Rofo 2017; 189(03): 239-246
DOI: 10.1055/s-0042-118884
Quality/Quality Assurance
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Analyse radiologischer Röntgendemonstrationen und deren Auswirkungen auf Therapie und Behandlungskonzepte in der Inneren Medizin

Article in several languages: English | deutsch
Lena-Marie Dendl
1   Department of Radiology, University Hospital Regensburg, Germany
,
Andreas Teufel
2   Department of Internal Medicine 1, University Hospital Regensburg, Germany
,
Stephan Schleder
1   Department of Radiology, University Hospital Regensburg, Germany
,
Janine Rennert
1   Department of Radiology, University Hospital Regensburg, Germany
,
Christian Stroszczynski
1   Department of Radiology, University Hospital Regensburg, Germany
,
Martina Mueller-Schilling
2   Department of Internal Medicine 1, University Hospital Regensburg, Germany
,
Andreas G. Schreyer
1   Department of Radiology, University Hospital Regensburg, Germany
› Author Affiliations
Further Information

Correspondence

Dr. Lena-Marie Dendl
Department of Radiology, University Hospital Regensburg
Franz-Josef-Strauss-Allee 11
93053 Regensburg
Germany   
Phone: ++ 49/9 41/9 44 74 18   
Fax: ++ 49/9 41/9 44 74 09   

Publication History

04 September 2015

01 September 2016

Publication Date:
01 March 2017 (online)

 

Zusammenfassung

Ziel Evaluation des zeitlichen Aufwandes sowie der diagnostischen und therapeutischen Entscheidungen durch eine interdisziplinäre Röntgendemonstration.

Material und Methode Prospektive Auswertung von radiologisch-gastrointestinalen Röntgenbesprechungen eines Universitätsklinikums über 1 Jahr. Wir dokumentierten, inwieweit Vorbereitung (Phase 1) und Besprechung (Phase 2) den radiologischen Befund und weitere Diagnose und Therapie beeinflussen.

Ergebnisse Bei 69 internistischen Röntgenbesprechungen mit 487 Fällen wurden 1067 Untersuchungen demonstriert. Die durchschnittliche Vorbereitungszeit lag bei 35,8 Minuten mit 5,1 Minuten pro Fall. Während der Phase 1 wurde in 1,2 % der Fälle ein zusätzlicher relevanter, bisher nicht diagnostizierter Befund entdeckt, während sich in 91,4 % keine Befundänderung ergab. In Phase 2 wurde zu 0,6 % ein weiterer relevanter Befund entdeckt, in 99 % der Fälle wurde keine Änderung dokumentiert. Nach der gemeinsamen klinischen Diskussion wurde in 9 % der Fälle weitere radiologische Bildgebung und bei 2,7 % weitere interventionell radiologische Diagnostik indiziert, während bei 83,2 % keine Änderungen vorgenommen wurde. Bezüglich therapeutischer Veränderungen wurde bei 7 % die Indikation zur weiteren radiologischen Therapie und bei 6,8 % zur chirurgischen Therapie gestellt, bei 78,5 % erfolgte kein Wechsel des Therapieregimes.

Schlussfolgerungen Die Analyse einer radiologischen interdisziplinären Röntgendemonstration in der Inneren Medizin zeigt, dass durch die Falldiskussion mit dem Radiologen in 37,3 % eine Änderung des Behandlungskonzeptes (16,8 % Diagnose, 21,5 % Therapie) veranlasst wird. Zusammenfassend zeigen unsere Daten eine Verbesserung der Patientenversorgung und Qualität der Behandlung durch interdisziplinäre radiologische Konferenzen und unterstützen deren breite Implementierung.

Kernaussagen

  • Durch die Zweitbefundung bei der Vorbereitung von Röntgendemonstrationen wird in wenigen Fällen eine Befundänderung bewirkt.

  • Durch die „sprechende Radiologie“ bei Röntgendemonstrationen wird in über ⅓ der Fälle eine signifikante Änderung im Patientenmanagement bezgl. Diagnose und Therapie erreicht.

  • Durch Fallvorstellung eines erfahrenen Radiologen bei interdisziplinären Röntgenbesprechungen werden diagnostische und interventionelle radiologische Methoden häufig indiziert und in den Behandlungspfad implementiert.

  • „Sprechende Radiologie“ verbessert die Behandlungsqualität und Patientenversorgung.

Zitierweise

  • Dendl L. M., Teufel A., Schleder S. et al. Analysis of Radiological Case Presentations and their Impact on Therapy and Treatment Concepts in Internal Medicine. Fortschr Röntgenstr 2017; 189: 239 – 246


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Einleitung

Radiologische Röntgendemonstrationen oder Visiten sind klinische Konferenzen, in denen radiologische Untersuchungen aus der klinischen Routine von einem Radiologen den jeweiligen klinischen Partnern präsentiert werden. Im Anschluss an die jeweilige radiologische Befunddemonstration werden die Fälle zudem von den anwesenden behandelnden Ärzten diskutiert und weitere diagnostische oder therapeutische Entscheidungen getroffen. Durch das Zusammenspiel von Radiologen und patientenführenden Ärzten in diesen radiologischen Visiten bzw. Röntgendemonstrationen wird in der klinischen Routine effizient und fokussiert in einer kurzen Diskussion eine Entscheidungsfindung herbeigeführt. Dabei werden in diesen Gesprächen häufig auch weitere diagnostische oder therapeutische Maßnahmen beschlossen. Röntgendemonstrationen in klinischen Konferenzen haben als Gesprächspartner im Gegensatz zu Tumorboards lediglich zwei klinische Partner, nämlich den demonstrierenden Radiologen und den behandelnden patientenführenden Arzt. Im Gegensatz dazu sind Tumorboards multidisziplinär ausgelegt und beschränken sich aufgrund der Spezialisierung der Teilnehmer häufig auf einzelne Organregionen oder einzelne dezidierte klinische Fragestellungen [1].

Radiologische Visiten sind an Kliniken eine fest etablierte Institution, die bei größeren Fächern zum Teil täglich und mit einem ritualisierten Ablauf und Umfeld stattfinden. Obgleich Röntgendemonstrationen und Befundbesprechungen einen wichtigen und festen Bestandteil der klinischen Radiologie im Sinne der „sprechenden Radiologie“ darstellen, fehlen gegenwärtig genauere Daten, wieviel zeitliche Ressourcen die intensive Vorbereitung und Demonstration beanspruchen. Aus radiologischer Sicht stellt sich dabei die Frage, ob sich die häufig zeitintensive Vorbereitung auch ausreichend in Änderungen von Diagnose- und Therapiepfaden und somit zugunsten einer besseren Patientenversorgung abbilden. Als Radiologe bieten diese Besprechungen aber auch die Möglichkeit, zusätzliche wichtige Informationen über den Patienten zu erfahren und damit die Befundqualität und Arbeitszufriedenheit in der Radiologie durch die bessere klinische Einbindung in Diagnose- und Therapiefade zu steigern. Zusätzlich ist es für den Radiologen wichtig, weitere diagnostische und auch radiologisch therapeutische und interventionelle Entscheidungen unmittelbar in den klinischen Konferenzen indizieren oder beeinflussen zu können. Als dritter Vorteil kann eine potenzielle Verbesserung der Ergebnisqualität angenommen werden, da der radiologische Erstbefund im Rahmen der Vorbereitung durch einen weiteren erfahrenen und spezialisierten Kollegen reevaluiert wird und in einem weiteren Schritt zusätzlich in der gemeinsamen Konferenz durch das Zusammenführen aller relevanten klinischen Informationen und Kommentare der behandelnden Ärzte verbessert werden kann.

Aus den zahlreichen radiologischen Konferenzen unserer Klinik wählten wir zur weiteren Evaluation eine arbeitstäglich stattfindende Besprechung, die ein breites Feld der nicht operativen Medizin abdeckt. Ziel der Arbeit ist es nun, anhand einer systematischen prospektiven Analyse radiologischer Befunddemonstrationen in einer klinischen Konferenz der Gastroenterologie, Endokrinologie, Rheumatologie, Hepatologie, Intensivmedizin und Infektiologie an einem Klinikum der Maximalversorgung (Universitätsklinikum) zu evaluieren, inwieweit die Vorbereitung der Röntgenvisite durch den radiologischen Facharzt als zusätzliche Befundungsinstanz radiologische Befunde verbessert. In einem zweiten Teil der Analyse soll ausgewertet werden, inwieweit die radiologische Besprechung in Anwesenheit der primär patientenführenden Kollegen durch Zusammenführen aller relevanter Informationen im Gespräch noch einmal zu einer nachträglichen Veränderung im Sinne eines ergänzenden Nachtragbefundes führt und inwieweit die Röntgendemonstration das weitere diagnostische und therapeutische Vorgehen beeinflusst. Neben Aspekten der möglichen Verbesserung der Ergebnis- und Strukturqualität soll aber auch die zeitliche Beanspruchung durch radiologische Visiten und der Vorbereitung der Röntgendemonstration systematisch dokumentiert und ausgewertet werden.


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Material und Methodik

Ein positives Votum der zuständigen Ethikkommission zur Dokumentation und Auswertung der radiologischen Besprechung und deren Auswirkung auf Diagnose und Therapie liegt vor (Referenznummer 15 -160- 0287). Die prospektive Datenakquisition wurde über den Zeitraum von 12 Monaten zwischen August 2014 und August 2015 durchgeführt. Wir evaluierten dazu die werktäglich durchgeführte klinische Visite mit Röntgendemonstration der Inneren Medizin mit den Schwerpunkten Hepatologie, Gastroenterologie, Infektiologie, Endokrinologie und Rheumatologie an einem Krankenhaus der Maximalversorgung (Universitätsklinikum). Die Röntgendemonstration findet jeweils werktäglich zwischen 14:00 Uhr und 14:45 Uhr statt. Die patientenführenden internistischen Kollegen müssen dazu die für sie interessanten Fälle, die zusammen mit den Röntgenaufnahmen diskutiert werden sollen, bis spätestens 3 Stunden vor Durchführung der Röntgenbesprechung schriftlich mit Angabe des Patientennamen, der Erkrankung und Fragestellung anmelden. Die Anmeldung geschieht dabei in Papierform durch eine hausinterne Faxübertragung. Zusätzlich wird die Möglichkeit gegeben, Fremdbilder, also Bilder, die nicht in der Radiologie im Hause erstellt wurden, in der Röntgendemonstration vorzustellen und zu diskutieren. Dazu wird von radiologischer Seite gefordert, dass der Originalbefund der auswärts erstellten Bilder, die in der Regel Schnittbildverfahren wie CT oder MRT darstellen, der Anforderung beiliegt. Die Vorbereitung und Durchführung der Röntgendemonstration erfolgt durch einen radiologischen Oberarzt oder Facharzt. Bei unserer Auswertung wurden nur die Röntgendemonstrationen prospektiv in die Evaluation eingeschlossen, die von demselben, insbesondere in der Abdominalbildgebung erfahrenen, Radiologen gehalten wurden. Die nach der Röntgendemonstration durchgeführte Besprechung bezüglich der Auswirkung auf Diagnose und Therapie wurde von internistischer Seite ebenfalls von einem einzigen erfahrenen, gastroenterologisch und hepatologisch spezialisierten Internisten durchgeführt, sodass in der Datenauswertung eine Konstanz seitens der Radiologie und der Inneren Medizin angenommen werden kann.

Die Vorbereitung der radiologischen Röntgendemonstration erfolgte nach Erstellung einer Röntgendemonstrationsliste im PACS (Picture Archiving and Communication System) in der Regel etwa 2 Stunden vor Durchführung der Röntgendemonstration. Dazu wurden alle zur Demonstration gewünschten radiologischen bildgebenden Verfahren der jeweiligen Patienten vom Radiologen vorbereitet. Die hausinternen bzw. externen radiologischen Befunde wurde dazu eingesehen und es wurde eine Reevaluation des Falles sowie des weiteren diagnostischen und therapeutischen Vorgehens vorgenommen.

In der Auswertung wurde diese Vorbereitungsphase der Röntgendemonstration als Phase 1 bezeichnet. Dokumentiert wurde das Datum der Röntgenbesprechung, die Namen und Geburtsdaten der Patienten sowie die auf den Anforderungsscheinen dokumentierte(n) Grunderkrankung(en). Nach Abschluss der Studieninklusion im August 2015 gab es eine retrospektive Sortierung der häufigsten vorkommenden Fragestellungen und Erkrankungen mit anschließender Kodierung und Subsummierung mit den Überbegriffen Tumore (A), Gefäßerkrankungen (B), chronische Entzündungen und Erkrankungen (C), akute Entzündungen bzw. Abszesse (D) und radiologische Evaluation bei unklarem Fokus oder Blutung unklarere Lokalisation (E). Im Weiteren wurde in Phase 1 die Anzahl der CT-, MRT- und angiografischen Untersuchungen sowie die Vorbereitungszeit, die der Radiologe zum Sichten der Untersuchungen und zur intellektuellen Vorbereitung für jeden Patienten benötigte, prospektiv dokumentiert. Dabei wurde die benötigte Zeit zur Vorbereitung externer radiologischer Untersuchungen, die nicht im eigenen Institut angefertigt und befundet worden waren, gesondert dokumentiert. Zur Evaluation der internen und externen radiologischen Befunde erfolgte eine schriftliche Dokumentation im Rahmen der Studie. Dabei wurde bei Fehlen des schriftlichen Befundes aktueller Untersuchungen aus dem eigenen Institut ein Vermerk in der Spalte Rx ([Tab. 1]) vorgenommen. Bei identischer eigener Begutachtung mit dem vorliegenden schriftlichen Vorbefund wurde der Fall als R0 dokumentiert. Zusätzlich wurde bei klinisch nicht relevanten Nebenbefunden eine Klassifikation als R1a und bei zusätzlich relevanten Hauptbefunden als R1b vorgenommen. Wurde der vorliegende schriftliche Befund als zu sensitiv bezüglich eines Sachverhaltes betrachtet, wurde also eine Abmilderung der Diagnosen vorgenommen, erfolgte eine Dokumentation in der Spalte R2.

Tab. 1

Auswertung der Radiologischen Diagnostik – Anzahl der Änderungen (mit Prozentangabe) zum schriftlichen Vorbefund durch die Vorbereitung der Röntgendemonstration (Phase 1) und die Vorstellung und Diskussion der Fälle (Phase 2) bei 487 Fällen und 1067 radiologischen Untersuchungen über 1 Jahr.

Rx

kein schriftlicher Vorbefund vorliegend

R0

keine Änderung zum schriftlichen Vorbefund

R1a

zusätzlicher Befund (klinisch nicht relevanter Befund)

R1b

zusätzlicher Befund (klinisch relevant)

R2

„Downgrading“ zum schriftlichen Vorbefund

Phase 1

35 (7,2 %)

445 (91,4 %)

0 (0 %)

6 (1,2 %)

1 (0,2 %)

Phase 2

n/a

482 (99 %)

1 (0,2 %)

3 (0,6 %)

1 (0,2 %)

Bei Demonstration auswärtiger Aufnahmen wurde sowohl die Qualität der Bilder als auch der Befunde nach subjektiven Kriterien des demonstrierenden Arztes evaluiert. Bei AR-Qa wurden die Bilder als diagnostisch ausreichend angesehen, bei AR-Qb als nicht ausreichend, um weitere diagnostische und therapeutische Konsequenzen zu veranlassen, was zumeist die Durchführung einer Wiederholungsuntersuchung implizierte. Die auswärtigen Befunde wurden analog zum oben genannten radiologischen System der eigenen Befundung mit AR0 bei Übereinstimmung des auswärtigen Befundes mit der eigenen Meinung dokumentiert. Ansonsten erfolgte analog eine Dokumentation mit AR1 und AR2.

Die Auswertung der Phase 1 erfolgte mittels deskriptiver Statistik. So wurde sowohl die durchschnittlich benötigte Zeit für die Vorbereitung als auch die Anzahl der demonstrierten Schnittbildverfahren (CT, MRT und Angiografie) kumulativ erfasst.

Um den Einfluss der radiologischen Röntgendemonstration innerhalb der klinischen Visite zu evaluieren, wurde die sogenannte Phase 2 definiert. In der Phase 2 wurden die radiologischen Aufnahmen durch den Radiologen in der klinischen Visite demonstriert. Nach der Vorstellung des jeweiligen Patienten aus Sicht der patientenführenden Kollegen wurde dann eine Diskussion unter allen anwesenden Assistenz-, Fach- und Oberärzten sowie der Klinikleitung bezüglich des weiteren diagnostischen und therapeutischen Vorgehens geführt. Änderungen des diagnostischen und therapeutischen Vorgehens wurden von den zuständigen patientenführenden Ärzten für die Kurvenvisite schriftlich dokumentiert. Am Ende dieser 45-minütigen radiologischen Visite wurde dann vom demonstrierenden Radiologen sowie dem erfahrenen Internisten eine gemeinsame, schriftlich dokumentierte Auswertung vorgenommen, inwieweit der radiologische Befund bzw. die Röntgendemonstration das weitere diagnostische und therapeutische Vorgehen verändert hatten.

Um den Einfluss der nun komplementierten klinischen Informationen auf den radiologischen Befund zu dokumentieren, wurde die Information aus [Tab. 1] erneut bezüglich einer vorgenommenen Befundänderung zum initialen schriftlichen Befund analysiert (R0, R1a, R1b, R2, siehe oben).

Um die klinischen Auswirkungen der radiologischen Röntgendemonstration auszuwerten, wurden zunächst bei den jeweiligen Patienten die diagnostischen Konsequenzen dokumentiert. So ergab sich bei D0 keine relevante Änderung in der weiteren Diagnostik ([Tab. 2]). Die Durchführung einer weiteren radiologischen Diagnostik (D1a) sowie einer weiteren interventionellen radiologischen Diagnostik, wie etwa Gewebepunktion oder Durchführung einer angiografischen Intervention zur Diagnostik (D1b) wurde ergänzend notiert. Zusätzliche Optionen waren die Durchführung zusätzlicher technischer Diagnostik (z. B. Echokardiografie, Lungenfunktion, etc.) (D2), die Durchführung weiterer endoskopischer Diagnostik (D3), und die Durchführung ergänzender Labordiagnostik (D4) sowie sonstiger, nicht näher definierter Diagnostik (D5).

Tab. 2

Auswertung der diagnostische Konsequenzen – Änderung beim weiteren diagnostischen Vorgehen bei 487 Fällen über ein Jahr durch die radiologische Röntgendemonstration in Prozent.

D0

keine Änderung in der weiteren Diagnostik

D1a

Indikation zur weiteren radiologischen Bildgebung

D1b

Indikation zur weiteren interventionellen radiologischen Diagnostik (Punktionen, Angiografie etc.)

D2

Indikation zur weiteren technischen Diagnostik

D3

Indikation zur weiteren endoskopischen Diagnostik

D4

Indikation zu weiterer Labordiagnostik

D5

sonstige Diagnostik

83,2 %

9,0 %

2,7 %

1,6 %

2,9 %

0,4 %

0,2 %

Bezüglich der therapeutischen Konsequenzen wurde mit T0 keine relevante Änderung der Therapie, basierend auf der Besprechung, dokumentiert ([Tab. 3]). Eine zusätzliche radiologische Therapie, etwa angiografische oder CT-gesteuerte Interventionen wie z. B. lokale Ablation oder Drainagetherapie wurde mit T1 bezeichnet. Zusätzliche endoskopische Therapien (T2), zusätzliche chirurgische Therapien im Sinne einer Operation (T3) sowie Änderungen der Medikation (T4) wurden zusätzlich vermerkt. Erfolgte im Anschluss an die Röntgenbesprechung eine Therapiereduktion wurde dies als T5 festgehalten. Die Dokumentation der Änderung in Diagnostik und Therapie wurden im Konsens zwischen dem die Besprechung leitenden Radiologen und dem zuständigen Internisten im Anschluss an die Besprechung vorgenommen.

Tab. 3

Auswertung der therapeutische Konsequenzen – Änderung bei den therapeutischen Konsequenzen von insgesamt 487 Fällen durch die Diskussion in der Röntgendemonstration in Prozent.

T0

keine entscheidende Änderung der Therapie durch die Röntgenbesprechung

T1

Indikationsstellung zur weiteren radiologischen Therapie

T2

Indikationsstellung zur endoskopischen Therapie

T3

Indikationsstellung zur chirurgischen Therapie (OP)

T4

Indikationsstellung zur medikamentösen Therapie

T5

Indikationsstellung zur Therapiereduktion

78,5 %

7,0 %

2,4 %

6,8 %

3,7 %

1,6 %

Bei lediglich deskriptiver Statistik erfolgte eine Datenerhebung und Auswertung mithilfe einer Tabellenkalkulation (Microsoft Excel für Mac 2016, Version 15.13.1, Microsoft, WA, USA).


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Ergebnisse

Patientenkollektiv

Das in der Röntgendemonstration vorgestellte Patientenkollektiv umfasste 487 einzelne Fälle mit einem Durchschnittsalter der Patienten von 59 Jahren (Range 18 – 91 Jahre). Der Großteil der vorgestellten Patienten hatte mit 48 % (n = 235) eine Tumorerkrankung, gefolgt von 20 % (n = 98) mit akut entzündlichen Veränderungen. Bei 18 % (n = 90) lagen chronische Erkrankungen vor und bei 13 % (n = 61) war der Grund der Vorstellung in der gemeinsamen Besprechung ein unklarer Entzündungs- oder Blutungsfokus.


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Zahl der Fälle, Untersuchungen und Vorbereitungszeiten

In die prospektive einjährige Evaluation zwischen August 2014 und August 2015 wurden insgesamt 69 radiologische Visiten in der klinischen Konferenz der Inneren Medizin mit den Schwerpunkten Hepatologie, Gastroenterologie, Infektiologie, Endokrinologie und Rheumatologie eingeschlossen, die jeweils von demselben radiologischen und internistischen Ansprechpartner durchgeführt wurden. Insgesamt wurden in den 69 Besprechungstagen 487 Fälle besprochen und ausgewertet. Bei den 487 vorgestellten Fällen lagen insgesamt 1067 radiologische Untersuchungen vor. Davon waren 69,5 % (n = 742) CT-Untersuchungen, 26,4 % (n = 282) MRT-Untersuchungen und 4,0 % (n = 43) angiografische Darstellungen bzw. Interventionen. Die durchschnittliche tägliche Vorbereitungszeit für die Konferenz lag durchschnittlich bei 35,8 min (Range 9 – 83 min). Dabei wurden pro Konferenz im Durchschnitt 7,1 Patienten (Range 0 – 15) besprochen. Arbeitstäglich wurden durchschnittlich 10,8 CTs (Range 1 – 40), 4,1 MRTs (Range 0 – 11) sowie 0,6 Angiografien (Range 0 – 7) vorgestellt.

Für jeden einzelnen vorgestellten Fall lag die durchschnittliche Vorbereitungsdauer bei 5,1 min (Range 1 – 20 min). Pro Fall waren dabei durchschnittlich 1,5 CT Untersuchungen (Range 0 – 7), 0,6 MRT Untersuchungen (Range 0 – 4) und 0,1 Angiografien (Range 0 – 4) zu bearbeiten.

Die durchschnittliche Vorbereitungszeit für auswärtige radiologische Bilder lag pro Konferenztag bei durchschnittlich 4,6 min (Range 1 – 20 min).


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Analyse der Vorbereitungsphase (Phase 1)

Von den 487 evaluierten Fällen lag zum Zeitpunkt der Vorbereitung der Röntgendemonstration (Phase 1) in 35 Fällen kein schriftlicher oder mündlicher Vorbefund vor ([Tab. 1]). Bei 6 Fällen (1,2 %) wurde ein zusätzlicher, relevanter vorstellungswürdiger Befund (R1b) vom demonstrierenden Radiologen entdeckt, der in der schriftlichen Vorbefundung nicht erwähnt war. In drei Fällen handelte es sich hier um Patienten mit der Grunderkrankung eines M. Crohn und eine folglich durchgeführte MR-Enterografie, bei denen im ursprünglichen schriftlichen Befund jeweils eine unspezifische Darmwandverdickung beschrieben wurde, die jedoch durch den demonstrierenden Radiologen, basierend auf der Diffusionsbildgebung, als eindeutig entzündliches Korrelat gewertet wurden. Bei zwei Patienten wurden im schriftlichen Befund von Computertomografien knöcherne Veränderungen nicht gewürdigt, welche in dem einen Fall eine 8 mm große Osteolyse der BWS und in dem zweiten Fall eine osteoporotische Wirbelkörpersinterung der Lendenwirbelsäule zeigten, und im Rahmen der Vorbereitung der Röntgenbesprechung detektiert wurden. In einem weiteren Fall fanden vergrößerte hiläre Lymphknoten bei bekannter Sarkoidose im schriftlichen Befund keine Erwähnung, wurden aber durch die Vorbereitung identifiziert.

Eine Abmilderung, bzw. ein „Downgrading“, also die Interpretation eines Befundes mit geringerer klinischer Auswirkung als im schriftlichen Befund (R2), wurde durch die Vorbereitung der Röntgendemonstration in lediglich einem Fall (0,2 %) vorgenommen. In diesem Fall wurde bei einer 91-jährigen Patientin im schriftlichen Befund eine nekrotisierende Pankreatitis diagnostiziert, die vom demonstrierenden Radiologen als exsudative Pankreatitis ohne Nekroseanteile interpretiert wurde.

Bei 445 von 487 Fällen (91,4 %) ergab sich keine Änderung des radiologischen Befundes (R0) durch den demonstrierenden Radiologen im Vergleich zu dem schriftlichen Vorbefund.

Bei 69 Konferenzen wurden insgesamt in 64 Fällen Fremdaufnahmen ausgewertet. Davon wurden 60 Fremdaufnahmen als qualitativ ausreichend betrachtet. Bei 4 Fällen wurden die Bilder qualitativ bzw. bezüglich der inhaltlichen radiologischen Durchführung der Untersuchung als nicht adäquat angesehen und es wurde eine Empfehlung zur Untersuchungswiederholung vom demonstrierenden Radiologen gegeben. Dabei musste bei Leberbildgebung in vier Fällen eine MRT-Untersuchung mit weiteren Kontrastmittelphasen und diffusionsgewichteten Sequenzen zur Abklärung fraglicher Leberraumforderungen durchgeführt werden. Inhaltlich ergab sich bei den 64 auswärtigen Untersuchungen bezüglich der Befunde keine relevante Diskrepanz. Lediglich in einem Fall wurde ein Downgrading des auswärtigen Befundes durch die eigene Befundung vorgenommen. In diesem Fall wurde ein extern als bösartiger Lebertumor interpretierter Befund in der Röntgenbesprechung als unkomplizierte FNH diagnostiziert.


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Analyse der Röntgenbesprechungsphase (Phase 2)

Insgesamt bei 5 der 487 vorgestellten Patienten ergab sich durch die Röntgenbesprechung noch einmal eine Änderung der radiologischen Diagnose im Vergleich zum schriftlichen Vorbefund ([Tab. 1]). Ein zusätzlicher, nicht relevanter Nebenbefund (R1a) wurde in einem Fall durch das Gespräch und zusätzliche klinische Information entdeckt. Dabei wurden ältere, konsolidierte Rippenfrakturen durch die vorgetragene Anamnese entdeckt, die jedoch weder klinisch apparent noch von therapeutischer Relevanz waren. In insgesamt drei Fällen wurden zusätzliche, klinisch relevante Befunde (R1b) durch die gemeinsame Diskussion aufgedeckt. In einem Fall wurde durch die ausführliche Falldiskussion eine Knochenmetastase im nativen Schädel-CT identifiziert, welche in der Primärbefundung keine Erwähnung gefunden hatte. In einem weiteren Fall wurde bei der Angabe ausgeprägter Rückenschmerzen in der Fallbesprechung eine LWK 2-Sinterungsfraktur entdeckt. Der dritte Fall war ein in der Primärbefundung übersehenes thorakales Weichteilhämatom eines intensivpflichtigen Patienten, welches unter Berücksichtigung der klinischen Angabe einer rasch progredienten lokalen Raumforderung angrenzend an eine erst vor kurzer Zeit eingebrachte Thoraxdrainage während der Röntgendemonstration entdeckt wurde ([Abb. 1]). Lediglich in einem Fall ergab sich im Rahmen der Befundbesprechung ein Downgrading des Befundes. So konnte bei einem Patienten mit Leberzirrhose und hepatozellulärem Karzinom durch den Vergleich mit Voraufnahmen, die zur Besprechung mitgebracht wurden, unter Berücksichtigung des konstanten Befundes die Diagnose eines Regeneratknotens gestellt werden.

Zoom Image
Abb. 1 Bei dem axialen kontrastgestützten CT eines intensivpflichtigen Patienten wurde ein Hämatom an der linken vorderen Thoraxwand (Pfeilspitze) zunächst nicht beschrieben a. Bei der Diskussion nach der radiologischen Befunddemonstration wurde vom betreuenden internistischen Arzt angemerkt, dass nach Anlage einer Thoraxdrainage (Pfeil) eine neu aufgetretene thorakale Schwellung sowie Blutung dieser Lokalisation aufgefallen waren b, sodass hierdurch die klinische Diskussion der wichtige Befund des akuten Hämatoms ergänzt werden konnte.

Bezüglich der weiteren diagnostischen Konsequenzen gab es bei 405 von 487 Fällen (83,2 %) der vorgestellten Patienten keine relevante Änderung zum Beschluss von neuen diagnostischen Verfahren ([Tab. 2]). Bei 9 % (n = 44) wurden während der Besprechung weitere radiologische diagnostische Verfahren indiziert, bei 2,7 % (n = 13) wurden weitere interventionelle radiologisch diagnostische Verfahren wie etwa CT-grafisch gestützte Histologiegewinnung oder interventionelle angiografische Abklärungen empfohlen. Bei 1,6 % (n = 8) wurden weitere technische diagnostische Verfahren beschlossen und bei 2,9 % (n = 14) weitere endoskopische Diagnostik veranlasst. Bei zwei Patienten wurde weitere Labordiagnostik und bei einem Patienten wurde „sonstige Diagnostik“ (D5, [Tab. 3]), in diesem Fall nuklearmedizinische Abklärung durch eine PET-CT, indiziert. Insgesamt wurden also bei 16,8 % der vorgestellten Patienten weitere diagnostische Modalitäten durch die radiologische Konferenz indiziert.

Bezüglich weiterer therapeutischer Konsequenzen, basierend auf der radiologischen Demonstration, ergab sich bei 78,5 % (n = 382) keine akute Änderung des therapeutischen Vorgehens ([Tab. 3]). Bei 7,0 % (n = 34) wurde im Rahmen der Röntgenbesprechung eine weitere radiologische Therapie, wie z. B. die Durchführung einer lokalen Ablation (RFA etc.) bzw. angiografischen Intervention (z. B. TACE, TIPSS etc.) empfohlen. Bei 2,4 % (n = 12) wurde eine zusätzliche endoskopische Therapie angeraten und bei 6,8 % (n = 33) eine zusätzliche chirurgische Therapie im Sinne eines operativen Vorgehens. In 3,7 % der Fälle (n = 18) erfolgte durch die interdisziplinäre Besprechung eine Therapieänderung mit zusätzlicher medikamentöser Therapie und bei 1,6 % (n = 8) wurde durch die radiologische Vorstellung das weitere therapeutische Vorgehen im Ausmaß reduziert bzw. die therapeutischen Maßnahmen verringert.

Bezüglich der in der Röntgenbesprechung vorgestellten Fremdaufnahmen kam es in insgesamt fünf Fällen zu einer gemeinsam indizierten Forderung, die Fremdaufnahmen aufgrund unzureichender Bildqualität oder entscheidender fehlender Sequenzen oder Kontrastmittelphasen zu wiederholen.


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Diskussion

In der vorliegenden Arbeit wurde eine radiologische Röntgendemonstration in der klinischen Visite einer universitären Klinik für Innere Medizin mit den Schwerpunkten Hepatologie, Gastroenterologie, Infektiologie, Endokrinologie und Rheumatologie prospektiv ausgewertet und analysiert. Dabei wurden über den Zeitraum eines Jahres 69 Röntgendemonstrationen mit 487 einzelnen Fällen und 1067 radiologischen Untersuchungen, die von demselben Radiologen demonstriert wurden, analysiert. Dabei zeigte sich mit 69,5 % eine Dominanz der CT-Untersuchungen über die MRT-Untersuchungen mit 26,4 %. Die durchschnittliche tägliche Vorbereitungszeit von ca. 36 Minuten, die als reine Bildvorbereitungszeit ohne den weiteren organisatorischen Aufwand für die Vorbereitung und eventuell notwendige Nachbereitung zu rechnen ist, ergibt somit zusammen mit der eigentlichen Röntgendemonstration eine Arbeitskraftbindung eines erfahrenen Radiologen über mehr als 1 Stunde pro Tag für eine in der Routine durchgeführte Röntgenbesprechung alleine in der Gastroenterologie und Hepatologie. Anzumerken ist hier insbesondere, dass im Routinebetrieb an einer Klinik der Maximalversorgung neben den zahlreichen Tumorboards täglich etwa 5 – 10 solcher Röntgendemonstrationen innerhalb klinischer Visiten angeboten werden. So wurde in einer Analyse von McDonald und Kollegen aus dem Jahre 2013 festgestellt, dass die Hauptarbeitslast eines klinisch tätigen Radiologen mit etwa 35 % in der eigentlichen Befundung, zu 23 % bei radiologischen Eingriffen und zu 15 % in der Ausbildung junger Kollegen liegt, jedoch 14 % der täglichen Arbeitszeit mit der Durchführung von Konferenzen und 10 % der Zeit durch informelle Falldemonstration belegt sind [2].

Die Hypothese, dass durch das erneute Sichten und Vorbereiten der radiologischen Untersuchungen im Vorfeld von Röntgendemonstrationen durch einen Facharzt, in der Regel nach bereits vorliegender schriftlicher Befundung, eine Verbesserung der Ergebnisqualität von Befunden erzielt wird, konnte durch unsere Zahlen nicht belegt werden. Bei 91,4 % ergibt sich keine entscheidende Änderung zu den Vorbefunden und in 1,2 % der Fälle werden in der Vorbereitungsphase zusätzliche, klinisch relevante Befunde entdeckt. Bei 7,2 % der Untersuchungen, für die zum Vorbereitungszeitpunkt für Röntgendemonstration noch keine schriftlichen Befunde vorliegen, muss durch den vorbereitenden Arzt eine selbstständige Befundung vorgenommen werden, was erneut den Zeitaufwand steigert.

In Bezug auf den sehr niedrigen Anteil von relevanten Befundänderungen ist einschränkend davon auszugehen, dass in der klinischen Realität im Rahmen der Vorbereitung der Röntgendemonstration durch den radiologischen Facharzt keine vollständige Neubefundung erfolgt. In dem meisten Fällen wird der initiale Befund übernommen, aufgrund der hohen Anzahl der angeforderten Untersuchungen einer Röntgendemonstration kann lediglich befund- bzw. problemorientiert eine unabhängige Neubefundung erfolgen. Auch die Zahl der geänderten radiologischen Befunde durch die anschließend durchgeführte gemeinsame Besprechung der Röntgenbilder mit jeweiliger Falldiskussion ergibt, dass in bis zu 99 % der Fälle keine relevante Änderung zum schriftlichen Vorbefund vorgenommen wird. Lediglich in weniger als 1 % werden hier durch ergänzende klinische Angabe der unmittelbar betreuenden Kollegen wichtige zusätzliche Befunde an den Tag gebracht. Die Ergebnisse zeigen daher eine sehr zufriedenstellend hohe Übereinstimmung der initialen radiologischen Befunde mit der endgültigen Aussage nach einer erfolgten interdisziplinären Besprechung. An dieser Stelle muss jedoch auch angemerkt werden, dass während der initialen Befunderstellung bereits häufig Rücksprache mit den primär patientenführenden Kollegen erfolgt, um so beispielsweise insbesondere bei komplexen intensivmedizinischen Fällen mögliche Differenzialdiagnosen besser bewerten und in Kontext setzen zu können.

Zudem muss man, wie bereits oben angemerkt, bei unserem untersuchten Kollektiv davon ausgehen, dass die zusätzliche Befundung in der Vorbereitung der Röntgendemonstration nicht als eine Art gutachterliche Zweitmeinung angefertigt wird, sondern dass die Vorbereitung einer Röntgendemonstration zu einem großen Teil auf Vertrauen auf die eigene Institution und die hohe Qualität der Vorbefunde in der eigenen Abteilung basiert. In der uns bekannten Literatur wurden Röntgenbesprechungen bzw. Änderungen radiologischer Befunde und Ergebnisse, basierend auf dem kommunikativen bzw. diskussionsgeprägten Teil einer Röntgenbesprechung und deren Vorbereitung, bisher noch nicht systematisch analysiert. Es existieren lediglich Arbeiten, die den Einfluss einer hoch spezialisierten radiologischen Zweitmeinung auf das weitere Management von Tumoren oder speziellen Erkrankungen analysieren. Lysack und Kollegen untersuchten in einer im Jahre 2013 erschienenen Studie an 94 Patienten mit gesicherten Kopf- und Halstumoren die Unterschiede der auswärtigen radiologischen Primärbefundung im Vergleich zur Befundung eines Neuroradiologen bezüglich des Tumorstagings [3]. In dieser Studie wurde das Tumorstaging in 56 % und das empfohlene Tumormanagement in 38 % basierend auf der Expertenmeinung des Neuroradiologen geändert. In einer Studie von Eakens aus dem Jahre 2012 wurde ebenfalls eine hochspezialisierte radiologische Untergruppe der Kinderradiologen bezüglich des Einflusses ihrer Zweitmeinung untersucht [4]. Hier wurden bei 773 untersuchten radiologischen Befunden in bis zu 41,8 % eine fehlende Übereinstimmung von Initialbefund und Zweitmeinung der Kinderradiologen detektiert. Nach eigener Definition der Autoren handelt es sich dabei in 21,7 % der Fälle um entscheidende Nichtübereinstimmungen. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass eine erhebliche Diskrepanz zu fundierten Zweitmeinungen in der pädiatrischen Radiologie zwischen 12,6 % bei neuroradiologischer Bildgebung und 32,6 % bei der Bildgebung des restlichen Körpers auftreten können. Die bei uns untersuchten Patienten einer Gastroenterologie und Hepatologie stellen jedoch prinzipiell einen Schwerpunkt des gesamten Klinikums dar, sodass bereits die Initialbefunde auf hohem Niveau erstellt werden und es daher keine vergleichbar ausgeprägten Diskrepanzen wie in oben erwähnten Studien beim Vergleich auswärtiger Befunde von sekundären und tertiären Zentren zu der Befundung durch hochspezialisierte Radiologen der Neuroradiologie und Kinderradiologie ergeben.

Auch bezüglich der Analyse des Einflusses von Röntgendemonstrationen in klinischen Visiten auf eine weitere diagnostische Abklärung des Patienten gibt es nach unserer Kenntnis keine systematische Evaluation in der Literatur. In unserer Studie gab es bei 83,2 % der Patienten keine relevante Änderung in der weiteren Diagnostik, sodass die diagnostische Kaskade bei diesen Patienten nach der Besprechung in der Röntgendemonstration abgeschlossen erschien. Immerhin bei 11,7 % aller Patienten wurde durch die Röntgendemonstration die Indikation zu weiteren radiologischen Untersuchungen gestellt, was rein diagnostisch nicht invasiv, immerhin bei 9,0 % der vorgestellten Patienten, zu einer direkten Empfehlung des Radiologen für eine weitere radiologische, meist komplementäre Methode führte. Bei 2,7 % der Patienten ergab sich die erneute Indikation bzw. Empfehlung durch den Radiologen zu einer weiteren interventionellen radiologischen Diagnostik. Insgesamt konnte bei 16,8 % aller vorgestellten Patienten durch die radiologische Besprechung und Bilddemonstration das weitere diagnostische Vorgehen konkret festgelegt werden.

Als Einschränkung der eigenen Studie muss gesehen werden, dass nicht definitiv analysiert werden konnte, ob die Durchführung der weiteren Diagnostik alleine durch das Gespräch in der Röntgenbesprechung entstanden ist. Hypothetisch wäre es auch möglich, dass allein durch den schriftlichen radiologischen Befund das weitere Vorgehen in einigen Fällen identisch durchgeführt worden wäre. Insgesamt kann man, basierend auf dem bekanntermaßen hohen klinischen Einfluss radiologischer Besprechungen auf die weitere diagnostische und therapeutische Kaskade, davon ausgehen, dass die in unserer Studie erzielten Endpunkte (Änderung des Therapiekonzeptes, zusätzlich veranlasste Diagnostik) repräsentativ sind. Dies ist insbesondere bei schwierigen Fällen an einem tertiären Versorgungszentrum der Fall [1].

Bezüglich der Änderung des therapeutischen Vorgehens lagen ähnliche Zahlen wie in der weiteren Diagnostik vor. Bei 78,5 % der Patienten gab es durch die radiologische Besprechung keine relevante Änderung bezüglich des therapeutischen Vorgehens. Immerhin bei 7,0 % der besprochenen Patienten wurde eine weitere radiologische Therapie indiziert. Dies beinhaltete z. B. lokal ablative Verfahren bei Leberraumforderungen oder aber auch Entlastungen von Verhalten und Abszessen bzw. angiografische Therapieansätze, wie beispielsweise die Anlage eines TIPSS. Hierin ist sicherlich eine wichtige Begründung radiologischer Besprechungen im klinischen Kontext zu sehen, da durch bezüglich interventionserfahrene Radiologen auch interventionell-radiologische Verfahren angeboten und zusammen mit dem klinisch betreuenden Kollegen diskutiert und indiziert werden können. Auch die Indikationsstellung zu weiteren chirurgischen therapeutischen Verfahren war bei 6,8 % der untersuchten Fälle gegeben. Somit konnte gezeigt werden, dass basierend auf der radiologischen Diagnostik, zusammen mit der Diskussion der Fälle mit dem klinisch betreuenden Kollegen, auch hier sehr zeitnah und effizient Änderungen im therapeutischen Management erreicht werden konnten. In der uns bekannten Literatur liegt eine Analyse von Röntgenbesprechungen bezüglich therapeutischer Verfahren bzw. dem sogenannten „Wechsel des Managements“ nicht vor. Es liegen lediglich Analysen von Tumorboards vor, die wie bereits eingangs erwähnt, multidisziplinär und ebenfalls unter der Beteiligung von Radiologen durchgeführt werden. So beschreiben Chafe et al. in ihrer Analyse den Einfluss von Pathologen in gynäkologischen Tumorboards als durchaus gewichtig [5]. Alleine durch die Vorbereitung für das Tumorboard wurde bei dieser Publikation, bei der 414 Patienten retrospektiv analysiert wurden, in 33 % der pathologische Befund geändert und eine Änderung des Managements im Tumorboard bei 12 % erreicht. In einer prospektiven Studie bezüglich des klinischen Einflusses multidisziplinärer Tumorboards von Halstumoren wurden 120 Patienten prospektiv untersucht. In dieser Studie wurde gefolgert, dass sich bei 27 Patienten durch das Tumorboard eine Änderung der Tumordiagnose, des Stagings und des Behandlungsplans ergab [6]. Ähnlich den hier zitierten Ergebnissen aus Tumorboards konnte auch in unserer Studie gezeigt werden, dass durch die gemeinsame Patientenbesprechung bei 37,3 % der Fälle ein „Change of Management“ im Sinne der diagnostischen oder therapeutischen Änderung erreicht wurde. Wie bei Tumorboards ist ebenfalls davon auszugehen, dass durch die gemeinsame klinische Diskussion der patientenführenden internistischen Kollegen zusammen mit erfahrenen Radiologen insgesamt eine Verbesserung der Versorgung der Patienten erreicht werden kann.


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Zusammenfassung

In unserer Studie wurde erstmals versucht, Röntgendemonstrationen in klinischen Visiten mit dem Schwerpunkt Gastroenterologie und Hepatologie systematisch bezüglich der radiologischen Tätigkeit zu analysieren, besonders aber auch die entscheidenden Auswirkungen der Röntgendemonstration auf die weitere Diagnostik und Therapie des Patienten zu erfassen. Wir konnten feststellen, dass durch die zusätzliche Analyse der Röntgenaufnahmen durch den demonstrierenden Arzt sowohl in der Vorbereitungsphase als auch in der Röntgenbesprechung mit den patientenführenden klinischen Kollegen in der Regel in den wenigsten Fällen eine zusätzliche, relevante Diagnose hinzukommt, was für eine gute primäre radiologische Befundungsqualität spricht. Jedoch konnte durch die gemeinsame Besprechung in 38,3 % ein Wechsel im Patientenmanagement (16,8 % Diagnostik, 21,5 % Therapie) durch die gemeinsame Röntgenbesprechung erreicht werden. Gerade bei den therapeutischen Konsequenzen in 21,5 % ist bezüglich der klinischen Relevanz bemerkenswert, dass durch die Röntgenbesprechung bei 6,8 % der Wechsel zu chirurgischen Eingriffen und in bis zu 7,0 % der therapeutische Wechsel zu radiologischen Interventionen mit therapeutischem Ansatz erfolgte.

Zusammenfassend kann daraus abgeleitet werden, dass interdisziplinäre radiologisch-klinische Besprechungen einen „Change of Management“ in über ⅓ der besprochenen Fälle induzieren und eine Verbesserung für die Patientenversorgung und Qualität der Behandlung in der klinischen Routine darstellen.

Klinische Relevanz der Studie
  • Die Zweitbefundung durch die nochmalige Fallvorbereitung eines erfahrenen Radiologen änderte lediglich in etwa 1 % den primären radiologischen Befund.

  • Durch die interdisziplinäre Röntgenbesprechung in der gastrointestinalen Inneren Medizin konnte in weit über ⅓ der Fälle eine Änderung des Behandlungsregimes für die Patienten erreicht werden.

  • Interdisziplinäre Röntgenbesprechungen tragen entscheidend zu einer Verbesserung der Patientenversorgung durch die Integration des Wissens sowie aller relevanter Patienteninformationen bei.


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Conflict of interest

The authors declare that they have no conflict of interest.

  • Literatur

  • 1 Lamb BW. Green JS. Benn J. et al. Improving decision making in multidisciplinary tumor boards: prospective longitudinal evaluation of a multicomponent intervention for 1421 patients. J Am Coll Surg 2013; 217: 412-420
  • 2 MacDonald SL. Cowan IA. Floyd RA. et al. Measuring and managing radiologist workload: a method for quantifying radiologist activities and calculating the full-time equivalents required to operate a service. J Med Imaging Radiat Oncol 2013; 57: 551-557
  • 3 Lysack JT. Hoy M. Hudon ME. et al. Impact of neuroradiologist second opinion on staging and management of head and neck cancer. J Otolaryngol Head Neck Surg 2013; 42: 39
  • 4 Eakins C. Ellis WD. Pruthi S. et al. Second opinion interpretations by specialty radiologists at a pediatric hospital: rate of disagreement and clinical implications. Am J Roentgenol 2012; 199: 916-920
  • 5 Chafe S. Honore L. Pearcey R. et al. An analysis of the impact of pathology review in gynecologic cancer. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2000; 48: 1433-1438
  • 6 Wheless SA. McKinney KA. Zanation AM. A prospective study of the clinical impact of a multidisciplinary head and neck tumor board. Otolaryngol Head Neck Surg 2010; 143: 650-654

Correspondence

Dr. Lena-Marie Dendl
Department of Radiology, University Hospital Regensburg
Franz-Josef-Strauss-Allee 11
93053 Regensburg
Germany   
Phone: ++ 49/9 41/9 44 74 18   
Fax: ++ 49/9 41/9 44 74 09   

  • Literatur

  • 1 Lamb BW. Green JS. Benn J. et al. Improving decision making in multidisciplinary tumor boards: prospective longitudinal evaluation of a multicomponent intervention for 1421 patients. J Am Coll Surg 2013; 217: 412-420
  • 2 MacDonald SL. Cowan IA. Floyd RA. et al. Measuring and managing radiologist workload: a method for quantifying radiologist activities and calculating the full-time equivalents required to operate a service. J Med Imaging Radiat Oncol 2013; 57: 551-557
  • 3 Lysack JT. Hoy M. Hudon ME. et al. Impact of neuroradiologist second opinion on staging and management of head and neck cancer. J Otolaryngol Head Neck Surg 2013; 42: 39
  • 4 Eakins C. Ellis WD. Pruthi S. et al. Second opinion interpretations by specialty radiologists at a pediatric hospital: rate of disagreement and clinical implications. Am J Roentgenol 2012; 199: 916-920
  • 5 Chafe S. Honore L. Pearcey R. et al. An analysis of the impact of pathology review in gynecologic cancer. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2000; 48: 1433-1438
  • 6 Wheless SA. McKinney KA. Zanation AM. A prospective study of the clinical impact of a multidisciplinary head and neck tumor board. Otolaryngol Head Neck Surg 2010; 143: 650-654

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Fig. 1 A hematoma of the left anterior thoracic wall (arrow tip) was first seen on an axial contrast-enhanced CT scan of an intensive care patient a. In the discussion following the radiological case presentation, the managing physician in internal medicine noted that after placement of a thoracic drain (arrow) new thoracic swelling and bleeding was noticed at this location b so that the important finding of acute hematoma was able to be added based on the clinical discussion.
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Abb. 1 Bei dem axialen kontrastgestützten CT eines intensivpflichtigen Patienten wurde ein Hämatom an der linken vorderen Thoraxwand (Pfeilspitze) zunächst nicht beschrieben a. Bei der Diskussion nach der radiologischen Befunddemonstration wurde vom betreuenden internistischen Arzt angemerkt, dass nach Anlage einer Thoraxdrainage (Pfeil) eine neu aufgetretene thorakale Schwellung sowie Blutung dieser Lokalisation aufgefallen waren b, sodass hierdurch die klinische Diskussion der wichtige Befund des akuten Hämatoms ergänzt werden konnte.