Drug Res (Stuttg) 2015; 65(S 01): S20
DOI: 10.1055/s-0035-1558068
Symposium der Paul-Martini-Stiftung
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Myositiden: Pathogenese und Therapie

H. Wiendl
Klinik für Allgemeine Neurologie, Universitätsklinikum Münster
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Heinz Wiendl
Klinik für Allgemeine Neurologie
Universitätsklinikum Münster
Albert-Schweitzer-Campus 1, Gebäude A1
48149 Münster

Publication History

Publication Date:
04 November 2015 (online)

 

    Die idiopathischen Myositiden gliedern sich in Polymyositis (PM), Nekrotisierende Myositis (NM), Dermatomyositis (DM) und Einschlusskörpermyositis (IBM). Eine kausale Therapie der idiopathischen Myositiden ist bislang nicht etabliert, die heute üblichen Therapieformen sind überwiegend empirisch oder basieren auf kleineren Therapiekohorten. Die Ätiologie der Entitäten ist bislang unbekannt. Man geht bei der Polymyositis von einem T-Zell-, insbesondere zytotoxisch T-Zell-vermittelten, MHC1-restringierten Autoimmunprozess aus, während bei der DM antikörpervermittelte Mechanismen im Vordergrund stehen. Die Antigene, gegen die die Immunreaktion gerichtet ist, bleiben weiter unbekannt. Bei der IBM wird neben der Entzündung ein degenerativer Prozess mit Akkumulation pathologischer Proteinfibrillen beobachtet; neuere Daten sprechen für einen Zusammenhang zwischen Entzündungszellstress, Autophagie und B-Amyloid. Der Auslöser für die Kaskade von Amyloid-Ablagerungen bei der IBM bleibt weiter unklar.

    Arbeiten der vergangenen Jahre zeigen, dass der Muskel in der Tat ein immunologisches Milieu bietet, mit vorwiegend fakultativ Antigen-präsentierender Funktion von Muskelzellen. Eine Reihe negativ immunregulatorischer Proteine konnte identifiziert werden, unter anderem die negativ immuninhibitorischen B7-Kostimulationsmoleküle oder nicht klassischen MHC-Moleküle.

    Die Nekrotisierende Myositis ist in den letzten Jahren zu einer eigenständigen Entität abgegrenzt worden, wobei sich histologisch kein primär entzündliches Infiltrat demonstrieren lässt und keine ubiquitäre Hochregulation von MHC1, sondern die deutliche Nekrose mit Abräumreaktion durch Makrophagen im Vordergrund steht. Die NM kann mit einer Tumorerkrankung, einer Exposition gegenüber myotoxischen Medikamenten sowie Statinen oder anderen Substanzen bzw. einer Infektion (oft viral) assoziiert sein. „Anti Signal Recognition Particle“ (Anti-SRP) Antikörper können nachgewiesen werden, die zwar nicht spezifisch sind, jedoch als diagnostischer Hinweis gewertet werden.

    Die DM/PM/NM lassen sich in der Mehrzahl der Fälle mit Hilfe immunsuppressiver Therapiemaßnahmen kontrollieren und beinhalten in der Regel eine Phase von Induktions- und Erhaltung-/Langzeittherapie. Für die Initialtherapie sollten Glukokortikosteroide verwendet werden, für die Langzeittherapie ist oft eine niedrig dosierte Glukokortikosteriod-Therapie, zum Teil in Kombination mit Azathioprin oder Methotrexat, als Rückfallprophylaxe für Zeiträume von ein bis drei Jahren erforderlich. Bei Patienten, die auf diese Maßnahmen nicht ansprechen, sollte ein Therapieversuch mit Immunglobulin-Infusionen (IVIG) versucht werden; stärkere Immunsuppressiva kommen vor allem bei Patienten mit schwerer extramuskulärer Organmanifestation zum Einsatz. Neuere immunselektive Therapien können bei schwerem Verlauf nur im Fall von Therapieresistenz erfolgreich sein. Unter anderem gibt es zunehmende Fallberichte zur Verwendung des T-Zell-gerichteten monoklonalen Antikörpers Rituximab. Myositis-assoziierte Antikörper (z. B. Anti-Jo1) prädizieren oder korrelieren nicht notwendigerweise mit dem Therapieansprechen auf Rituximab; trotzdem kann die Behandlung mit Rituximab helfen, andere gleichzeitig gegebene Immuntherapien zu reduzieren oder langfristige Remissionen zu erreichen.

    Bei der IBM zeigt sich häufig eine Dominanz der degenerativen Komponenten über deren inflammatorischen Anteil, sodass der Verlauf meist progredient und weitgehend therapieresistent ist. Obwohl die Datenlage inkonsistent ist, ist ein sechsmonatiger Therapieversuch mit ca. vierwöchigen Immunglobulin-Infusionen gerechtfertigt, da bei einigen Patienten zumindest eine vorübergehende Stabilisierung des Krankheitsverlaufs erzielt werden kann. Eine relevante Dysphagie rechtfertigt ebenfalls einen Therapieversuch mit IVIG; hierfür liegen positive Studiendaten vor. Die Entscheidung über andere Immuntherapeutika und immunsuppressive Therapiemaßnahmen muss in Abhängigkeit von der Dynamik gemacht werden; eine überzeugende Datenlage hierfür existiert nicht.

    Leitlinien der DGN: http://www.dgn.org/leitlinien/11-leitlinien-der-dgn/3011-ll-69-ll-myositissyndrome


    #

    Prof. Dr. Heinz Wiendl

    Zoom Image

    Interessenkonflikt: H. W. received compensation for serving on Scientific Advisory Boards/Steering Committees, for Bayer Healthcare, Biogen Idec, Sanofi-Genzyme, Merck Serono and Novartis. He has received speaker honoraria and travel support from Bayer Vital GmbH, Bayer Schering AG, Biogen, CSL Behring, EMD Serono, Fresenius Medical Care, Genzyme, Merck Serono, Omniamed, Novartis and Sanofi Aventis. He has received compensation as a consultant from Biogen Idec, Merck Serono, Novartis, Roche and Sanofi-Genzyme. Prof. Wiendl received research support from Bayer Healthcare, Bayer Vital, Biogen Idec, Merck Serono, Novartis, Sanofi – Genzyme, Sanofi US and TEVA Pharma as well as German Ministry for Education and Research (BMBF), Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG), Else Kröner Fresenius Foundation, Fresenius Foundation, Hertie Foundation, Merck Serono, Novartis, NRW Ministry of Education and Research, Interdisciplinary Center for Clinical Studies (IZKF) Muenster, RE Childrenʼs Foundation.

    Korrespondenzadresse

    Prof. Dr. Heinz Wiendl
    Klinik für Allgemeine Neurologie
    Universitätsklinikum Münster
    Albert-Schweitzer-Campus 1, Gebäude A1
    48149 Münster

    Zoom Image