Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2015; 50(4): 260-268
DOI: 10.1055/s-0040-100288
Fachwissen
Anästhesiologie: Topthema
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Anästhesie in der Orthopädie /Unfallchirurgie – Regionalanästhesie bei Verletzungen der unteren Extremität

Regional anaesthesia in patients with lower limb injury
Thorsten Steinfeldt
,
Thomas Wiesmann
,
Jens Döffert
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Publikationsdatum:
28. April 2015 (online)

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Zusammenfassung

Fast alle operativen Verfahren an der unteren Extremität sind unter Berücksichtigung weniger Kontraindikationen durch Spinalanästhesien oder periphere Blockaden zu gewährleisten. Postoperativ gehen Verletzungen der unteren Extremität größtenteils mit deutlichen Schmerzen und daher oftmals mit einer Immobilisierung einher. Zugleich müssen bei einer systemischen Schmerztherapie häufig auch Opioide einbezogen werden, die Übelkeit, Erbrechen und Vigilanzminderung verursachen können. Regionalanästhesietechniken bieten sich als eine komplikationsärmere Alternative an – sowohl als Single-Shot- als auch als kontinuierliche Katheterverfahren. Hüft- und hüftnahe Frakturen treten besonders häufig bei alten Patienten mit entsprechenden Ko-Morbiditäten auf und sind entsprechend eine anästhesiologische Herausforderung. Auch Verletzungen der Röhrenknochen wie des Femurs und der Tibia gelten als schmerzhaft. Bei diesen Verletzungen ist eine postoperative Schmerztherapie durch Regionalanästhesietechniken zu empfehlen. Bei Verletzungen mit Gelenkbeteiligungen im Bereich des Knies sollten kontinuierliche Verfahren zur postoperativen Schmerztherapie im Vordergrund stehen. Genauso profitieren komplexe Weichteil- und Knochenverletzungen des Sprunggelenks und insbesondere des Kalkaneus von einer effektiven Akutschmerztherapie durch kontinuierliche Kathetertechniken.

Abstract

Almost all surgical procedures following injury can be provided in peripheral regional anaesthesia or spinal anaesthesia – under consideration of specific contraindications. The majority of injuries at the lower limb are associated with severe pain and immobilization during the postoperative phase. Moreover, opioids are often required which are related to nausea, vomiting and impairment of vigilance. For avoidance of those side effects, regional anaesthesia techniques should be considered as a more effective approach with a better profile of side effects. Hip and proximal femur fractures are more frequent in elder patients with a corresponding high morbidity. Therefore anaesthesia is challenging in those patients. Even injuries of the long bones – like the femur and the tibia – are causing severe pain, therefore an appropriate concept for acute pain therapy is required. Moreover, for injuries with affection of bony joint-structures (i. e. knee, ankle, calcaneus) and marked soft-tissue injuries continuous regional anaesthesia techniques could provide advantages during acute pain therapy.

Kernaussagen

  • Röhrenknochenverletzungen gelten als sehr schmerzhaft, da das Periost sehr dicht innerviert ist. Darstellungen in Lehrbüchern zur Innervation entsprechen jedoch bei hoher Variabilität nicht den klinischen Realitäten.

  • Bei Femurfrakturen stehen für Regionalanästhesieverfahren (RA-Verfahren) die Nerven des Plexus lumbalis im Vordergrund.

  • Die Ultraschalltechnik ist bei traumatologischen Patienten der elektrischen Nervenstimulationstechnik vorzuziehen, da mit ihr zur Nervenlokalisation keine schmerzhaften motorischen Reizantworten ausgelöst werden müssen.

  • Bei distalen Femurfrakturen reicht eine alleinige N. femoralis-Blockade für eine adäquate Analgesie nicht aus und ist daher mit einer N. ischiadicus-Blockade zu kombinieren. Das Gleiche gilt für proximale Tibiafrakturen.

  • N. saphenus-Blockaden im Adduktorkanal können eine Alternative zur N. femoralis-Blockade sein – insbesondere um eine ausgeprägte M. quadriceps-Schwäche durch Blockade der motorischen Äste des N. femoralis zu vermeiden.

  • Traumapatienten profitieren sowohl von einer präklinischen RA-Therapie als auch von der frühen Blockade in der Notaufnahme.

  • Es scheint keine Vorteile der RA- gegenüber der Allgemeinanästhesie bezüglich der Reduktion von Komplikationen nach Hüftfrakturen zu geben.

  • Der Fascia-iliaca-Kompartment-Block scheint der N. femoralis-Blockade bei Hüftfrakturen mind. ebenbürtig zu sein. Daten weisen sogar darauf hin, dass er nach der Psoas-Kompartment-Blockade die effektivste Analgesie bieten kann.

  • Im Gegensatz zu Kreuzbandrupturen scheinen kontinuierliche Blockaden bei knöchernen Verletzungen der Kniegelenkflächen in Hinblick auf eine effektive postoperative Schmerztherapie eher indiziert zu sein. Denn knöcherne Verletzungen des Knies gehen mit massiven postoperativen Schmerzen einher.

  • Kontinuierliche RA-Techniken sind insbesondere bei Kalkaneusfrakturen und revisionsbedürftigen Weichteilverletzungen indiziert.

  • Die klinischen Symptome eines Kompartmentsyndroms lassen sich in der traumatisierten Region erschwert erheben. Schmerzen und Parästhesien sind neben anderen klinischen Symptomen wie Spannung der Haut und Pulslosigkeit sehr wichtige Leitsymptome.

  • RA-Verfahren und eine systemische Schmerztherapie könnten gleichermaßen das Leitsymptom „Schmerz“ maskieren. Eine Diagnostik des Kompartmentsyndroms ist auch unter laufender kontinuierlicher RA möglich.

Ergänzendes Material