Der Klinikarzt 2016; 45(10): 438-440
DOI: 10.1055/s-0042-117599
Medizin & Management
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Hilfsmittelversorgung

Wer zahlt die Kosten für sektorübergreifende Hilfsmittelverordnungen von Krankenhäusern?
Isabel Häser
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Korrespondenz

Dr. iur. Isabel Häser
Rechtsanwältin Fachanwältin für Medizinrecht
Haimhauser Str. 1
80802 München

Publication History

Publication Date:
18 October 2016 (online)

 

Kommen Hilfsmittel (wie z.B. Orthesen, Verbandsschuhe, Fußteil-Entlastungsschuhe etc.) bereits während des stationären Aufenthalts zur Anwendung und werden danach im ambulanten Bereich von den Patienten noch weiter benötigt, stellt sich die Frage nach der Kostentragung. Es gibt mittlerweile Hunderte von Klagen gegen Krankenhäuser, die derartige Hilfsmittelverordnungen vorgenommen haben. Jetzt gibt es die ersten Urteile.

Die Streitfrage lautet: Sind derartige Kosten in den DRG bereits enthalten oder dürfen Krankenhäuser die Verordnungen zulasten der Krankenkassen außerhalb der DRG vornehmen?


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Sozialgericht Berlin – Etappensieg für Krankenhäuser

Eine Krankenkasse hatte gegen einen Krankenhausträger geklagt, weil das Krankenhaus der Klägerin für die Versorgung mit Hilfsmitteln gesonderte Verordnungen auf eigens hierfür vorgesehenen Rezeptvordrucken ausgestellt hatte. Die Patienten wurden auf Grundlage dieser Verordnungen von Sanitätshäusern mit Hilfsmitteln versorgt. Die Sanitätshäuser wiederum rechneten direkt mit der Krankenkasse ab. Die Krankenkasse bezahlte diese Rechnungen.

Zusammen mit dem MDK führte diese Krankenkasse im Jahr 2013 deutschlandweit eine großflächige Prüfung über die Verordnungen von Hilfsmitteln, die üblicherweise sowohl während als auch nach dem stationären Aufenthalt zum Einsatz kommen, durch. In der Konsequenz forderte die Krankenkasse von der Klägerin die Rückzahlung bereits geleisteter Hilfsmittelvergütungen für ca. 3 Jahre in Höhe einer fünfstelligen Summe. Ihrer Auffassung nach seien die Hilfsmittel Krankenhausleistungen und hätten nicht gesondert verordnet werden dürfen. Einen Teil der Summe verrechnete die Krankenkasse mit anderen fälligen Vergütungsforderungen der Klägerin. Für einen anderen Teil verzichtet die Klägerin auf die Einrede der Verjährung, sodass keine Verrechnung erfolgte. Die Krankenhausträgerin klagte daraufhin auf Rückerstattung des verrechneten Betrages und Feststellung, dass der Beklagten kein Zahlungsanspruch für von der Klägerin veranlasste Hilfsmittelversorgungen für den streitigen Zeitraum zusteht.

Das SG Berlin gab der Klägerin Recht (Urteil vom 11.04.2016, Az.: S 81 KR 1181/14). Der Beklagten habe weder der aufgerechnete Zahlungsanspruch noch der weitere geltend gemachte Zahlungsanspruch zugestanden.


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Keine schuldhafte Pflichtverletzung des Krankenhauses

Als Rechtsgrundlage käme für die Aufrechnung bzw. Forderung der Beklagten nur ein Schadenersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB in entsprechender Anwendung i.V.m. § 69 Abs. 1 S.3 SGB V in Betracht.

§ 280 Abs. 1 BGB
Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

Voraussetzung für den Anspruch wäre, dass eine schuldhafte Pflichtverletzung der Klägerin vorliegt. Die Klägerin habe durch die Verordnung der Hilfsmittel jedoch keine schuldhafte Pflichtverletzung begangen, so das Gericht.


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Stationärer Aufenthalt aus Verordnung erkennbar

Die Beklagte habe die als solche zweifelsfrei erkennbaren und nicht auf den im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zu verwendenden Vordrucken ausgestellten Hilfsmittelverordnungen der Klägerin dem Grunde nach stets akzeptiert und akzeptiere diese nach wie vor, soweit es sich um Hilfsmittel handele, die ausschließlich für den poststationären Einsatz vorgesehen seien und die auch nach der Ansicht der Beklagten nicht den allgemeinen Krankenhausleistungen zuzurechnen sind. Auch eine Täuschung des Sanitätshauses oder der Beklagten darüber, dass eine stationäre Krankenhausbehandlung stattfinde, lag nach Auffassung des Gerichts nicht vor. Vielmehr war durch den eigenen Rezeptvordruck von vornherein erkennbar, dass es sich um eine Verordnung des Krankenhauses selbst handelte und die Versicherten zum Zeitpunkt der Verordnung im Krankenhaus stationär behandelt wurden.


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Keine konkrete gesetzliche oder vertragliche Regelung

Das Gericht lässt letztlich die Frage offen, ob die Tatsache, dass die Klägerin die Hilfsmittel nicht auf eigene Kosten selbst beschafft, sondern zulasten der Beklagten verordnet hat, eine Pflichtverletzung darstellen könnte. Denn jedenfalls könne die Klägerin in Anbetracht des Umstandes, dass es insoweit weder im Gesetz (§ 39 Abs. 1 SGB V, § 2 KHEntgG) noch in den vertraglichen Regelungen (Landesverträge nach § 112 SGB V) eine hinreichend konkrete rechtliche Grundlage für die Abgrenzung gebe und dass die Beklagte die Kosten bis zumindest 2012 jeweils beanstandungslos übernommen habe, kein Verschuldensvorwurf gemacht werden.

§ 39 SGB V (Krankenhausbehandlung)
(1) Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär (§ 115a) sowie ambulant (§ 115b) erbracht. (…) Die Krankenhausbehandlung umfaßt im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs. 1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung; (…).

§ 2 KHEntgG (Krankenhausleistungen)
(1) Krankenhausleistungen nach § 1 Abs. 1 sind insbesondere ärztliche Behandlung, auch durch nicht fest angestellte Ärztinnen und Ärzte, Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die für die Versorgung im Krankenhaus notwendig sind, sowie Unterkunft und Verpflegung; (…).


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Nur für stationären Gebrauch: DRG

Anhand der gesetzlichen Regelungen sei auch zwischen den Parteien unstreitig, dass bei Versorgung mit Hilfsmitteln, die ausschließlich im Krankenhaus benötigt würden, eine Abgeltung über die DRG korrekt ist.


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Entlassmanagement: keine Krankenhausbehandlung

Ebenfalls sei unstreitig, dass Hilfsmittel, die, wenn sie allein für die Zeit nach der Entlassung benötigt würden und lediglich die Anpassung und Gebrauchsunterweisung bereits im Rahmen des sogenannten Entlassmanagements im Krankenhaus erfolge, nicht Bestandteil der Krankenhausbehandlung sind. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass diese Regelungen erst in Kraft treten, wenn der erforderliche Rahmenvertrag vorliegt.


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Sektorübergreifene Versorgung nicht konkret geregelt

Die in Frage stehenden Hilfsmittel, die sowohl während als auch nach Beendigung der stationären Behandlung zum Einsatz kommen, seien zwar unstreitig (auch schon) für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig, sodass man sie bei alleiniger Betrachtung des Wortlautes des § 2 Abs. 1 KHEntgG als hiervon erfasst ansehen könnte, so das Gericht.

Allerdings könne man den Gesetzeswortlaut auch dahin verstehen, dass die Hilfsmittelversorgung nur solange Teil der Krankenhausleistung sei, solange das Krankenhaus die vollstationäre Behandlung durchführe. Vor diesem Hintergrund könne es nicht zweifelhaft sein, dass in dem Fall, in dem sich die Kosten einer Heil- bzw. Hilfsmittelversorgung zeitlich genau abgrenzen ließen, etwa weil die Vergütung tageweise abgerechnet wird, das Krankenhaus nur die bis zur Entlassung anfallenden Kosten zu übernehmen habe und die nach der Entlassung anfallenden Kosten der ambulanten Versorgung von der Krankenkasse zu übernehmen seien. Problematisch seien die hier streitigen Fälle allein deshalb, weil die Kosten der sektorenübergreifenden Hilfsmittelversorgung nur einmalig anfielen. Insoweit ließe sich aber weder dem Wortlaut der gesetzlichen Regelungen noch der maßgeblichen Gesetzesbegründungen ein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass diese Kosten nur deshalb insgesamt vom Krankenhaus zu tragen sein sollten, weil das Hilfsmittel dort erstmalig zum Einsatz komme.

Das Gericht weist allerdings auch darauf hin, dass sich im Gesetz genauso wenig ein Anhaltspunkt für eine Abgrenzung nach dem zeitlichen Schwerpunkt des Einsatzes des Hilfsmittels feststellen ließe, was die Argumentation der Klägerin war.

Auch die (landes-)vertraglichen Regelungen würden die sektorübergreifende Hilfsmittelversorgung nicht eindeutig regeln.

Die Klägerin habe sich daher mit guten Argumenten auf den Standpunkt stellen können, dass die Hilfsmittel im Hinblick auf den schwerpunktmäßigen poststationären Einsatz nicht als allgemeine Krankenhausleistungen anzusehen waren. Insbesondere habe die Krankenkasse anhand der gesonderten Verordnungen die Möglichkeit und letztlich die Pflicht, das Bestehen des Sachleistungsanspruchs des Versicherten zu prüfen. Dies habe sie durch diverse Kostenübernahmeerklärungen bzw. freiwilligen Verzicht auf ihr Recht zur Prüfung auch wahrgenommen.

Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass selbst für den Fall, dass man eine schuldhafte Pflichtverletzung der Klägerin bejahen würde, der Beklagten im Hinblick auf die unterlassene Prüfung der Verordnungen bzw. die beanstandungslose Hinnahme der für die ohne weiteres erkennbaren Verordnungspraxis über die Jahre hinweg jedenfalls ein erhebliches Mitverschulden träfe.

Außerdem sei auch ein Schaden der Beklagten höchst zweifelhaft. Selbst, wenn man davon ausginge, die Klägerin hätte die Verordnungen nicht vornehmen dürfen, so hätte sie die Hilfsmittel ggf. den Versicherten bei Entlassung wieder abnehmen und ggf. wiederverwerten oder die Versicherten während der Dauer des stationären Aufenthalts anderweitig (preiswerter) versorgen können. Dann wären für die poststationäre Versorgung der Beklagten voraussichtlich dieselben Kosten entstanden, die sie hier nun als Schaden geltend mache.

Gegen das Urteil wurde von der Krankenkassen Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt (L 1 KR 217/16).


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SG Nürnberg – Urteil zugunsten der Krankenkasse

Völlig konträr (bei nahezu identischem Sachverhalt) entschied das SG Nürnberg (Urteil vom 09.07.2015, Az.: S 7 KR 197/14). Auch hier rechnete die Krankenkasse Hilfsmittelkosten gegen Vergütungen des Krankenhauses auf. Die Klage des Krankenhauses wurde jedoch abgewiesen.


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Pflichtverletzung liegt vor

Auch hier ging das Gericht als Rechtsgrundlage von § 280 BGB in entsprechender Anwendung aus. Es sah jedoch die Pflichtverletzung als erfüllt an. Das Krankenhaus habe gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen. Die maßgebliche vertragliche Regelung lautete:

„Hilfsmittel, die für die Zeit nach dem Krankenhausaufenthalt bestimmt sind und nicht Bestandteil der allgemeinen Krankenhausleistungen sind, jedoch bereits zum Zeitpunkt der Entlassung benötigt werden, können vom Krankenhausarzt verordnet werden.“

Vorliegend seien von Ärzten der Klägerin Hilfsmittel verordnet worden, obwohl diese – zumindest auch – während des Krankenhausaufenthaltes benötigt worden seien. Aus Sicht der Kammer werde durch diese Regelung deutlich, dass Hilfsmittelversorgungen nur dann zulasten der gesetzlichen Krankenkasse verordnet werden dürften, wenn diese sowohl für die Zeit nach dem Krankenhausaufenthalt bestimmt sind als auch erst zum Zeitpunkt der Entlassung benötigt werden. Werde ein Hilfsmittel schon früher zur Behandlung im Krankenhaus selbst benötigt, dann müsse der Krankenhausträger dieses dem Versicherten im Rahmen der stationären Krankenhausbehandlung zur Verfügung stellen.

Gemäß § 39 Abs. 1 SGB V habe ein Versicherter gegen seine Krankenkasse Anspruch auf (voll-, teil-, vor- und nachstationäre bzw. ambulante) Krankenhausbehandlung. Die Einordnung von Leistungen als voll- oder teilstationäre Krankenhausleistungen habe im Verhältnis zum behandelnden Krankenhaus aber zur Folge, dass diese Leistungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz bzw. der Pflegesatzverordnung vergütet würden.

Der Begriff der Krankenhausleistung nach dem Krankenhausentgeltgesetz sei identisch mit dem der Krankenhausbehandlung im Sinne des § 39 Abs. 1 S. 3 SGB V. Beide Regelungsbereiche verstünden darunter übereinstimmend alle voll- und teilstationären Leistungen des Krankenhauses, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung des Versicherten im Krankenhaus notwendig seien. In die Aufzählung des Inhalts der Krankenhausleistungen sowohl in § 39 Abs. 1 S. 3 SGB V als auch § 2 Abs. 1 Krankenhausentgeltgesetz seien auch die Hilfsmittel eingeschlossen. Daher gehöre auch die Versorgung mit Hilfsmitteln zur Krankenhausleistung, soweit sie für die Versorgung im Krankenhaus notwendig sei. Der Umfang der Krankenhausbehandlung bestimme sich nach diesen Vorschriften im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit und dem Versorgungsauftrag des Krankenhauses.

Werde der Patient im Krankenhaus mit Hilfsmitteln versorgt, die für die Versorgung im Krankenhaus notwendig seien, so seien diese gegenüber dem Krankenhaus gemäß §§ 1 Abs. 1, 2 Ab. 1 KHEntgG mit den Krankenhausentgelten abgegolten.


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Sektorübergreifende Hilfsmittel sind Krankenhausleistung

Nach Auffassung der Kammer würden auch jene Hilfsmittel Krankenhausleistungen darstellen, die der Versicherte zwar während einer stationären Behandlung erhält, diese aber nach seiner Entlassung mit nach Hause nehme. Das Gesetz unterscheide hier nicht zwischen den zum Verbrauch im Krankenhaus und den zum längerfristigen Gebrauch außerhalb des Krankenhauses erforderlichen Hilfsmitteln.


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Keine Differenzierung nach Schwerpunkt

Nach Auffassung des Gerichts sei nicht zu differenzieren, worauf der Schwerpunkt der Versorgung des Versicherten mit einem Hilfsmittel liege. Zwar sei nicht zu bestreiten, dass die Behandlungsmaßnahme „Versorgung mit einem Hilfsmittel“ im Krankenhaus noch nicht abgeschlossen und die ambulante Versorgung des Patienten gerade nach der Entlassung aus dem Krankenhaus nach wie vor notwendig sei. Unstreitig seien die streitgegenständlichen Hilfsmittel sämtlich zumindest auch zur Behandlung im Krankenhaus notwendig gewesen. Ohne diese Hilfsmittel hätte die Krankenhausbehandlung nicht in adäquater Weise durchgeführt werden können. Werde ein Hilfsmittel jedoch bereits zur Behandlung im Krankenhaus benötigt, dann müsse das Krankenhaus den Versicherten – zumindest für die Dauer der Behandlung im Krankenhaus – mit diesem versorgen.

Somit seien die streitgegenständlichen Hilfsmittel nicht erst – wie es der oben zitierte Vertrag voraussetzt – bei der Entlassung im Krankenhaus benötigt worden. Die Kammer teile hier die Rechtsauffassung der Beklagten, dass darunter solche Hilfsmittel fallen, die im Krankenhaus noch nicht benötigt werden, dem Versicherten aber übergangslos bei seiner Entlassung zur Verfügung stehen müssen wie die von der Beklagten aufgeführten Rollstühle, Toilettensitzerhöhungen bzw. -stühle, Pflegebetten, Greif- bzw. Anziehhilfen usw.

Im Ergebnis seien von den Ärzten der Klägerin daher Hilfsmittel entgegen der vertraglichen Regelung verordnet worden, obwohl sie schon vor der Entlassung notwendig gewesen seien. Vorliegend habe die Klägerin gewusst, dass sich die Versicherten in vollstationärer Behandlung befanden. Sie habe auch gewusst, dass die streitgegenständlichen Hilfsmittel bereits für die Dauer zur Behandlung benötigt wurden. Sie habe daher zumindest fahrlässig gegen ihre vertraglichen Pflichten verstoßen.

Das Urteil ist offensichtlich rechtskräftig geworden.


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Kritik

Das Urteil der SG Nürnberg verschließt letztlich die Augen vor der Problematik, dass ein Großteil der verordneten Hilfsmittel – bereits aufgrund der kurzen Verweildauern – schwerpunktmäßig im ambulanten Bereich eingesetzt wird, ein kurzfristiger Einsatz im Krankenhaus jedoch unerlässlich sein kann. So eindeutig, wie das SG Nürnberg den Gesetzes- bzw. Vertragswortlaut verstanden haben will, ist der Wortlaut wohl nicht zu verstehen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Urheber des Vertrages bei der Formulierung sich möglichweise der Problematik der sektorübergreifenden Hilfsmittelversorgung gar nicht bewusst waren. Ein weiteres bayerisches Sozialgericht (SG Landshut, Urteil vom 26.11.2015, Az.: S 1 KR 140/14) kommt daher auch zu einem anderen Ergebnis. Werden Hilfsmittel auch nach der Entlassung benötigt, um den Erfolg der Behandlung zu sichern, seien sie damit Teil der ambulanten Versorgung. Dass sie bereits im Krankenhaus angepasst und für einen kurzen Zeitraum verwendet würden, mache sie nicht zu „allgemeinen Krankenhausleistungen“ im Sinne der landesvertraglichen Regelung.


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Fazit: Widerstreitende Urteile – Rechtsunsicherheit bleibt zunächst bestehen

„Drei Juristen, vier Meinungen“, so lautet ein gängiger Scherz. Auch in der Streitfrage der sektorübergreifenden Hilfsmittelversorgung gibt es sich widersprechende Urteile. Fakt ist, dass es bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu gibt. Das neue Urteil des SG Berlin lässt zumindest eine leise Hoffnung zu, dass sich langfristig vielleicht eine für die Krankenhäuser positive Rechtsprechung etablieren könnte. Sicher ist dies allerdings keinesfalls. Aufgrund der Rechtsprechung des SG Berlin sollten Krankenhäuser sich gegen Forderungen dieser Art von Krankenkassen wehren. Empfehlenswert erscheint auch, bis zur höchstrichterlichen Klärung, bei Aufforderung durch die Krankenkassen, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, um so ggf. zu verhindern gegen eine Aufrechnung als Krankenhaus klagen zu müssen. Zweifelhaft erscheint allerdings, sich als Krankenhaus ab 2013 auf die ursprüngliche jahrelange „Duldung“ durch die Krankenkasse zu berufen; diese Argumentation wird wohl nur noch für „Altfälle“ von Bedeutung sein. Aktuelle sektorübergreifende Verordnungen müssen leider immer unter der Prämisse einer möglichen Rückforderung durch die Krankenkasse erfolgen.


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Dr. iur. Isabel Häser
Rechtsanwältin Fachanwältin für Medizinrecht
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