mit Kommentar
Tamsulosin trägt bei Kindern nicht zur besseren Ausscheidung von Nierensteinfragmenten
nach ESWL bei. Zu diesem Ergebnis kommt die randomisierte Studie mit insgesamt 120
Kindern im medianen Alter von dreieinhalb Jahren (1–13 Jahre) mit medianer Steingröße
von 1,2 cm (0,6–2,2 cm).
Einschlusskriterium war ein in der Bildgebung (Sonografie, Nativ-Röntgen, CT) gesicherter
unilateraler singulärer Nierenbeckenstein. Jeweils 60 Kinder wurden einer von zwei
Gruppen zugewiesen:
-
nach der ESWL tägliche Gabe von Tamsulosin in einer Dosierung von 0,01 mg / kg über
3 Wochen (Gruppe 1)
-
keine Gabe von Tamsulosin (Gruppe 2)
Die ESWL erfolgte in Allgemeinanästhesie mit vergleichbaren technischen Einstellungen.
Alle Kinder erhielten nach der Intervention Paracetamol 15 mg/kg alle 8 Stunden über
5 Tage. Beurteilt wurde die Steinfreiheit mittels Sonografie nach 3 und 6 Wochen,
steinfrei war dabei definiert als Fehlen von Fragmenten >3 mm Durchmesser und keine
Erweiterung des Nierenbeckenkelchsystems. Bei nachweisbaren Fragmenten 6 Wochen nach
der Erst-ESWL erfolgte eine zweite ESWL-Sitzung, nach weiteren 7–10 Wochen ggf. eine
Ureteroskopie mit Extraktion der Steinreste.
Die Wissenschaftler fanden keine Unterschiede bei der Steinfreiheitsrate zwischen
den beiden Gruppen. Die Rate betrug insgesamt 82,5% nach der ersten und 100% nach
der zweiten Sitzung. Steinfragmente wurde nach der ersten ESWL bei 6 Kindern in Gruppe
1 und bei 8 Kindern in Gruppe 2 gefunden.Komplikationen traten bei 14,2% der Patienten
auf und umfassten eine fieberhafte Pyelonephritis bei jeweils einem Kind pro Gruppe,
die konservativ beherrschbar war, sowie Hämaturien über mehr als 1 Tag bei 9 Kindern
der Gruppe 1 und 6 Kindern der Gruppe 2. Subkapsuläre oder perirenale Hämatome wurden
nicht beobachtet. In der multivariaten Analyse errechneten sich als einzige unabhängige
Prädiktoren für eine Steinfreiheit nach einer ESWL-Intervention die Größe der Steine
und die Sichtbarkeit im Nativröntgenbild.
Nach diesen Daten verbessert die zusätzliche Gabe von Tamsulosin bei Kindern nicht
die Ausscheidung der Steinfragmente nach ESWL, fassen die Autoren zusammen. Möglicherweise
liegt das auch an den bei Kindern elastischeren Ureteren, sodass die Steinaustreibung
problemlos auch ohne medikamentöse Unterstützung gelingt. Kleinere Steine sprachen
wie erwartet besser auf eine einmalige ESWL an, ebenso röntgendichte Steine. Zukünftige
Studien sollten untersuchen, inwieweit die exakte chemische Zusammensetzung der Steine
das Ansprechen auf die ESWL beeinflusst.
Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim
Kommentar
Tamsulosin bei Kindern nach ESWL ohne Effekt
Der Einsatz von Tamsulosin bei Urolithiasis zur medikamentösen expulsiven Therapie
wird in der Literatur aktuell viel diskutiert. Diese Standardtherapie bei Erwachsenen
hat bei Kindern bisher eine geringe Evidenz, obwohl die Wirksamkeit der Alphablocker,
insbesondere Tamsulosin, beschrieben ist [1]–[2]. Ein Review über den Einsatz von Tamsulosin bei Kindern zeigte einen positiven Effekt
auf die Steinpassage bei Kindern und keine Nebenwirkungen durch die Medikamenteneinnahme
[3].
In diesem Studiendesign wurden die Patienten nach strengen Selektionskriterien in
2 Gruppen a 60 Kindern randomisiert. Das Nachsorgeschema und die Dokumentation der
Restkonkremente wurde u. a. durch low-dose Stein-CTs durchgeführt, um so eine genaue
Evaluation möglicher Restfragmente zu bekommen. Hier wurde besonderen Wert auf die
Steinfreiheit gelegt, welche bei Restfragmenten <3 mm und keiner Dilatation des Hohlsystems
ebenfalls sehr genau gehandhabt wurde.
Als Schwäche der Studie kann die fehlende Steinanalyse der behandelten Konkremente
genannt werden. Hier wäre interessant gewesen, ob ein Zusammenhang zwischen der zweiten
notwendigen ESWL und der Steinzusammensetzung dargestellt werden könnte. Als weitere
Limitation erwähnt der Autor eine fehlende dritte placebokontrollierte Gruppe zur
Komplettierung der Studie.
Shahat et al. zeigt klar, dass bei Kindern nach ESWL eine Therapie mit Tamsulosin
keinen Vorteil gegenüber der alleinigen Gabe von Paracetamol bzgl. der Steinpassage
gibt. Auch wenn ältere Studien gegenteilige Ergebnisse zeigten, besteht insgesamt
keine eindeutige Evidenz über den Nutzen der Alphablocker-Therapie bei Kindern.
Bei Kindern nach Stoßwellentherapie bei Nephrolithiasis ist eine Therapie mit Tamsulosin
nicht sinnvoll. Bei komplexen Fällen kann diese dennoch hilfreich sein und sicher
eingesetzt werden.
Dr. Marie-Claire Rassweiler, Mannheim