ergopraxis 2015; 8(03): 18-23
DOI: 10.1055/s-0035-1548569
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Wohnberatung – Das Zuhause erhalten

Susanne Tyll

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Publikationsdatum:
05. März 2015 (online)

 

Die meisten Menschen möchten so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben. Auch dann, wenn sie von Mobilitätseinschränkungen betroffen sind. Wohnberatung hilft ihnen und ihren Angehörigen dabei, den Wohnraum an die individuellen Bedürfnisse anzupassen – einfach, sicher und bequem.


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Susanne Tyll

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Susanne Tyll, Diplom-Pädagogin, Politologin und Mediatorin, arbeitet seit 1999 selbstständig in der Beratung, Fortbildung und Projektentwicklung mit den Schwerpunkten Wohnen im Alter, Quartiersentwicklung und Altenarbeit. Sie ist Mitbegründerin und Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Wohnberatung NRW.
Lernziele
  • > Sie kennen die Ziele und Inhalte der Wohnberatung.

  • > Sie wissen, wie Sie einen Hausbesuch gestalten.

  • > Sie erhalten einen überblick über wichtige Anpassungsmaßnahmen.

Die 81-jährige Frau Hacke liebt es, sich in der Badewanne zu entspannen. Mittlerweile muss sie aber zweimal überlegen, ob sie in die Wanne steigt. Denn sie weiß: Das Aussteigen hat es in sich. Sie kann sich zwar an dem installierten Haltegriff hochziehen, muss vor dem Aussteigen aber umgreifen. Und da hat sie Angst, auszurutschen oder das Gleichgewicht zu verlieren.

Für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen oder einer Behinderung steckt der Alltag oft voller Tücken. Dabei lassen sich Barrieren in der Wohnung häufig ohne größeren Aufwand beseitigen. Wohnberatung unterstützt Ratsuchende darin, geeignete Maßnahmen zu finden und umzusetzen.

Barrierearmer Wohnraum gesucht

Nur etwa fünf Prozent aller Wohnungen sind tatsächlich barrierefrei oder -arm. Demgegenüber steht ein ungedeckter Bedarf an 2,5 Millionen barrierefreien bzw. -armen Wohnungen. Tendenz steigend, denn mit der Anzahl älterer Menschen nimmt die Nachfrage nach Wohnungen mit weniger Barrieren zu [1]. Das Problem lässt sich nur zu einem geringen Teil durch Neubauten lösen. Ein wichtiger Schritt besteht darin, den vorhandenen Wohnraum an die jeweiligen Bedürfnisse der Menschen anzupassen. „Wir brauchen mehr Wohnberatung“, forderte auch der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau in seiner Kölner Rede Ende 2002. Wohnberatung solle älteren Menschen einen selbstbestimmten Lebensabend zu Hause ermöglichen.


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Wie wohnen ältere Menschen?

In Deutschland sind 16,88 Millionen Menschen älter als 65 Jahre. Die meisten von ihnen, nämlich 93 Prozent, wohnen im eigenen Haushalt. Nur wenige erfinden ein neues Wohnkonzept im Alter. Sie folgen eher dem Motto „Weiterleben wie bisher“ [1]. Viele ältere Menschen wünschen sich:

  • > selbstbestimmt und selbstverantwortlich in der eigenen Wohnung zu leben,

  • > so lange wie möglich zu Hause zu wohnen,

  • > zur rechten Zeit umzuziehen oder

  • > umzuziehen, wenn es nicht mehr anders geht.

Die Wohnberatung richtet sich an alle Menschen. Mit zunehmendem Alter können immer mehr Wohnprobleme auf treten. Tabelle 1 zeigt die zehn häufigsten Wohnprobleme bei Menschen über 80 Jahren (Tab.) [2].

Tab.

Die häufigsten Wohnprobleme im Alter

Wohnproblem

Häufigkeit in Prozent

vorhandene Badewanne ist problematisch

39%

eingeschränkte Bewegungsfreiheit im Badezimmer

38%

Badezimmertür ist problematisch

37%

benötigte Haltegriffe im Badezimmer fehlen

31%

vorhandene Dusche ist problematisch

27%

Stolperfallen/Bodenbelag im Wohnzimmer

23%

vorhandene Toilette ist problematisch

22%

Stufen im Treppenhaus sind nicht oder nur schwer zu überwinden

20%

separate Küche fehlt

19%

vorhandenes Bett ist problematisch

18%

Viele Menschen suchen die Wohnberatung erst auf, wenn Schwierigkeiten auftreten. Zum Beispiel wenn sie im Badezimmer Probleme haben oder wenn sie vorhandene Stufen und Schwellen kaum mehr bewältigen können (Abb. 1 und 2). Ältere können sich in ihrer Wohnung oft nicht gut bewegen, da sie darin zu viele Möbel untergebracht haben. Dabei gilt: Je älter Menschen sind, desto mehr Platz benötigen sie, um sich gefahrlos zu bewegen.

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Abb. 1 Eine Barriere im Außenbereich: Bei einer solchen Stufe kann die Nutzerin des Rollators an ihre Grenzen kommen. Hier wäre eine Rampe sinnvoll.
Abb.: S. Tyll
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Abb. 2 Abgang in den Waschraum eines Mehrfamilienhauses. Mit einem zweiten Handlauf wäre der Durchgang zu schmal. Die Gemeinschaft kann hier die Stufen kenntlich machen und für eine gute Beleuchtung sorgen.
Abb.: S. Tyll

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Ziele und Ansätze der Wohnberatung

Wohnberater suchen gemeinsam mit den Ratsuchenden nach Möglichkeiten, die Wohnverhältnisse an die individuellen Bedürfnisse anzupassen. Es kann sich um präventive oder um reaktive Anpassungen handeln. Während der Renovierung eines Badezimmers entscheidet sich beispielsweise eine gesunde 50-jährige Frau dafür, eine ebenerdige Dusche einbauen zu lassen. Sie möchte auf das Alter vorbereitet sein. Anders sieht es bei einer 70-jährigen Frau aus, die sich nach einem Sturz nur noch mit dem Rollator fortbewegt. Sie benötigt reaktive Anpassungen. Die Wohnberaterin schägt ihr vor, die Durchgänge zu verbreitern, Stolperfallen zu reduzieren und Platz zu schaffen. Auch Menschen mit Demenz können von Wohnberatung profitieren. Ihnen könnten zum Beispiel blendfreie Beleuchtung und Fotos oder ein Farbleitsystem dabei helfen, sich räumlich besser zu orientieren.


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Umfang und Inhalte der Wohnberatung

Die Beratung findet in der Wohnung der Ratsuchenden statt und umfasst:

  • > Maßnahmen zur Unfallvermeidung

  • > die Wohnung an die individuellen Bedürfnisse der Menschen anpassen

  • > die selbstständige Lebensführung und häusliche Versorgung sichern bzw. wiederherstellen

  • > Pflege ermöglichen bzw. erleichtern

  • > die Alltagsbewältigung erleichtern

Wohnberater geben so viel Hilfe wie nötig – nicht wie möglich. Sie unterstützen die Ratsuchenden bei Fragen rund um die Themen:

  • > Wohnen und Wohnformen

  • > Änderungen der Ausstattung

  • > Einsatz von Hilfsmitteln

  • > bauliche Maßnahmen

  • > Finanzierungsmöglichkeiten

  • > Anträge stellen

Die Entscheidung für oder gegen eine Maßnahme liegt immer bei den Ratsuchenden selbst.


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Die Ausgangssituation ermitteln

Wenn eine Person telefonisch Kontakt zu einer Wohnberatungsstelle aufnimmt, kann die Wohnberaterin bereits im ersten Gespräch grundlegende Fragen klären, um die Situation und den Bedarf der Ratsuchenden einzuschätzen. Das hilft, sich auf den Hausbesuch vorzubereiten und gegebenenfalls geeignete Materialien oder Hilfsmittel mitzunehmen. Hier ein überblick über wichtige Fragen:

    Bedarf und Auftrag beim Hausbesuch

  • > Welche Veränderungswünsche haben die Ratsuchenden?

  • > Falls Angehörige Kontakt aufnehmen, geht es darum: Wer benötigt Beratung und weshalb?

  • > In welcher Situation befinden sich die Ratsuchenden: Alter, Pflegestufe, Einkommen, Schwerbehinderung?

  • > Wie sehen die sozialen Kontakte und Netzwerke aus: Angehörige, Nachbarn, Freunde, Häufigkeit des Kontakts, Entfernung?

    Wohnsituation und Wohnbiografie

  • > Wie wohnt die Person: allein, Partnerschaft, Angehörige, sonstige Unterstützer?

  • >Wie lange wohnt die Person schon in dieser Wohnung und welche Erfahrungen hat sie mit Umzügen gemacht?

  • > Wie groß ist die Wohnung, wie viele Räume hat sie, wie lässt sie sich erreichen?

  • > Wohnt die Person zur Miete? Diese Frage ist wichtig, da Umbaumaßnahmen die Genehmigung des Wohneigentümers erfordern.

  • > Wie sieht das Umfeld aus? Können Ärzte, Einkaufsmöglichkeiten, Grünflächen und öffentliche Verkehrsmittel erreicht werden?

    Gesundheitssituation

  • > Welche gesundheitlichen Einschränkungen liegen vor?

  • > Hat der bzw. die Ratsuchende Mobilitätseinschränkungen?

  • > Nutzt die Person dauerhaft oder zeitweise Mobilitätshilfen wie Rollator oder Rollstuhl?

  • > Welche Medikamente nimmt sie ein? Gibt es Nebenwirkungen?


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Im Hausbesuch beraten

Die Wohnung ist der zentrale Lebensraum der Ratsuchenden. Hier können sie – bis auf wenige Einschränkungen – selbst entscheiden, wie sie leben und wen sie hereinlassen möchten. Bei der Wohnungsbegehung verhält sich die Beraterin respektvoll und umsichtig wie ein Gast. Sie kann die Ratsuchenden über Anpassungsmöglichkeiten informieren und deren Umsetzung unterstützen. Die Umsetzungsentscheidung treffen letztendlich die Ratsuchenden. Idealerweise begehen die Wohnberaterin und die Ratsuchenden alle Räume gemeinsam, auch den Keller und den Außenbereich. In jedem Raum fragt die Beraterin nach den jeweiligen Veränderungswünschen und -bedürfnissen. Zudem bittet sie die Ratsuchenden, typische Betätigungen und Bewegungsabläufe zu erklären oder zu demonstrieren. Zum Beispiel: Wie steigt der- oder diejenige in die Wanne ein? Was funktioniert gut und was fällt dabei schwer?

Wohnberatung arbeitet nach dem Motto „Kleine Maßnahmen – große Wirkung“.


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Möglichkeiten aufzeigen

In jedem Raum informiert die Beraterin die Ratsuchenden, welche Anpassungsmaßnahmen möglich sind. In der Küche kann sie beispielsweise darauf aufmerksam machen, die Oberschränke abzusenken oder eine automatische Herdabschaltung zu installieren. Ebenso zeigt sie präventive Maßnahmen, mit denen sich Stürze und Verletzungen vermeiden lassen. Hierzu gehört, Teppiche oder scharfe Kanten zu beseitigen. Sie geht zudem auf die Frage ein, wie in den Räumen ausreichend Bewegungsfreiheit geschaffen und Durchgänge verbreitert werden können. Die Wohnberaterin sensibilisiert für mögliche Erleichterungen. Außerdem spricht sie ergänzende Hilfen an, zum Beispiel einen Hausnotruf. Manchmal kann ein Umzug in eine andere Wohnung sinnvoll sein. Dann berät sie die Ratsuchenden auf Wunsch über mögliche Wohnformen und verweist sie gegebenenfalls an spezialisierte Beratungsstellen. In Nordrhein-Westfalen gibt es zum Beispiel die „Landesbüros innovative Wohnformen“ [3]. Bundesweit informiert außerdem das FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e. V. über neue Wohnformen (www.fgw-ev.de).

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Abb. 3 In diesem Badezimmer wurde eine erhöhte Toilette eingebaut und die Papierrolle leicht erreichbar angebracht.
Abb.: S. Tyll
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Abb. 4 Schranktüren aus Glas schaffen Transparenz, was besonders Menschen mit Demenz die Orientierung erleichtert.
Abb.: S. Tyll

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Zusammen Lösungen finden

Die Beraterin überlegt mit den Ratsuchenden gemeinsam, welche Anpassungsmaßnahmen sich umsetzen lassen. Je überzeugter die Ratsuchenden von den Vorschlägen sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Anpassungsmaßnahmen tatsächlich realisieren. Erfahrungsgemäß interessieren sich viele für die Frage, wie sie mögliche Maßnahmen finanzieren können. Daher sollte die Wohnberaterin auch früh über finanzielle Hilfen informieren („Finanzierung“). Bei Bedarf hilft sie den Ratsuchenden, notwendige Anträge zu stellen. Liegt zum Beispiel bei einer Person eine Pflegestufe vor, kann sie bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme von der Pflegekasse erhalten. Vorausgesetzt, die Pflegekasse hat die Maßnahme bewilligt und ein bzw. mehrere Kostenvoranschläge liegen vor. Grundsätzlich dürfen Ratsuchende die Maßnahmen erst dann beginnen, wenn die Bewilligung der öffentlichen Hand vorliegt. Wohnt jemand zur Miete, ist nach BGB Art. 554a, Abs. 1 die Zustimmung des Vermieters erforderlich.


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Das weitere Vorgehen planen

Einige Veränderungen können Ratsuchende selbst vornehmen. Zum Beispiel Lampen austauschen oder Stolperfallen entfernen. Bei Bedarf unterstützen Wohnberatungsstellen bei der Planung der Umsetzung von Maßnahmen – so weit wie nötig. Bei erfahrenen Wohnberaterinnen reicht oft ein Hausbesuch. Am Ende des Besuchs fasst die Beraterin die erzielten Vorschläge schriftlich zusammen und stellt Informationsmaterial bereit. Dieses Material soll die Entscheidung unterstützen. Es sollte keine neuen Informationen beinhalten, die die Ratsuchenden nicht nachvollziehen können.


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Weniger ist manchmal mehr

Die Wohnberatung arbeitet nach dem Motto „Kleine Maßnahmen – große Wirkung“. Das trifft auch auf die 81 -jährige Frau Hacke zu. Sie musste ihre Badewanne nicht durch eine ebenerdige Dusche ersetzen. Stattdessen reichte ein geriffelter Winkelhaltegriff, um sicher zu baden. Frau Hacke nahm Kontakt zum Sanitätsfachhandel auf und ließ den Griff anbringen. Jetzt findet sie auch mit nassen Händen sicheren Halt. Dank des Winkels muss sie nicht mehr umgreifen, wenn sie aus der Badewanne steigt. Mehr braucht Frau Hacke erst mal nicht, um wieder entspannt baden zu können.


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Problembewusstsein vermitteln

Manche älteren Menschen haben ihr Verhalten oft jahrelang an ihre Wohnsituation angepasst. Häufig können sie bestimmte Tätigkeiten lange durchführen. Später gelingt ihnen das nicht mehr unbedingt. Ihre persönlichen Ressourcen haben sich so verändert, dass sie nicht mehr zu den Umweltbedingungen passen [4]. Ein klassisches Beispiel hierfür ist das Baden. Einige Menschen führen fast schon artistische Kunststücke durch, um aus der Wanne zu steigen. Irgendwann schaffen auch sie es nicht mehr, ihre Beine über den Wannenrand zu heben.

Mit zunehmendem Alter verbringen die Menschen mehr Zeit in ihrer Wohnung. Im Durchschnitt befinden sich Menschen über 70 Jahre mehr als 20 Stunden pro Tag zu Hause [1, 5]. Wohnberater stehen vor der Herausforderung, die Wünsche der Rat suchenden zu respektieren und ihnen gleichzeitig individuell passende Veränderungsvorschläge zu vermitteln.

Massnahmen zur Wohnraumanpassung

Im Außenbereich

  • ✓ ausreichende Beleuchtung vor der Haus- und Wohnungstür

  • ✓ beidseitige Handläufe an der Treppe zum Eingang

  • ✓ Stufenkanten sichtbar machen

  • ✓ Mülltonne ist auch bei Regen sicher und leicht erreichbar.

  • ✓ Bewegungsmelder im Garten anbringen

Im gesamten lnnenbereich

  • ✓ in allen Zimmern und Fluren für ausreichend helle Beleuchtung sorgen

  • ✓ Läufer entfernen, eventuell an die Wand hängen

  • ✓ keine Teppiche übereinanderlegen

  • ✓ falls doch Teppiche liegen, rutschfeste Unterlagen nutzen

  • ✓ Lieblingsstuhl, Sessel oder Sofa passend erhöhen

  • ✓ zweiter Handlauf im Treppenhaus

  • ✓ Stolperfallen wie Kabel entfernen oder eine Kabelleiste verlegen

  • ✓ Haushaltsleiter in der Wohnung

Im Badezimmer

  • ✓ Haltegriffe im Bad anbringen

  • ✓ Badezimmermatten entfernen

  • ✓ ebenerdige Dusche einbauen

  • ✓ Toilettenschüssel erhöhen

  • ✓ Waschmaschine erhöhen

  • ✓ Türanschlag nach außen

Im Schlafzimmer

  • ✓ Bett sicher erhöhen und Aufstehhilfe schaffen

  • ✓ Bewegungsmelder in der Nähe vom Bett

In der Küche

  • ✓ ausreichende Beleuchtung in der Küche, auch an der Arbeitsfläche: Das Leuchtmittel sollte ohne Hilfe auszuwechseln sein.

  • ✓ bequeme Griffe in der Küche

  • ✓ Scharniere an Oberschränken auswechseln und 180-Grad Scharniere einbauen

  • ✓ Einlegeböden aus Glas in den Oberschränken

  • ✓ Verglaste Küchentüren sorgen für Transparenz.

  • ✓ Schrankinhalte umräumen, damit häufig verwendete Utensilien gut erreichbar sind

Finanzierung

Wer zahlt was?

  • > Pflegekassen: Bei Pflegebedürftigkeit übernimmt die Pflegekasse bis zu 4.000 Euro für Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes. Pflegehilfsmittel finanziert sie bei Bedarf.

  • > Krankenkassen: Versicherte haben Anspruch auf Hilfsmittel.

  • > Berufsgenossenschaft/Gesetzliche Unfallversicherung: Nach einem Arbeitsunfall oder bei einer Berufskrankheit hat der Versicherte Anspruch auf Hilfsmittel und Wohnungshilfen.

  • > Integrationsamt/Rehabilitationsträger: Menschen mit Schwerbehinderung können Hilfen erhalten, z.B. Zuschüsse und Darlehen für die Anpassung oder Anschaffung von behindertengerechtem Wohnraum.

  • > Gesetzliche Rentenversicherung: Bei erheblicher Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit werden Hilfsmittel und berufsfördernde Anpassungsmaßnahmen finanziert.

  • > Sozialhilfeträger: Behinderte oder pflegebedürftige Menschen mit geringem Einkommen können Eingliederungshilfen, Hilfen zur Pflege oder Mittel der Altenhilfe beantragen.

  • > Wohnungsbauförderung: Hier gelten jeweils landesspezifische Regelungen. In NRW werden z.B. auch präventive Maßnahmen mit günstigen Darlehen unterstützt.

  • > Steuerliche Vergünstigungen: Steuerpflichtige können Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau ihrer Wohnung als außergewöhnliche Belastung geltend machen.

  • > KfW-Bank: Hier erhalten Wohneigentümer günstige Kredite oder Zuschüsse für altersgerechtes Umbauen.


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Barrieren in kleinen Schritten abbauen

Frau Hacke nahm erstmals Kontakt zur Wohnberaterin auf, als sie das Gemüsefach ihres Kühlschranks nur noch mit Mühe erreichte. Der Kühlschrank stand auf dem Fußboden und sie musste sich tief hinunterbücken, wenn sie einen Salat herausnehmen wollte. Die Lösung: Sie kaufte sich eine Kühl-Gefrier-Kombination mit Kühlschrank oben. Einige Monate danach bat sie die Wohnberaterin um einen erneuten Hausbesuch, um Anpassungsmaßnahmen für das Badezimmer zu besprechen. Neben dem Winkelhaltegriff entschied sie sich dafür, eine höhere Toilette einbauen zu lassen, um mühelos aufstehen zu können. Mit dem Sanitätsfachmann besprach Frau Hacke später die Einzelheiten.

Nur wer ein vorhandenes Problem als solches erkennt, kann sich möglichen Lösungen öffnen.


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Das Quartier im Blick

Während die Wohnberatung darauf abzielt, die Wohnung an die sich verändernden Bedürfnisse der Menschen anzupassen, gehen quartiersbezogene Konzepte noch einen Schritt weiter. Sie tragen dazu bei, dass alle Menschen möglichst dauerhaft in ihrer vertrauten Umgebung leben können. Neben dem angepassten Wohnraum geht es darum, den öffentlichen Raum barrierefrei oder -arm zu gestalten. Bei vielen Menschen wird das Wohnquartier zum Lebensmittelpunkt, insbesondere wenn ihre Mobilität nachlässt [5]. Daher sollten sie wichtige Versorgungsangebote fußläufig erreichen können. Hierzu gehören Beratungsstellen, Ärzte oder Einkaufsmöglichkeiten. Sie sollten die Möglichkeit haben, sich mit anderen zu treffen, sich auf einer Bank auszuruhen, Toiletten im öffentlichen Raum zu nutzen oder öffentliche Verkehrsmittel zu erreichen. „Alles in Pantoffelnähe“ ist das Motto dieses kleinräumigen Ansatzes.


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Kosten sparen

Wenn pflegebedürftige Menschen in ihrer Wohnung verbleiben und nicht in eine stationäre Einrichtung umziehen müssen, entlastet dies die öffentlichen und privaten Haushalte. Durch einen altersgerechten Umbau von Wohnungen könnten bis zu 5,2 Milliarden Euro jährlich eingespart werden. Das zeigt eine Analyse des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung [6]. Die Wohnberatung leistet einen wichtigen Beitrag, um Kosten zu sparen. Damit aber nicht genug: Sie wirkt sich auch auf die Lebens- und Wohnqualität der ratsuchenden Menschen aus. Indem sie ihnen Veränderungsimpulse bietet, „irritiert“ sie ihr Alltagshandeln und zeigt ihnen Chancen auf. Sie steigert die Zufriedenheit mit der eigenen Wohnsituation [5].

Das kennt Frau Hacke aus eigener Erfahrung: Sie kann wieder angstfrei baden und sicher aus der Wanne steigen. Und die höhere Toilette erleichtert ihr das Aufstehen enorm. Es sind zwar nur wenige Zentimeter, aber die machen den Unterschied.


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Susanne Tyll, Diplom-Pädagogin, Politologin und Mediatorin, arbeitet seit 1999 selbstständig in der Beratung, Fortbildung und Projektentwicklung mit den Schwerpunkten Wohnen im Alter, Quartiersentwicklung und Altenarbeit. Sie ist Mitbegründerin und Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Wohnberatung NRW.
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Abb. 1 Eine Barriere im Außenbereich: Bei einer solchen Stufe kann die Nutzerin des Rollators an ihre Grenzen kommen. Hier wäre eine Rampe sinnvoll.
Abb.: S. Tyll
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Abb. 2 Abgang in den Waschraum eines Mehrfamilienhauses. Mit einem zweiten Handlauf wäre der Durchgang zu schmal. Die Gemeinschaft kann hier die Stufen kenntlich machen und für eine gute Beleuchtung sorgen.
Abb.: S. Tyll
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Abb. 3 In diesem Badezimmer wurde eine erhöhte Toilette eingebaut und die Papierrolle leicht erreichbar angebracht.
Abb.: S. Tyll
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Abb. 4 Schranktüren aus Glas schaffen Transparenz, was besonders Menschen mit Demenz die Orientierung erleichtert.
Abb.: S. Tyll