Drug Res (Stuttg) 2015; 65(S 01): S24
DOI: 10.1055/s-0035-1558070
Symposium der Paul-Martini-Stiftung
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Update Therapie bei Muskeldystrophien

M. C. Walter
Friedrich-Baur-Institut, Neurologische Klinik und Poliklinik der Ludwig-Maximilians-Universität, München
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Maggie C. Walter, M. A.
Friedrich-Baur-Institut
Neurologische Klinik und Poliklinik
Ludwig-Maximilians-Universität
Ziemssenstraße 1
80336 München

Publication History

Publication Date:
04 November 2015 (online)

 

    Muskeldystrophien (MD) bilden eine klinisch und genetisch heterogene Gruppe genetisch determinierter, progredienter Erkrankungen des Muskels. Gemeinsames Symptom aller MD ist eine fortschreitende Muskelschwäche und Muskelatrophie, die sich in Verteilungsmuster und Schweregrad zwischen den verschiedenen MD-Formen deutlich unterscheidet. Die ständig zunehmende Anzahl bekannter Genorte, spezifischer Gene und Genprodukte machen eine exakte Diagnostik schwierig, jedoch ist eine präzise Diagnose wichtig für Verlauf und Prognose der Erkrankung. Bislang stehen überwiegend symptomatische Therapieformen zur Verfügung; allerdings sind in den letzten Jahren innovative kausale molekulartherapeutische Ansätze entwickelt worden, die hoffentlich in naher Zukunft eine wirksame Therapie ermöglichen.

    Die Muskeldystrophie vom Typ Duchenne (DMD) ist die häufigste erbliche Muskelerkrankung im Kindesalter. Der zugrundeliegende Defekt im DMD-Gen ist als einer der ersten genetischen Defekte überhaupt vor mehr als 25 Jahren beschrieben worden. So wie die Erkrankung damals eine Vorreiterrolle bei der genetischen Diagnostik eingenommen hat, so wird heute Pionierarbeit bei neuen, Gen-basierten Therapien geleistet. Insbesondere hatte die Identifikation des Dystrophinproteins zu einem neuen Verständnis der Muskelzellmembran und der Proteine, die für die Membranstabililtät verantwortlich sind, geführt: Ebenso wurden in den letzten Jahren zahlreiche neue Kandidatengene für weitere Formen von MD beschrieben. Tiermodelle – mit natürlich vorkommenden Mutationen oder gezielt durch genetische Manipulation entwickelt – haben wesentlich zum Verständnis der Erkrankungsprogression, der zugrundeliegenden Pathologie und der Therapieentwicklung beigetragen.

    2013 wurde von Klymiuk et al. ein neues translationales Großtiermodell für DMD, das DMDpig, erstbeschrieben; dabei handelt es sich um über somatischen Zellkerntransfer generierte DMD-defiziente Schweine, bei denen gezielt Exon 52 des Dystrophingens ausgeschaltet wurde, und deren klinisches Erscheinungsbild deutlich näher an dem von DMD-Patienten liegt als das aller anderen zuvor beschriebenen DMD-Tiermodelle. Zusätzlich ist die Art der generierten Mutation besser mit den relevanten humanen DMD-Mutationen vergleichbar. Dies ist wichtig, da Gen-basierte Therapien entscheidend vom zu therapierenden Defekt abhängen. Hinsichtlich des Krankheitsbildes zeigten die Tiere interessanterweise eine beschleunigte Entwicklung der Erkrankung und spiegeln so die menschliche Pathogenese im Zeitraffer. Frühe und späte Veränderungen konnten dabei anhand von Transkriptom-Daten differenziert und hierarchisiert werden. Insgesamt bietet das neue Tiermodell die Möglichkeit, neue kausale Therapien genetischer Erkrankungen wie „Exon Skipping“ systematisch zu verbessern. Es besteht berechtigte Hoffnung, dass dieses erworbene Wissen in naher Zukunft neben der DMD auch bei weiteren seltenen Erkrankungen Anwendung findet.

    Hinsichtlich neuer Therapieoptionen kann man aktuell zwei wesentliche Strategien unterscheiden: zum einen die Dystrophin-basierten Therapien wie Stammzelltherapie, Virus-basierte Gentherapie, Exon Skipping durch z. B. Antisense Oligonukleotide, oder Stopp-Codon Readthrough durch das im Dezember 2014 eingeschränkt zugelassene Medikament Ataluren/Translarna, zum anderen Dystrophin-unabhängige Ansätze wie Utrophin-Modulation, α7-Integrin Hochregulation, Myostatin, Follistatin, und andere Strategien für Muskelzuwachs, sowie Phosphodiesterase signaling pathways (Sildenafil, Tadalafil).

    Gentherapeutische Verfahren wie Stopp-Codon Readthrough oder Exon Skipping sind erfolgversprechende zukünftige therapeutische Möglichkeiten bei der Muskeldystrophie Duchenne, wenngleich bislang Kortikosteroide und unterstützende Maßnahmen wie Physiotherapie der Goldstandard der Therapie bleiben, die jedoch den Verlust der Gehfähigkeit sowie die respiratorische und kardiale Dekompensation nicht aufhalten können. Neue Entwicklungen im Bereich der personalisierten Gentherapie zielen strategisch auf bestimmte, genetisch determinierte Subtypen der Erkrankung, basierend auf dem jeweiligen Krankheitsmechanismus und dem resultierenden Phänotyp, und setzen damit ein Beispiel für andere hereditäre Erkrankungen. Wir haben in den letzten Jahren in diesem Bereich viel dazugelernt, dennoch ist es noch ein weiter Weg, bevor diese Therapieformen Pathologie und Phänotyp der betroffenen Patienten tatsächlich werden korrigieren können.


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    Prof. Dr. Maggie C.Walter, M.A.

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