Z Orthop Unfall 2016; 154(05): 434
DOI: 10.1055/s-0042-115427
Für Sie gelesen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Obere Wirbelsäulenfrakturen – Densfraktur des älteren Patienten – wie operieren?

Contributor(s):
Nicolaus Ch. Hacker
Josten C, Jartvers S, Glasmacher S et al.
Anterior transarticular atlantoaxial screw fixation in combination with dens screw fixation for type II odontoid fractures with associated atlanto-odontoid osteoarthritis.

Eur Spine J 2016;
25: 2210-2217
Further Information

Korrespondenzadresse

Nicolaus Ch. Hacker
Universitätsmedizin Rostock
Abteilung für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie

Publication History

Publication Date:
11 October 2016 (online)

 

Die Typ-II Fraktur des Dens axis stellt eine der häufigsten oberen Wirbelsäulenfrakturen dar, besonders bei älteren Patienten. Für junge Patienten mit guter Knochenstruktur und Festigkeit ist die einfache oder Doppelverschraubung eine übliche Therapieoption. Uneinigkeit herrscht hingegen bei der idealen Therapie für das ältere Patientenkollektiv.

Josten C, Jartvers S, Glasmacher S et al. Anterior transarticular atlantoaxial screw fixation in combination with dens screw fixation for type II odontoid fractures with associated atlanto-odontoid osteoarthritis. Eur Spine J 2016; 25: 2210 – 2217


#

Josten et al. untersuchten das 1-Jahres-Outcome bei älteren Patienten mit einer Densfraktur vom Typ II nach Anderson und D'Alonzo nach akuten Trauma und der atlantoaxialen Arthrose (AO). Die Therapie erfolgte durch eine operative Versorgung per TAFOF (transarticular atlantoaxial fixation and odondoid fusion) von ventral.

Methoden

Die Studie erfolgte monozentrisch, die Daten wurden retroperspektiv zwischen 06/2008 – 08/2013 erhoben. Eingeschlossen wurden alle Patienten, die älter als 70 Jahre waren („old“: 70 – 84 Jahre und „very old“: > 85 Jahre). Die eingeschlossenen Patienten hatten eine traumatische Densfraktur vom Typ II erlitten und es lag eine AO mit operativer Therapie vor. Einschlussparameter waren: geschlossenen anatomische Reposition vor der operativen Transfixation, eine traumatische Fraktur und AO ohne neurologische Ausfälle, OP-Fähigkeit des Patienten, Dens-Dislokation in Reklinationsstellung von weniger als 2 mm und OP binnen 3 Wochen nach der Indikationsstellung. Ausschlusskriterien waren rheumatoide Arthritis, angeborene Anomalien oder Tumorerkrankungen der oberen Wirbelsäule, ein neurologisches Defizit nach dem Trauma, wie auch Kontraindikationen zur ventralen Stabilisierung. Bei allen Patienten wurde vor der OP eine konservative Röntgenuntersuchung der Halswirbelsäule (HWS), eine Denszielaufnahme wie auch eine Computertomografie und eine Angiografie der HWS durchgeführt. Es erfolgte die Densfixierung mit 2 Schrauben, bei Platzmangel erfolgte die Densfixierung mit einer Schraube und atlantoaxialer Fixation. Die klinische als auch radiologische Nachuntersuchung erfolgte nach einem Jahr.


#

Ergebnisse

Insgesamt wurden 83 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 84,7 (70 – 101) Jahren eingeschlossen. Der Frauenanteil lag bei 69 %. Bei 36 Patienten wurde eine TAFOF mit 4 Schrauben durchgeführt, bei 47 Patienten war nur 1 Densschraube möglich.

Die mittlere Verweildauer betrug 17,8 Tage, 2,4 Tage davon auf der IMC (Zwischenpflege). Drei Patienten (3,6 %) verstarben während des stationären Aufenthalts. Bei 20 Patienten (24,1 %) erfolgte keine Nachkontrolle nach einem Jahr. Die 1-Jahres-Mortalität betrug 25,4 % mit einer deutlich höheren Mortalitätsrate in der Gruppe (> 85 Jahre) (p = 0.01). Das durchschnittliche Schmerzlevel betrug 3,3. Die Patientenzufriedenheit wurde mit 6,5 angegeben. Die knöcherne Konsolidierung wurde bei 90,2 % erreicht, die OP-Revisionsrate lag bei 3,6 %. Es wurde in der Studie festgestellt, dass grundsätzlich die Komplikationsrate bei der Osteosynthese des Dens (TAFOF) mit 3 Schrauben (1 Dens-Schraube) höher war als bei der Fixierung mit 4 Schrauben (p = 0,042). Zudem gab es mehr asymptomatische Schraubenlockerungen bei der TAFOF mit 3 Schrauben (p = 0,063). Die TAFOF über den anterioren Zugang zeigt vielversprechende Ergebnisse bei hoher Konsolidierungsrate und geringer intrahospitaler Mortalität auch bei älteren Patienten. Die Doppelschrauben-Osteosynthese scheint die Komplikationsrate zu senken.


#

Kommentar

Eine der wesentlichen Aussagen der Autoren ist, dass die 4-fach-Verschraubung der 3-fach-Verschraubung überlegen ist. Die Entscheidung ob 1 oder 2 Schrauben platziert werden können, ist von den anatomischen Gegebenheiten und der Entscheidung des Operateurs abhängig. Somit ist der entscheidende Faktor für den Erfolg des untersuchten OP-Verfahrens bereits vor der OP durch die Breite des Dens offensichtlich definiert.

Die Konsolidierungsrate mit 90,2 % liegt deutlich über den Ergebnissen einer internationalen prospektiven Metastudie [1] von 70 %, in der die Überlegenheit der posterioren Arthrodese der Densverschraubung beschrieben wurde.

Eine retrospektive Datenerhebung über 5 Jahre mit 83 eingeschlossenen Patienten stellt ein kleines Kollektiv dar. Zudem fehlt es an einer Kontrollgruppe. Ebenso schränkt das monozentrische Design den Kreis der Operateure erheblich ein. Somit dürften die Fertigkeiten der einzelnen Operateure erheblichen Einfluss auf das Ergebnis haben. Dass eine deutlich ältere Patientengruppe ein schlechteres Outcome aufweist, ist nicht unerwartet. Die Morbidität, im Falle einer konservativen Therapie, würde sich sicher ebenso ungleich in den beiden Gruppen verteilen. Eine randomisierte Studie wäre hier wünschenswert, bei der geringen Fallzahl wäre hier ebenso ein multizentrisches prospektives Design zu begrüßen. Dennoch weist die Studie auf eine gute Behandlungsoption für ältere Patienten mit einer niedrigen Morbidität und einer hohen Lebensqualität hin.


#
#
  • Literatur

  • 1 Shen Y, Miao J, Li C et al. A meta-analysis of the fusion rate from surgical treatment for odontoid factures: anterior odontoid screw versus posterior C1 – C2 arthrodesis. Eur Spine 2015; 24: 1649-1657

Korrespondenzadresse

Nicolaus Ch. Hacker
Universitätsmedizin Rostock
Abteilung für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie

  • Literatur

  • 1 Shen Y, Miao J, Li C et al. A meta-analysis of the fusion rate from surgical treatment for odontoid factures: anterior odontoid screw versus posterior C1 – C2 arthrodesis. Eur Spine 2015; 24: 1649-1657