Dialyse aktuell 2015; 19(06): 336-337
DOI: 10.1055/s-0035-1559835
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zitrat-Locklösungen für Hämodialysekatheter – Weniger Infektionen und Thrombenbildungen als unter Heparin

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10 August 2015 (online)

 
 

Um einen zentralen Dialysekatheter durchgängig zu halten, ist die Installation (Lock) eines Antikoagulans in jedes Lumen notwendig. Wie kontrollierte Studien zeigen, haben zitrathaltige Locklösungen gegenüber Heparin teilweise signifikante Vorteile. Damit können katheterassoziierte Infektionen, Thrombenbildungen und Blutungskomplikationen reduziert werden.

Viele Patienten erhalten zunächst zentrale Katheter als Venenzugang für die Dialyse. Auch haben Diabetiker und ältere Personen mit Nierenerkrankung im Endstadium im Unterarm oft zu kleine oder aus anderen Gründen nicht geeignete Venen, um damit einen Dialyseshunt anlegen zu können. Untersuchungen zeigten, dass in Deutschland zwischen 13 und 20 % der dialysepflichtigen Patienten einen getunnelten Katheter zum Dialysebeginn erhalten, der als Permanentkatheter genutzt wird [ 1 ].

Eine schwerwiegende Komplikation bei Verwendung von zentralvenösen Dialysekathetern (ZVDK) stellt das Bakteriämierisiko dar. Denn im Vergleich zu nativen arteriovenösen Fisteln haben getunnelte ZVDK ein 44-fach erhöhtes Risiko für eine Bakteriämie [ 2 ]. Weitere Risiken bestehen in Problemen mit einem ausreichenden Blutfluss und Thrombenbildungen. Katheterbedingte Infektionen treten mit einer Prävalenz von etwa 4/1000 Patiententage auf. Nach Schätzungen aus den USA versterben bei einer angenommenen Mortalitätsrate von circa 5–10 % jedes Jahr bis zu 5500 Patienten an katheterassoziierten Infektionen [ 3 ].

In diesem Zusammenhang haben Katheter-Locklösungen einen erheblichen Einfluss auf das Bakteriämierisiko, betonte Ulrich Schwabach, Kassel. So hat das früher als Standard-Locklösung eingesetzte Heparin in einer Konzentration von 5000 U/ml diesbezüglich Nachteile. Wie eine mikrobiologische Untersuchung [ 4 ] ergab, steigerte Heparin die Bildung von mikrobiellem Biofilm durch verschiedene Staphylokokkus-aureus-Stämme auf biotischen und abiotischen Oberflächen. Das Antikoagulans begünstigte auch die proteinsyntheseabhängigen Zell-Zell-Interaktionen des Keims, der üblicherweise mit katheterbedingten Infektionen assoziiert ist.

In einer anderen in vitro Studie [ 5 ] wurde Heparin mit Trisodiumzitrat (TSC) verglichen. Wie sich zeigte, konnten bestimmte TSC-Konzentrationen effektiv Staphylokokken-Stämme abtöten. Eine komplette Beseitigung von E. coli und P. aeruginosa wurde mit 30-prozentiger TSC-Locklösung erreicht. Heparin dagegen hatte keinen signifikanten antimikrobiellen Effekt. Bei einer zusätzlichen Gabe von Gentamicin war die antimikrobielle Wirksamkeit am deutlichsten ausgeprägt. Jedoch scheint aus Gründen der systemischen Wirkung und der möglichen Entwicklung von Resistenzen eine kontinuierliche Gabe von Antibiotika nicht ratsam, resümieren die Autoren.

Effektive Reduzierung des mikrobiellen Biofilms

Dass eine Locklösung aus 30-prozentigem TSC auch in vivo die intraluminale mikrobielle Biofilmbildung in Hämodialysekathetern mit kulturpositiver Bakterienkolonisation verringern kann, wies eine randomisierte kontrollierte Studie [ 6 ] mit 6 Dialysepatienten nach, die entweder TSC oder Heparin (5000 U/ml) für die Dauer von 4 Wochen als Locklösung erhielten. Im Ergebnis betrug die durchschnittliche Bedeckung mit Biofilm unter der Zitratlösung 16 % gegenüber 63 % unter Heparin. Wie die Autoren betonen, könnte dieser Effekt die Erklärung für die Prävention von katheterassoziierten Infektionen durch zitrathaltige Katheter-Locklösungen wie Citra-Lock™ sein.

Wie Schwabach weiter ausführte, werden mit TSC auch typische, durch Heparin verursachte Nebenwirkungen vermieden. Dazu gehören eine erhöhte Blutungsneigung, Übelkeit, Atemnot, Blutdruckabfall, allergischer Schock sowie die Entwicklung einer heparininduzierten Thrombozytopenie (HIT). Bei Verwendung von Heparin (5000 U/ml) ist auch mit einer Verlängerung der PTT (partielle Thromboplastinzeit) durch in die Blutbahn einfließendes Heparin zu rechnen [ 7 ]. Beim Einsatz des Chelatbildners Zitrat ist mit heparinbedingten Nebenwirkungen nicht zu rechnen, da dieser durch die hoch aktive Bindung von Kalzium seine Effektivität entfaltet.


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Deutlich geringere Infektionsrate unter TSC

Eine große multizentrische, doppelblinde und randomisierte klinische Studie [ 8 ] belegte die Vorteile einer zitrathaltigen Locklösung gegenüber Heparin. Darin wurde TSC (30 %) mit unfraktioniertem Heparin (5000 U/ml) zur Prävention von katheterassoziierten Infektionen, Thrombosen und Blutungskomplikationen bei 291 Hämodialysepatienten verglichen.

Im Ergebnis mussten in der Heparingruppe wegen Komplikationen 46 % der Katheter gegenüber 28 % in der TSC-Gruppe entfernt werden. Die Rate an katheterbedingten Infektionen betrug unter Heparin 4,1 pro 1000 Kathetertage im Vergleich zu 1,1 unter TSC (Abb. [ 1 ]). Für getunnelte Katheter lag die Risikoreduktion für eine Bakteriämie bei 87 % und für ungetunnelte Katheter bei 64 %. Diese Ergebnisse waren statistisch signifikant. Die Studie wurde vom Ethikrat wegen der geringeren Infektionsrate in der Zitratgruppe vorzeitig abgebrochen.

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Abb. 1 Eine große kontrollierte und randomisierten Studie zeigte die Vorteile einer 30-prozentigen Zitrat-Locklösung gegenüber Heparin (5000 U/ml) bei der Reduzierung der Bakteriämien (1,1 vs. 4,1/1000 Kathetertage). Auch wurden unter Zitrat weniger Katheter entfernt (28 % vs. 46 %). nach [ 8 ]

Auch ökonomisch erwies sich die zitrathaltige Lösung als vorteilhaft: Zu infektionsbedingten Klinikeinweisungen kam es unter Heparin bei 21 gegenüber 6 Studienteilnehmern unter TSC; die wegen Infektionen notwendig werdenden Krankenhaustage betrugen unter Heparin 245 und unter TSC 44.

In einer weiteren randomisierten Studie [ 9 ] aus 2014, in welcher der Einfluss der Konstruktions- und Gestaltungsmerkmale auf die Überlebenszeit der Dialysekatheter an insgesamt 302 Patienten untersucht wurde und Zitrat (30 %) als Katheter-Locklösung zum Einsatz kam, bestätigte sich die Effektivität von Zitrat zur Senkung der Bakteriämierate auf 0,24 und 0,10/1000 Kathetertagen für Palindrome- bzw. HemoStar-Katheter.


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Signifikante Reduzierung des Urokinase-Einsatzes

In einer anderen Studie [ 10 ] wurde der Einsatz von Heparin, Zitrat (10 %) plus 3 mg/ml Gentamicin, Zitrat (20 %) plus Gentamicin sowie Zitrat (46,7 % und 23 %) verglichen. Die Bakteriämie-Inzidenz unter Heparin betrug 4,32 Episoden pro 3000 Patiententage. Die Inzidenz nahm unter dem Einsatz von Zitrat 20 % plus Gentamicin auf 1,68 Episoden ab und betrug 0 % bei der Verwendung der 46,7-prozentigen Zitratlösung. Die Bakteriämie-Inzidenz erhöhte sich bei einem erneuten Wechsel auf Heparin und nahm unter der erneuten Gabe von Zitrat (23 %) auf 1,79 wieder ab.

Des Weiteren verringerte sich der durch okkludierte Katheter notwendige Einsatz von Urokinase unter Verwendung von TSC (46,7 %) signifikant. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass konzentriertes Zitrat eine effektive Locklösung ist, die einen längeren Einsatz eines ZVDK ermöglicht und die Rate an katheterbedingten Infektionen und Okklusionen reduziert.

Höher konzentriertes, 46,7-prozentiges Citra-Lock™ als Locklösung bei getunnelten Kathetern untersuchte eine andere Studie [ 11 ]. Durch die Umstellung von Heparin auf TSC konnten die Raten an katheterbedingten Bakteriämien von 2,13 pro 1000 Kathetertage auf 0,81 gesenkt werden. Durch den Einsatz von TSC kam es auch zu einer signifikanten Verringerung der Besiedlung durch methicillinresistente und koagulasenegative Staphylokokken.

Dass eine 4-prozentige Zitrat-Locklösung ebenfalls effektiv ist, wurde in einer Vergleichsstudie [ 12 ] mit Heparin untersucht. Analysiert wurden die Daten von 60 Patienten über 360 Patientenmonate während der Behandlung mit Heparin sowie von 58 Patienten über 451 Patientenmonate während des Einsatzes von Zitrat (4%). In der Heparingruppe traten mehr Infektionen auf als in der Zitratgruppe (1,90 vs. 0,81 pro 1000 Kathetertage). Auch mussten unter Heparin deutlich mehr Katheter entfernt werden als in der Vergleichsgruppe (3,24 vs. 1,33). Die Anzahl der Krankenhauseinweisungen wegen katheterbedingter Infektionen war unter Heparin höher (16 vs. 9).


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Wenig zitratassoziierte Nebenwirkungen

Zu den möglichen Nebenwirkungen sagte Schwabach, dass bei Citra-Lock™ (4%) keine bekannt sind. Bei Verwendung von Citra-Lock™ in Konzentrationen von 30% und 46,7% kann ein metallischer Geschmack (Dysgeusie) und ein Prickeln in Fingern und Lippen (Parästhesie) über einen Zeitraum von 3–5 Sekunden auftreten. In solchen Fällen liegt meist eine Überdosierung vor. Es sollte beim nächsten Einsatz der Locklösung 0,1–0,2 ml weniger injiziert werden. Die Injektion des geringeren Volumens kann, falls erforderlich, wiederholt werden. Die Locklösung sollte in jedem Fall langsam über einen Zeitraum von 8–10 Sekunden pro Lumen injiziert werden.

Schwabach zog das Fazit, dass über 10 Jahre mehrere Millionen Blockungen mit Citra-Lock™ ohne Meldung eines schwerwiegenden Zwischenfalls durchgeführt wurden. Um die Verwendung zu erleichtern und das potenzielle Risiko einer Hypokalzämie durch Überdosierung einer zitrathaltigen Locklösung auszuschließen, steht Citra-Lock™ in applikationsgerechten 5-ml-Ampullen und als Fertigspritze (2,5 und 5 ml) zur Verfügung.

Die 4-prozentige Locklösung sollte als erste Wahl verwendet werden, die 30-prozentige bei rezidivierenden Infektionen und die 46,7-prozentige Locklösung bei rezidivierenden Infektionen sowie Katheterthrombosen. Wie es in einer Stellungnahme [ 13 ] der Expertengruppe European Best Practice (ERBP) heißt, wurden zitrathaltige Locklösungen bisher am besten untersucht. Bei der 4-prozentigen Konzentration scheint den Experten zufolge gegenwärtig das beste Nutzen-Risiko-Verhältnis vorzuliegen.

Dr. Ralph Hausmann, Frankfurt am Main

Quelle: Symposium „Kein Heparin mehr! – auch als Katheterlock ist Citrat die richtige Alternative!“, veranstaltet von USmed Medizinprodukte e. K., Kassel, auf der 24. Erfurter Dialysefachtagung, 07.05.2015.


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  • Literatur

  • 1 von Gersdorff G. DOPPS Annual Report 2013. Poster DGfN-Kongress 2013
  • 2 Allon M. Dialysis catheter-related bacteremia: treatment and prophylaxis. Am J Kidney Dis 2004; 44: 779-791
  • 3 Bleyer AJ. Clin J Am Soc Nephrol 2007; 2: 1073-1078
  • 4 Shanks RM, Donegan NP, Graber ML et al. Heparin stimulates Staphylococcus aureus biofilm formation. Infect Immun 2005; 73: 4596-4606
  • 5 Weijmer MC, Debets-Ossenkopp YJ, Van De Vondervoort FJ, ter Wee PM et al. Superior antimicrobial activity of trisodium citrate over heparin for catheter locking. Nephrol Dial Transplant 2002; 17: 2189-2195
  • 6 Bosma JW, Siegert CE, Peerbooms PG, Weijmer MC. Reduction of biofilm formation with trisodium citrate in haemodialysis catheters: a randomized controlled trial. Nephrol Dial Transplant 2010; 25: 1213-1217
  • 7 Karaaslan H, Peyronnet P, Benevent D et al. Risk of heparin lock-related bleeding when using indwelling venous catheter in haemodialysis. Nephrol Dial Transplant 2001; 16: 2072-2074
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  • 10 Van Der Meersch H, De Bacquer D, Vandecasteele SJ et al. Hemodialysis catheter design and catheter performance: a randomized controlled trial. Am J Kidney Dis 2014; 64: 902-908
  • 11 Winnett G, Nolan J, Miller M, Ashman N. Trisodium citrate 46.7% selectively and safely reduces staphylococcal catheter-related bacteraemia. Nephrol Dial Transplant 2008; 23: 3592-3598
  • 12 Yon CK, Low CL. Sodium citrate 4% versus heparin as a lock solution in hemodialysis patients with central venous catheters. Am J Health Syst Pharm 2013; 70: 131-136
  • 13 Vanholder R, Canaud B, Fluck R et al. Diagnosis, prevention and treatment of haemodialysis catheter-related bloodstream infections (CRBSI): a position statement of European Renal Best Practice (ERBP). NDT Plus 2010; 3: 234-246

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