambulanten Behandlung im Krankenhaus aus dem Topf der niedergelassenen Fachärzte eine dreiste Ungerechtigkeit darstellt, will ich nur andeuten.

Hinzu kommt als Problem für die Terminservicestelle, dass es keine einfache Sache ist, einen Termin mit einem Patienten zu vereinbaren. Jeder Praxisinhaber weiß, dass die Terminvergabe nichts für Anfänger ist. Man setzt keine Auszubildende ans Telefon, sondern braucht eine erfahrene MFA, die das Fachgebiet und die Besonderheit der eigenen Praxis gut kennt. Sie muss oft mit viel Einfühlungsvermögen und aufwendigen Nachfragen erst mal ermitteln, um was es eigentlich geht, was auf der Überweisung steht und wie dringlich die Überweisung ist. Erst danach kann ein geeigneter Termin gesucht werden, der in der Praxis frei ist und auch noch dem Patienten passt. Auch eine erfahrene MFA in einer gastroenterologischen Praxis könnte eine Terminvergabe sicher nicht so ohne weiteres für eine Kinderarztpraxis machen und umgekehrt. Wie das Personal einer Terminservicestelle eine Terminvermittlung für alle Fachrichtungen beherrschen soll, ist mir unklar. Es kann also nur ein ungezielter, allgemeiner Termin angeboten werden, was letztlich zu unnötigen Nachfolgeterminen führen wird, also Zeitverschwendung darstellt.

Sollen wir, um das Problem Wartezeit zu lösen, eine freie Sprechstunde anbieten? So z. B. eine Stunde pro Woche, wo jeder Patient ohne Anmeldung hinkommen kann bzw. kurzfristig einen Termin wahrnehmen kann. Das Zeitfenster pro Patient müsste in dieser Sprechstunde natürlich drastisch auf ein bis zwei Minuten pro Patienten vermindert werden. Man könnte dann zeitnah entscheiden, ob der Patient wirklich einen schnellen Termin benötigt oder nicht. Mehr als eine Notfallanamnese und -behandlung erfolgt zwar nicht, aber das Problem Wartezeit wäre zumindest vordergründig weg. Eine befriedigende Form der Behandlung wäre so allerdings sicher völlig unmöglich. Der Nutzen für den Patienten ist gering, die Kosten würden unnötig steigen. Da erscheint eine sinnvolle Auswahl durch den Hausarzt, den unsere Patienten in der Regel vorher aufsuchen, sinnvoller.

Alles zusammen sehe ich nicht, dass die Einrichtung einer Terminservicestelle bei der KV zu einem Nutzen für die Patienten oder einer Verbesserung der fachärztlichen Versorgung führen wird. Da die Politik keine Anstrengung macht, über eine wirksame Lösung von Versorgungsengpässen nachzudenken, sucht sie ein Feigenblatt, das zwar nur politischer Aktionismus ist, aber uns niedergelassene Ärzte viel Geld kosten wird.

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