Nuklearmedizin 1997; 36(05): 157-166
DOI: 10.1055/s-0038-1629786
Originalarbeiten — Original Articles
Schattauer GmbH

Zum genetischen Risiko nach hochdosierter Radiojodtherapie unter Berücksichtigung der Gonadendosis

To the Genetic Risk after High Dose Radioiodine Therapy with Regard to the Gonadal Dose
Ch. Ehrenheim
1   Aus der Abteilung Nuklearmedizin und spezielle Biophysik der Medizinischen Hochschule Hannover, Deutschland
,
C. Hauswirth
1   Aus der Abteilung Nuklearmedizin und spezielle Biophysik der Medizinischen Hochschule Hannover, Deutschland
,
J. Fitschen
1   Aus der Abteilung Nuklearmedizin und spezielle Biophysik der Medizinischen Hochschule Hannover, Deutschland
,
E. Martin
1   Aus der Abteilung Nuklearmedizin und spezielle Biophysik der Medizinischen Hochschule Hannover, Deutschland
,
G. Oetting
1   Aus der Abteilung Nuklearmedizin und spezielle Biophysik der Medizinischen Hochschule Hannover, Deutschland
,
H. Hundeshagen
1   Aus der Abteilung Nuklearmedizin und spezielle Biophysik der Medizinischen Hochschule Hannover, Deutschland
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Eingegangen: 05 November 1996

in revidierter Form: 09 January 1997

Publication Date:
03 February 2018 (online)

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Zusammenfassung

Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Abschätzung des genetischen Risikos nach hochdosierter Radiojodtherapie unter besonderer Berücksichtigung der individuell erreichten Gonadendosis. Methode: Mittels eines Erhebungsbogens wurden die Daten von insgesamt 364 Patientinnen und Patienten mit einem differenzierten Schilddrüsenkarzinom im gebärbzw. zeugungsfähigen Alter bezüglich ihrer Nachkommen ausgewertet. 45 Patienten (41 Frauen und vier Männer) aus dieser Gruppe hatten insgesamt 56 Kinder. Der Verlauf von Schwangerschaft, Geburt und Kindesentwicklung wurde erfaßt. Ergebnisse: Im Rahmen der Therapie und Nachsorge waren insgesamt zwischen 4,144 und 35,15 GBq I-131 verabreicht worden; die individuell auf der Grundlage des MIRD-Modells errechnete Gonadendosis lag zwischen 0,2 und 2,2 Sv (im Mittel 0,51 Sv). Der Abstand zwischen der letzten I-131 Applikation und einer Geburt betrug mindestens 9 Monate und höchstens 14 Jahre. Bezüglich Schwangerschaftsverlauf und Geburt wurden zwei Frühaborte, eine Extrauteringravidität und eine Plazentainsuffizienz mit nachfolgender Frühgeburt ermittelt. In einem Fall trat eine chromosomale Translokation 7/14 als genetischer Defekt auf, die zur Interruptio führte. Die Entwicklung der ausgetragenen Kinder verlief bis auf das Auftreten einer Neurodermitis in zwei Fällen, multipler Allergien in einem anderen Fall und eines frühzeitigen Fontanellenverschlusses bei einem Kind unauffällig. Schlußfolgerung: Unter der Annahme einer Verdoppelung der Häufigkeit spontaner Mutationen bei einer erzielten Gonadendosis von 1 Sv erhöht sich das Risiko irgendeiner angeborenen Erkrankung bei unseren Patienten im Mittel rechnerisch um rund 13%; tatsächlich lag der Anteil genetischer Defekte in unserem Kollektiv mit 1,8% (1/57) im Bereich des natürlichen Risikos. Unter Berücksichtigung der Literatur ließ sich damit bisher bei insgesamt 408 Kindern keine Zunahme genetisch bedingter Erkrankungen oder angeborener Anomalien feststellen.

Summary

Aim: The genetic risk for the offspring of patients treated with high doses of radioiodine was to be assessed with special regard to the gonadal dose caused by diagnostic and therapeutic procedures. Methods: 41 young females (aged between 19 and 39 years) and four young males (aged 26 to 36 years) treated with radioiodine because of a thyroid carcinoma were interviewed by use of a questionnaire. The course of pregnancy and birth history could be documented as well as the congenital and developmental conditions of 56 children. Results: The amount of radioactivity applied for therapy and whole body scans ranged over 4,144 and 35,15 GBq I-131; the individual gonadal dose was calculated based on the MIRD model and ranged over 0,2 and 2,2 Sv (0,51 Sv at a mean). The period of time between the last radioiodine application and confinement was at least 9 months, not exceeding 14 years. As to the course of pregnancy and birth two early abortions, one extrauterine gravidity and one premature birth due to an insufficiency of the placenta were stated. In one case a chromosomal translocation 7/14 occured as a genetic defect which lead to an interruption. The children’s development was unconspicuous except of two cases of neurodermatitis as well as multiple allergies and an early closure of the anterior fontanelle in one child each. Conclusion: Although the genetic risk is supposed to increase with the gonadal dose achieved (doubling dose 1 Sv) and the increased risk of any congenital anomaly was calculated as about 13% at a mean in our patients, the rate of genetic determined diseases was not elevated (1,8% or 1/57). Thus, no increase of genetic defects or congenital malformations was reported in a total of 408 children described in the literature and in our group.