physioscience 2017; 13(01): 42
DOI: 10.1055/s-0035-1567165
Veranstaltungsberichte
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Physiotherapie zeigt Präsenz: Deutscher Schmerzkongress vom 19.–22.10.2016 in Mannheim

M. Laekeman
,
D. Seeger
,
R. Schesser
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Publication Date:
07 March 2017 (online)

Der Deutsche Schmerzkongress bietet für alle Kollegen, die sich zum Thema Schmerz updaten wollen, eine sehr gute Gelegenheit zum interdisziplinären Austausch. Das Programmkomitee betonte in den letzten Jahren deutlich das Interesse an physiotherapeutischen Themen, und auch in diesem Jahr war unsere Berufsgruppe wieder stark aufgestellt.

Der Kongress umfasst klinisch relevante wissenschaftliche Symposien, Workshops zur Fort- und Weiterbildung sowie Refresher-Kurse zu unterschiedlichen Themen.

Zum Auftakt referierte Dagmar Seeger (Göttingen) im interdisziplinären Refresher-Kurs „Diagnostik von Rückenschmerzen und therapeutische Entscheidungsfindung“ zum Thema „Funktionsdiagnostik: Was kann der Patient – was sollte er können?“. Sie arbeitete klar heraus, wie wichtig die Analyse von Funktionsfähigkeit in Beruf und Alltag für die Diagnosestellung und die anschließende Therapieplanung ist. Im 2. Refresher-Kurs „Physiotherapeutische Maßnahmen bei spezifischen chronischen Schmerzzuständen“ lotste Ralf Schesser (Hopfen am See) die Teilnehmer durch den Clinical-Reasoning-Prozess bei Patienten mit spezifischen chronischen Schmerzen.

Ulrich Hamberger (Kaufering) verdeutlichte im Symposium „Adipositas – Proinflammatorische Zytokine – Chronischer Schmerz – Einflussmöglichkeiten über den N. vagus und körperliche Aktivität“ die richtig dosierte Aktivierung und individuell angepasste Energiezufuhr bei multimodalen Therapiekonzepten. Dr. Kerstin Lüdtke (Hamburg) stellte anhand von 2 Cochrane Reviews und weiteren Literaturübersichten die Effekte der physiotherapeutischen Vorgehensweisen dar.

Am Freitag behandelte Marjan Laekeman (Bochum) im wissenschaftlichen Symposium „Zeit zum (Um)denken bei älteren Patienten“ das Thema „Einstellungen junger Therapeuten in Bezug auf ältere Patienten“. Anhand ihrer zusammen mit Katrin Kuss (Marburg) analysierten Untersuchungsergebnisse bildete sie ab, wann Studierende leitlinienkonforme Empfehlungen für Aktivitäten geben. Anschließend belegte Dagmar Seeger in Videosequenzen, wie „Bewegen zum Erhalt der Bewegungssicherheit“ bis ins hohe Alter gelingen kann.

Dr. Kerstin Lüdtke (Hamburg) stellte in ihrem Workshop über „Screening in der Physiotherapie“ mittels eines strukturierten Screening-Procederes dar, wie wichtig auch in der Physiotherapie das Erkennen von Red Flags ist. In ihrem 2. Workshop „Studien lesen und wirklich verstehen“ präsentierte sie praktische Werkzeuge zur Beurteilung der methodischen Qualität von Studien und Übersichtsarbeiten. In seinem Workshop „Die multimodalen Diagnostik und Therapie des chronischen Rückenschmerzes“ erläuterte Michael Richter (Hamburg) die Vorgehensweise der Physiotherapie. In einem anderen Workshop griff Marjan Laekeman das Thema „Schmerz bei älteren Menschen mit kognitiven Einschränkungen“ auf und demonstrierte an einem Fallbeispiel die Besonderheiten und Herausforderungen der Schmerzphysiotherapie bei Menschen mit Demenz.

Beim Symposium „Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie chronischer Unterbauchschmerzen der Frau – eine interdisziplinäre Perspektive“ nahm sich Christiane Kolb (Bad Dürkheim) des Themas Schmerzen im Becken bei Frauen an. Sie hob die Bedeutung der vaginalen Palpation in der Physiotherapie hervor und demonstrierte verschiedener physiotherapeutische Interventionen. Dieser besondere Beitrag regte zur Diskussion über die physiotherapeutische Untersuchung des Beckenbodens an.

Ein weiteres Physiotherapie-Symposium galt dem Thema „Physiotherapie bei Migräne und Kopfschmerzen – Grundlagenforschung, Untersuchungsergebnisse und Behandlungsmöglichkeiten. Dr. Kerstin Lüdtke präsentierte hier unter anderem die Ergebnisse ihrer eigenen Diagnostikstudie, laut der 9 von 11 Tests einen signifikanten Unterschied zwischen Patienten mit Migräne oder Spannungskopfschmerzen und gesunden Kontrollpersonen aufweisen. Im Anschluss schilderte Benjamin Schäfer (Königstein) den Ablauf und die Möglichkeiten der physiotherapeutischen Behandlung bei Patienten mit Migräne- und Kopfschmerzen im Rahmen der multimodalen interdisziplinären Schmerztherapie.

Die Poster-Präsentationen mit interdisziplinären Themen unter Beteiligung der Physiotherapie widmeten sich folgenden Themen:

  • Momentaner Inhalt und Umgang des Unterrichts zum Thema chronischer Schmerz an deutschen Physiotherapieschulen sowie in Bachelor- und Master-Studiengängen;

  • Schmerz-Assessment in der vollstationären Altenhilfe – S3 Leitlinie;

  • Reliability of the English Version of the PainDETECT Questionnaire and its Pain Descriptors;

  • Somatosensory Profiles Differ between Patients with Non-Specific Neck and Arm Pain with and without Heightened Nerve Mechanosensitivity;

  • Zu alt für eine Therapie?! –Ergebnisse eines altersangepassten 3-wöchigen multimodalen Therapieprogramms.

Last but not least traf sich am Freitagabend in alter Tradition der Arbeitskreis Schmerz und Bewegung der Deutschen Schmerzgesellschaft. Diese sehr aktive Gruppe setzt sich hauptsächlich aus Physio- und Ergotherapeuten sowie Sportwissenschaftlern zusammen. Dieses Mal nutzten auch einige Gäste (Hochschulprofessoren, ein Arzt aus dem Bereich Innere Medizin und Psychosomatik, ehemalige und derzeitige Kursteilnehmer der Weiterbildung „Spezielle Schmerzphysiotherapie, SpSPT“; weitere Infos über die Weiterbildung SpSPT unter: www.dgss.org/aus-weiter-fortbildung/deutsche-schmerzakademie/spezielle-schmerzphysiotherapie) die Gelegenheit, den Arbeitskreis kennenzulernen und sich auszutauschen.

In der Vorbereitung für den Kongress 2017 (Motto „Gemeinsam entscheiden“) regte das Programmkomitee an, die interessanten Beiträge der Physiotherapie zu erweitern. Hierzu eignen sich Themen aus den Bereichen Physiotherapie und Schmerz, die sich in einem Symposium interdisziplinär aufarbeiten lassen oder in Workshops einen Transfer in die Praxis ermöglichen.

Zielgruppen können Therapeuten auf dem Gebiet Bewegung und Schmerz, aber auch Ärzte und/oder Psychologen sein.

Weitere Infos über Deutscher Schmerzkongress 2017: www.schmerzkongress2017.de.