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DOI: 10.1055/s-0042-104481
Post-OP-Schmerz
Publication History
Publication Date:
08 April 2016 (online)
A. Johansen ging der Frage nach, inwieweit eine Beziehung zwischen chronischen postoperativen Schmerzen und individuellen Symptomangaben von Patienten sowie psychophysiologischen Tests besteht.
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81 Patienten mit oder ohne persistierende Schmerzen nach verschiedenen operativen Eingriffen nahmen an der Studie teil. Es erfolgten klinische Untersuchungen mit standardisierten Befragungen sowie quantitativ sensorischen Testungen, die 21–64 Monate nach der Operation wiederholt wurden.
Die Schmerzstärke auf der numerischen Rating-Skala betrug anfangs durchschnittlich 4/10 und 2/10 beim Kontrolltermin. Patienten mit persistierenden postoperativen Schmerzen berichteten signifikant häufiger über sensorische Abnormalitäten als Patienten ohne persistierende Schmerzen. Die Ergebnisse der quantitativen sensorischen Tests in den 2 Gruppen unterschieden sich jedoch nicht. Patientenangaben über sensorische Störungen im Operationsgebiet standen in Beziehung zu einer erhöhten Wahrnehmung der Wärmeschwelle und taktiler Schmerzschwelle bei der quantitativ sensorischen Testung. Bei 61 % der Patienten mit persistierenden postoperativen Schmerzen konnten positive Zeichen in der quantitativ sensorischen Testung für einen möglichen neuropathischen Schmerz gefunden werden.
Fazit Patientenangaben über sensorische Abnormalitäten stehen in einer engeren Beziehung zu persistierenden postoperativen Schmerzen als persistierende postoperative Schmerzen zu einer quantitativ sensorischen Testung. Große Schwankungen der Schmerzstärke und hohe Normvariabilität der sensorischen Funktion verhindern das Erkennen von gruppenspezifischen Besonderheiten.
Dr. med. Michael Kugler, Löwenstein
Dr. med. Jörg Filitz
Akutschmerzdienst, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Medizinische Hochschule Hannover


Die Studie ist ein Versuch, ein wenig Ordnung in die methodische Vielfalt der Herangehensweisen bezüglich der Frage nach Zusammenhängen zwischen Zeichen für Nervenläsionen und postoperativ persistierenden Schmerzen zu bringen. Die Autoren orientieren sich dabei an Empfehlungen aus Übersichtsarbeiten der vergangenen 10 Jahre [1–3]. Wenn man von einigen grundsätzlichen Schwächen wie der geringen Fallzahl und der hohen Heterogenität der Population absieht, zeigt der an sich präzise Ansatz, dass der saubere Nachweis für das Vorhandensein einer postoperativen Nervenläsion und damit verbundener neuropathischer Schmerzen in Ermangelung verlässlicher diagnostischer Instrumente schwierig bleibt. Es fängt damit an, dass schon die Definition persistierender postoperativer Schmerzen (PPSP) gewisse Schwierigkeiten zu bereiten scheint. Dies war auch in der Datenerhebungsphase der zugrundeliegenden Tromsø-Studie sehr deutlich erkennbar. (Die Autoren berichteten hierzu selbst.) Darüber hinaus müssen aber auch die Kriterien zur differenzierten Betrachtung eines Schmerzsyndroms kritisch gesehen werden. Klinisches Bild, Anamnese und zugehörige sensorische Testungen lassen oftmals genügend Interpretationsspielraum für neuropathische Schmerzen genauso wie für Schmerzen auf dem Boden einer persistierenden Inflammation oder durch Verletzung somatischer oder viszeraler Strukturen [1]. Das verwendete Grading-System wird zwar in Guidelines zur Erfassung neuropathischer Schmerzen genannt, jedoch findet sich dort keine klare Empfehlung zur Implementierung in standardisierte Algorithmen [3]. Darüber hinaus kann formal auch bei korrekter Anwendung des Grading-Systems ein rein nozizeptiver Mechanismus ursächlich für das zu bewertende Schmerzsyndrom verantwortlich sein. Selbst bei konkretem Nachweis sensorischer Störungen bleibt die ursächliche Zuordnung zu perioperativ gesetzten Nervenläsionen oder alternativ zu zentraler Sensibilisierung als Folge anhaltender inflammatorischer / nozizeptiver peripherer Prozesse meistens ungeklärt.
Ein weiteres Problem liegt im tatsächlichen Stellenwert der quantitativ sensorischen Testung (QST) für die Diagnose neuropathischer Schmerzen begründet. In den vergangenen Jahren wurde im Hinblick auf standardisierte Anwendung bzw. Bereitstellung von Referenzdatensätzen sehr viel Arbeit geleistet. Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass nach wie vor keine Sicherheit bezüglich der Aussagekraft besteht [4]. Die Verfügbarkeit geeigneter Referenzdaten ist begrenzt, die interindividuelle Variabilität sehr groß und zudem von Alter, Geschlecht und Stimulationsort stark abhängig. Darüber hinaus stehen „normale“ Messwerte keineswegs zwangsläufig für einen „normalen“ Befund, wenn sich gleichzeitig große intraindividuelle Abweichungen zwischen verschiedenen Stimulationsorten finden lassen. Da für die Datengüte zusätzlich eine ausgeprägte Abhängigkeit vom durchführenden Untersucher besteht, kann die QST momentan lediglich als Ergänzung zur klinischen Untersuchung dienen.
So unterstreicht die Studie, dass neben klinischer Befunderhebung und ausführlicher Anamnese v. a. die Bewertung sensorischer Phänomene mithilfe geeigneter Fragebögen einen hohen Stellenwert für die Sicherung der Diagnose „persistierender postoperativer Neuropathieschmerz“ haben kann. Für zukünftige Studien wäre es daher für eine verbesserte Vergleichbarkeit der Ergebnisse von Vorteil, validierte und international konsentierte Questionnaires in möglichst vielen Sprachen verfügbar zu haben [1, 2, 4].
1 Haroutiunian S et al. Pain 2013; 154: 95–102
2 Searle RD, Howell SJ, Bennett MI. Br J Anaesth 2012; 109: 240–244
3 Haanpää M et al. Pain 2011; 152: 14–27
4 Hansson P et al. Pain 2007; 129: 256–259
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