Der Klinikarzt 2016; 45(04): 167
DOI: 10.1055/s-0042-106218
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

An app a day keeps the doctor away

Achim Weizel
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Publication Date:
02 May 2016 (online)

Vor einiger Zeit fand sich in der Zeitschrift „The New Yorker“ ein Cartoon, in dem ein Arzt seinem Patienten folgende Mitteilung macht: „Ihre Versicherung hat sich geweigert, mir Ihre persönlichen Daten zu übermitteln. Macht aber nichts, ich habe sie mir aus dem Internet heruntergeladen.“ Die Botschaft ist klar und spiegelt ein Dilemma wider, das in den letzten Jahren immer deutlicher wird. Durch technischen Fortschritt ist es möglich, immer mehr Daten zu erheben – doch was geschieht mit ihnen? Sind wir noch Herr unserer Daten? Wer hat berechtigt (oder unberechtigt) Zugang zu unseren Daten? Und zusätzlich: Was fangen wir selbst mit unseren Daten an?

Diese Frage stellt sich konkret gerade auch im medizinischen Sektor durch den zunehmenden Einsatz der sogenannten Wearables, verbunden mit Gesundheits Apps.

Nach Definition sind Wearables kleine Computer, die man am Körper trägt. Sie sammeln Daten und geben sie in der Regel an ein Smartphone weiter, wo sie mithilfe von Apps abgelesen werden können. Zur Datensammlung werden am häufigsten Fitnessarmbänder verwendet, es können aber auch Broschen oder Implantate eingesetzt werden.

Der Markt wächst sprunghaft, praktisch alle Elektronik- und datenverarbeitenden Firmen sind hier aktiv (Google, IBM, Dell, Apple, Samsung, Telekom). Für 2017 wird ein Umsatz von 23 Milliarden Dollar erwartet.

Welche Daten werden erhoben und was geschieht mit den erhobenen Daten?

Schon in jedem iPhone findet sich eine (nicht abschaltbare) App, die die täglich zurückgelegten Schritte zählt. Weitere Apps können Kalorieneinnahme, verbrauchte Kalorien, Herzfrequenz, Blutdruck, Schlaflänge oder Körperfett messen. Die Idee hinter der Datenerhebung ist die, dass der Wearable-Träger diese Informationen zu einer Optimierung seiner Lebensweise umsetzt (z. B. Bewegung, Ernährung). So gibt es schon Apps, die den Träger durch Vibrieren darauf aufmerksam machen, wenn er sich länger nicht ausreichend bewegt hat.

Neben den individuellen Anwendern gibt es aber auch Teilnehmer im Gesundheitswesen, die hier Ansatzpunkte für Interventionen sehen. Von einer Krankenkasse wird berichtet, dass Mitglieder, die angeben, ein solches Gerät einsetzen zu wollen, von der Kasse beim Erwerb finanziell unterstützt werden. Interessant ist, dass die Kasse keinen Zugriff auf die Daten hat. Belohnt wird hier schon die Absicht, zumindest theoretisch, das gesundheitliche Risiko zu vermindern. Bei einem anderen Modell werden Ziele gesetzt und bei Erreichen dieser Ziele Bonuspunkte verteilt. Dieser Ansatz wird von Ärzten verurteilt, da es hierdurch zu einer Desolidarisierung der Versicherten kommt und die Lasten zu Ungunsten der wirklich Kranken verschoben werden. Die Zukunft wird zeigen, ob die Kostenträger auf diesem Markt in größerem Maße „einsteigen“ werden.

Wie sieht es bei der individuellen Nutzung aus? Ausgangspunkt ist auf jeden Fall der gute Wille, etwas für seine Gesundheit zu tun. Die Anbieter können hier mit der Technikgläubigkeit und der Vertrautheit, teilweise geradezu der Abhängigkeit der Benutzer von ihren Smartphones rechnen, eine Schwellenangst gibt es daher nicht.

Allerdings hat man schon einen Gewöhnungseffekt festgestellt. Nur 10 % der Wearable-Träger nutzen das Gerät regelmäßig, 30 % sind nach einem Vierteljahr „ausgestiegen“. Technik hin, Technik her, letztendlich läuft es, wie bei allen anderen Versuchen, gesundheitsbewusst zu leben, darauf hinaus, ob der Betroffene die Energie aufbringt, die Konsequenzen, die sich aus den Daten ergeben, auch in die Tat umzusetzen. Insofern unterstützen die neuen Techniken im besten Fall die Motivation, die Umsetzung wird damit nicht einfacher. Der alte Vorschlag: „an apple a day keeps the doctor away“ (anstelle einer App), war zumindest billiger.