ergopraxis 2016; 9(10): 8
DOI: 10.1055/s-0042-115010
Gesprächsstoff
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Aktuelles


Subject Editor:
Further Information

Publication History

Publication Date:
07 October 2016 (online)

Nur in Deutschland zweifelt man am Mehrwert einer akademischen Ausbildung

Zoom Image
Prof. Dr. Anne Friedrichs, Präsidentin der Hochschule für Gesundheit Bochum
Abb.: hsg/Volker Wiciok; Hochschule Fresenius)
Zoom Image
Prof. Dr. Birgit Schulte-Frei, Dekanin des Fachbereichs Gesundheit und Soziales der Hochschule Fresenius

Obwohl der Bericht des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zu dem Ergebnis kommt, dass die primärqualifizierenden Studiengänge in der Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und Hebammenkunde sich bewährt haben und deshalb auf Dauer wünschenswert und machbar sind, zieht das BMG daraus einen völlig unverständlichen Schluss: Die Modellphase soll um weitere zehn Jahre verlängert werden. Das ist wie: ein gutes Zeugnis erhalten und trotzdem sitzenbleiben.

Wir, die wir diese Studiengänge seit Jahren erfolgreich anbieten, sind über diese Empfehlung entsetzt und enttäuscht.

International hat sich längst die Erkenntnis durchgesetzt, dass die zunehmende Komplexität im Gesundheitssystem und der sich verändernde Versorgungsbedarf Kompetenzen erfordern, welche nur in einem Hochschulstudium vermittelt werden können. Nur in Deutschland zweifelt man am Mehrwert einer akademischen Ausbildung der Gesundheitsfachberufe.

Wenn die verlängerte Modellphase tatsächlich umgesetzt wird, würde das Hochschulen, Lehrenden und Studierenden erheblich schaden. Mit einer Verlängerung der Modellklauseln, zumal um zehn Jahre, wäre eine Chance vertan, die Studiengänge jetzt in den Regelbetrieb der Hochschulen zu überführen und die ohnehin dringend reformbedürftigen Berufsgesetze an die hochschulische Ausbildung anzupassen. Wir wären gezwungen, in einem Schwebezustand zu verharren und das Studium auf viele Jahre weiterhin mit den zum Teil sehr hinderlichen und qualitätsmindernden Einschränkungen durch die bestehenden Berufsgesetze durchzuführen. Diese Situation wäre für alle Beteiligten sehr frustrierend.

Möglicherweise fürchtet man im BMG, dass es nicht möglich ist, die für die Einführung von Regelstudiengängen notwendige umfassende Reform der Berufsgesetze zeitlich bis zum Auslaufen der Modellklauseln Ende 2017 zu realisieren. Dabei enthalten die vorgelegten Evaluationen dazu konkrete Vorschläge, die auch im Bericht des BMG aufgeführt sind. Auf der Grundlage könnte man gemeinsam mit den Hochschulen und Berufsverbänden rasch zu verwertbaren Ergebnissen gelangen. Die Entscheidung über die Zukunft der primärqualifizierenden Studiengänge trifft das Parlament. Daher hoffen und erwarten wir, dass die Bundestagsabgeordneten, besonders im Gesundheitsausschuss, die positiven Evaluationsergebnisse zum Anlass nehmen, die Modellklauseln abzuschaffen, statt sie zu verlängern, und somit reguläre Studiengänge zu ermöglichen.

Prof. Dr. Anne Friedrichs und Prof. Dr. Birgit Schulte-Frei