Einführung:
Kritische Diskurse wie „Ökonomisierung der Medizin“ belegen: es gab und gibt fortwährend
Veränderungsprozesse im Gesundheitswesen. Für die zukünftigen Herausforderungen lohnt
ein Blick auf frühere Transformationsprozesse. Dieser Beitrag untersucht, wie ÄrztInnen
in Sachsen-Anhalt die Transformationsprozesse im Gesundheitswesen nach 1990 wahrnahmen
und wie sie mit den einhergehenden Veränderungen umgingen.
Methodik:
Es wurden 10 berufsbiographisch-leitfadengestützte Interviews mit ÄrztInnen, die im
Zeitraum zwischen 1990 und 1995 in Sachsen-Anhalt ärztlich tätig waren, geführt. Die
Interviews wurden mit der qualitativen zusammenfassenden Inhaltsanalyse nach Mayring
ausgewertet.
Ergebnisse:
Auf der Makroebene zeigen sich z.B. Prozesse der politischen Steuerung des Medizinsystems,
etwa durch neue gesetzliche und ökonomische Anreizstrukturen, und die Ablösung von
Qualitätsstandards, wie sie zur Evaluierung der Gesundheitseinrichtungen durchgesetzt
wurden. Auf der Mesoebene sind z.B. veränderte Karrierepolitiken oder Arbeitsbeziehungen
und -Formen, etwa Förderung der ambulanten Patientenversorgung durch Arztpraxen, erkennbar.
Auf der Mikroebene finden sich konkrete berufliche Brüche und Neuorientierungen der
ÄrztInnen. Es lassen sich neue (Rollen)Erwartungen an die ÄrztInnen und Veränderungen
in der Arzt-Patienten-Beziehung erkennen, die das ärztliche Selbstverständnis berühren.
Schlussfolgerung:
Das Ziel, die medizinische Versorgung während der Transformationsprozesse zu gewährleisten,
wurde erreicht. Ärztlicherseits waren unter Beibehaltung eines systemunabhängigen
ärztlichen Ethos hierfür Anpassungsleistungen erforderlich, wie z.B. eine neue ökonomische
Orientierung in der Rolle des Arztes.