Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2007; 35(04): 247-254
DOI: 10.1055/s-0037-1621438
Wiederkäuer
Schattauer GmbH

Der angeborene Sehnenstelzfuß beim Kalb[*]

Aktueller Stand der Kenntnisse zur Neuromyodysplasia congenita (NMDC), Untersuchungen zur Auftrittshäufigkeit und TherapiemöglichkeitenCongenital contracture of flexor tendons (neuromyodysplasia congenita) in the calf.State of knowledge, investigation of frequency of occurrence, and possibilities of therapy
M. Metzner
1   Aus der Klinik für Wiederkäuer mit Ambulanz und Bestandsbetreuung (Lehrstuhl für Innere Medizin und Chirurgie der Wiederkäuer: Prof. Dr. W. Klee) der Ludwig-Maximilians-Universität München und der
,
J. Maierl
2   Abteilung für Tieranatomie, Department Präklinik (Leiter: PD Dr. M. H. Stoffel), Vetsuisse-Fakultät, Universität Bern
,
A.-G. Absmeier
1   Aus der Klinik für Wiederkäuer mit Ambulanz und Bestandsbetreuung (Lehrstuhl für Innere Medizin und Chirurgie der Wiederkäuer: Prof. Dr. W. Klee) der Ludwig-Maximilians-Universität München und der
,
I. Baumgart
1   Aus der Klinik für Wiederkäuer mit Ambulanz und Bestandsbetreuung (Lehrstuhl für Innere Medizin und Chirurgie der Wiederkäuer: Prof. Dr. W. Klee) der Ludwig-Maximilians-Universität München und der
,
G. Rademacher
1   Aus der Klinik für Wiederkäuer mit Ambulanz und Bestandsbetreuung (Lehrstuhl für Innere Medizin und Chirurgie der Wiederkäuer: Prof. Dr. W. Klee) der Ludwig-Maximilians-Universität München und der
,
W. Klee
1   Aus der Klinik für Wiederkäuer mit Ambulanz und Bestandsbetreuung (Lehrstuhl für Innere Medizin und Chirurgie der Wiederkäuer: Prof. Dr. W. Klee) der Ludwig-Maximilians-Universität München und der
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Publication History

Eingegangen: 09 March 2007

akzeptiert: 10 April 2007

Publication Date:
06 January 2018 (online)

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Zusammenfassung

Gegenstand und Ziel: Einleitend werden die sehr unterschiedlichen Überlegungen in der Literatur zur Ätiologie des angeborenen Sehnenstelzfußes (NMDC) des Kalbes beschrieben und diskutiert. In einer Feldstudie sollten die Inzidenz in landwirtschaftlichen Betrieben, Zusammenhänge mit dem Geburtsverlauf und die weitere Entwicklung betroffener Kälber untersucht werden. Material und Methoden: Innerhalb von 12 Monaten wurden ca. 70% aller neugeborenen Kälber aus 65 Betrieben (n = 1238) zwischen erstem und drittem Lebenstag hinsichtlich des Vorliegens einer NMDC untersucht. Kälber mit NMDC wurden wöchentlich kontrolliert, bis die Symptomatik verschwunden oder der Proband einer weiteren Untersuchung nicht mehr zugänglich war. Angaben über den Geburtsverlauf wurden erfragt. Ergebnisse: Bei 13,6% (n = 168) der untersuchten Kälber ließ sich eine NMDC feststellen (Grad I: 88,7%; Grad II: 11,3%; Grad III: 0%). In 90,5% der Fälle bestand die NMDC nur an den Vordergliedmaßen, bei 7,7% an Vorder- und Hintergliedmaßen und bei 1,8% nur an den Hintergliedmaßen. Männliche Tiere waren signifikant häufiger betroffen als weibliche und Kälber aus Zwillingsträchtigkeiten signifikant häufiger als Einlinge. In Hinterendlage geborene Kälber hatten signifikant häufiger eine NMDC als in Vorderendlage geborene. Schlussfolgerungen: Die Resultate sind mit der Vorstellung vereinbar, dass die Raumverhältnisse im Uterus bei der Entstehung der NMDC eine Rolle spielen. Bei knapp 90% der Tiere verschwand die Beugesehnenverkürzung ohne tierärztliche Behandlung. Klinische Relevanz: Die notwendigen Therapiemaßnahmen orientieren sich am Grad der NMDC. Geringgradige Verkrümmungen bedürfen keiner speziellen Behandlung. Die Therapieoptionen bei mittelgradig ausgeprägter NMDC (Aufkleben vorne überstehender Holzbrettchen auf die Klauensohlen, Stützverbände mit/ohne Tenotomie der Beugesehnen) werden detailliert beschrieben. Durch die Gabe von Oxytetracyclin (60 mg/kg KM, n = 10) ließ sich der Verlauf der NMDC nicht nachweislich beeinflussen.

Summary

Objective: In the introduction the various hypotheses on the aetiology of congenital contracture of the flexor tendons in calves (CCFT) mentioned in the literature are described and discussed. In a field study the incidence on dairy farms, characteristics of the calving process and the development of the respective calves were investigated. Material and methods: 1,238 calves representing about 70% of all calves born within the course of 12 months in 65 dairy farms were examined for CCFT between their first and third day of life. Calves with CCFT were re-checked in weekly intervals until the condition had disappeared or the calf was no longer on the farm. The conditions of birth (presentation, position, and posture) were recorded. Results: CCFT was diagnosed in 168 (13.6%) of the calves enrolled, of which 88.7% were classified as grade I, and 11.3% as grade II, while none were considered to be grade III. In 90.5% of the cases, only the front legs were affected, both front and hind legs were affected in 7.7%, and only the hind legs were affected in 1.8%. Male calves were affected significantly more frequently than female calves, as were twins. Incidence was higher in calves born in posterior presentation. Conclusion: The findings are compatible with the hypothesis that the amount of available space in the uterus plays a role in the pathogenesis of CCFT. In almost 90% of the affected calves, the condition disappeared without veterinary intervention. Clinical relevance: The degree of CCFT determines the kind of intervention. While low grade flexions require no special therapy, intervention is indicated in more severe cases. The options for treatment (gluing small boards under the claws, cast without or with tenotomy of the flexor tendons) are described in detail. The application of oxytetracycline (60 mg/kg BW) had no positive effect on the disease.

* Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. mult. H.-G. Liebich zum 65. Geburtstag gewidmet.