Dialyse aktuell 2015; 19(3): 140
DOI: 10.1055/s-0035-1551557
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Intensivmedizin und Nephrologie

Christiane Erley
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Publication Date:
17 April 2015 (online)

Das akute Nierenversagen (ANV) ist ein zentraler prognostischer Faktor für die Morbidität und Mortalität aller Patienten und wurde in der Vergangenheit in seiner Bedeutung oftmals stark unterschätzt. Für die Gesamtheit der Patienten mit ANV zeigte sich in großen Studien eine Mortalität von ca. 50 % (25–85 %). Beim Vorliegen eines septischen Schocks steigt diese auf sogar 70 %. Die Prognose der Patienten ist insbesondere dann deutlich verschlechtert, wenn im Rahmen eines intensivmedizinischen Aufenthaltes ein dialysepflichtiges Nierenversagen auftritt. Die genaue Ursache dieser Übersterblichkeit beim Eintreten eines Nierenversagens ist vielfältig und bisher nur ansatzweise geklärt. Generell sterben Patienten nicht nur mit, sondern an einem ANV. Viele der Patienten haben auch nach einem überstandenen oder gebesserten Nierenversagen eine fortbestehende Einschränkung der Lebenserwartung und ein gesteigertes Risiko, im weiteren Leben ein Nierenersatzverfahren zu benötigen.

Ein wichtiger Faktor der verringerten Lebenserwartung der heutigen Patienten auf einer Intensivstation mit Nierenversagen ist, dass vermehrt auch ältere und multimorbide Patienten den komplexen Therapien der modernen (Intensiv-)Medizin zugeführt werden. Stellt man demgegenüber in Rechnung, dass bei jeder Form des ANV auf einer Intensivstation (ob nun nur durch einen Anstieg der Laborwerte sich bemerkbar machend oder durch die Notwendigkeit eines Nierenersatzverfahrens) die Lebenserwartung der Patienten bzw. die Sterblichkeit der Patienten dramatisch verschlechtert wird, so scheint es nur gerechtfertigt, dass alle an der Intensivmedizin beteiligten Fachdisziplinen diesem Umstand in den letzten Jahren vermehrt Aufmerksamkeit zeugten. Obwohl ein ANV jedweder Ausprägung durch komplexe, meist v.a. dem Nephrologen gut bekannte Störungen – z. B. des Mineralhaushalts, des Säure-Basen-Haushalts, des Volumenhaushalts, der Gerinnungsfunktion und des Medikamentenmetabolismus – gekennzeichnet sind, sind Nephrologen leider auf vielen Intensivstation nicht regelmäßig in die Betreuung dieser Patienten involviert.

Die Tatsache, dass leider immer seltener ein Nierenspezialist beim ANV hinzugerufen wird, hat sich für die Patienten und deren Versorgung als problematisch erwiesen. So ist bekannt, dass die Mortalität bei Patienten mit ANV deutlich erhöht wird, wenn der Nephrologe erst mit 48-stündiger Verspätung hinzugerufen wird (79,3 ± 15 % vs. 42 ± 11,9 %, siehe „Heering P, Brause M. Intensivmed 2003; 40: 361–368“). Darüber hinaus wird das Gesamtergebnis auch stark beeinflusst vom Zeitpunkt des Beginns, der Art und der Intensität des Nierenersatzverfahrens. Auch zu diesen Überlegungen wird leider relativ selten der Nierenspezialist befragt. Eine weiterer Fakt der letzten Jahre ist, dass auch bei einer Entlassung aus der Intensivstation und bei fehlender Anbindung an einen Nephrologen der weitere Krankheitsverlauf der Patienten ungünstig ist und auch hier die Mortalität negativ beeinflusst wird (siehe „Harel Z et al. Kidney Int 2013; 83: 901–908“).

Dass bei diesem schweren Krankheitsbild die Interdisziplinarität unter Hinzuziehung eines Nephrologen für die Patienten und deren Überleben maßgeblich entscheidend ist, wird exemplarisch durch die Schwerpunktartikel in dieser Ausgabe der Dialyse aktuell unterstrichen. Fokussiert haben wir uns zusätzlich auf spezielle Aspekte der nephrologischen Arbeit auf den Intensivstationen, die bei einem ANV im täglichen Arbeiten gelegentlich zu Unsicherheiten führen. Es sollen die Komplexität des Krankheitsbildes und wichtige Aspekte zu seiner Therapie aus nephrologischer Sicht dargestellt werden.