Dialyse aktuell 2016; 20(09): 434
DOI: 10.1055/s-0042-119323
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Langzeitüberleben an der Hämodialyse

Gefäßprotektive Effekte durch Kakaoflavanole bei Hämodialysepatienten
Birgit Bader
1   Berlin
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Publication Date:
21 November 2016 (online)

 

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Quelle: Rassaf T, Rammos C, Hendgen-Cotta UB et al. Vasculoprotective effects of dietary cocoa flavanols in patients on hemodialysis: a double-blind, randomized, placebo-controlled trial. Clin J Am Soc Nephrol 2016; 11: 108–118

Thema: Die Behandlungsform der Hämodialyse (HD) bedingt per se eine vaskuläre Dysfunktion bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz. Die endotheliale Dysfunktion ist ein Schlüsselschritt in der Atheroskleroseentwicklung und lässt sich durch eine eingeschränkte flussvermittelte Vasodilatation (FMD: „flow-mediated dilation“) charakterisieren. Interventionsstudien haben gezeigt, dass Kakaoflavanole gefäßprotektiv wirken. Die vorgestellte Studie untersuchte den Effekt einer Kakaoflavanole reichen Diät auf die durch die HD induzierte akute und chronische endotheliale Dysfunktion.

Projekt: In einer doppelblinden, randomisierten und Placebo kontrollierten wurden in den Jahren 2012–2013 insgesamt 57 HD-Patienten (Alter 65 ± 13 Jahre, 74 % Männer, BMI 29 ± 5 kg/m²) eines Düsseldorfer Dialysezentrums untersucht. Die FMD zur Abschätzung der endothelialen Funktion wurde über der Brachialarterie gemessen. Es wurden 11 Patienten in den initialen Crossover-Studienarm aufgenommen, welcher mittels Einmalgabe von 900 mg Kakaoflavanolen oder Placebo am dialysefreien Tag (im Abstand von einer Woche) die akuten Effekte sowie die Sicherheit und Verträglichkeit untersuchte. 52 Patienten wurden in dem sich anschließenden 30-tägigen Studienarm im Parallelgruppendesign untersucht. In diesen wurden auch 6 Patienten aus dem initialen Arm übernommen, und es wurde zusätzlich die Gefäßfunktion mittels FMD während und nach der Hämodialyse gemessen. Die Patienten erhielten entweder Kakaoflavanole reiche (900 mg Kakaoflavanole pro Studientag) oder Placebo-Drinks mit gleichem Geschmack.

Ergebnisse: Die einmalige Zufuhr von Kakaoflavanolen verbesserte die FMD um 53 % (p < 0,001) nach 2 Stunden vs. Placebo. In dem 30-tägigen Studienarm führte die tägliche Zufuhr von 900 mg Kakaoflavanolen zu einer Verbesserung der FMD um 18 % (p < 0,001) im Vergleich zur Ausgangs-FMD, welche mit einer leichten Reduktion des diastolischen Blutdrucks und einem geringen Herzfrequenzanstieg einherging. Wurden die Kakaoflavanole akut während der HD-Behandlung zugeführt, konnten sie die HD-induzierte vaskuläre Dysfunktion signifikant mildern. Dieser Effekt blieb über die 30-tägige Studiendauer bestehen.

Fazit: Eine Kakaoflavanole reiche Diät mildert die durch eine HD induzierte akute und die chronische endotheliale Dysfunktion bei Dialysepatienten und wirkt damit evtl. gefäßprotektiv in dieser Hochrisikopopulation. Die Supplementierung mit Kakaoflavanolen ist eine neue therapeutische Option, um der vaskulären Dysfunktion entgegenzuwirken und damit den Gesundheitszustand der Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz zu verbessern. Es sollten daher größere klinische Untersuchungen initiiert werden, um zu klären, ob diese Erkenntnisse auch eine bessere kardiovaskuläre Prognose für Dialysepatienten bedingen.

Kommentar

Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz weisen eine stark erhöhte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität auf. Ursächlich hierfür sind neben den traditionellen atherogenen Risikofaktoren weitere Faktoren, die direkt mit der Nierenfunktionseinschränkung und deren Behandlung zusammenhängen (z. B. chronische Inflammation, vaskuläre Kalizifkation). Die Hämodialyse per se verschlechtert die endotheliale Funktion außerdem akut.

Die Ernährung stellt den wichtigsten modifizierbaren Lifestyle-Faktor dar, der das kardiovaskuläre Risikoprofil wesentlich beeinflusst. In Interventionsstudien am Menschen konnte gezeigt werden, dass es eine inverse Beziehung zwischen dem Verzehr von Flavanolen und der Höhe des Blutdrucks, der Insulinresistenz, der Glukosetoleranz sowie dem Ausmaß der Thrombozytenaggregation gibt [1], [2], [3]. Kakaoflavanole sind als pflanzliche Bestandteile in unserer täglichen Nahrung enthalten. Sie finden sich u. a. in dunkler Schokolade, grünem Tee, Obst, Rotwein und Gemüse.

Die vorliegende Studie zeigt eindrücklich den potenziell gefäßprotektiven Effekt von Kakaoflavanolen bei Hämodialysepatienten. Die Einnahme von Kakaoflavanolen war in der aktuellen Studie sicher und gut verträglich. Die endotheliale Funktion zeigte sich durch die diätetische Intervention mit Kakaoflavanolen kurz- und langfristig verbessert.

Kakaoflavanole könnten der Hämodialyse induzierten vaskulären Dysfunktion entgegenwirken und damit die Prognose in diesem Hochrisikokollektiv verbessern. Weitere größere Studien zu dieser Fragestellung sind anzustreben.

Dr. Birgit Bader, Berlin


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  • Literatur

  • 1 Clark JL, Zahradka P, Taylor CG. Efficacy of flavonoids in the management of high blood pressure. Nutr Rev 2015; 73: 799-822
  • 2 Grassi D, Desideri G, Di Giosia P et al. Tea, falvonoids, and cardiovascular health: endothelial protection. Am J Clin Nutr 2013; 98 (Suppl.): 1660S-1666S
  • 3 Vita JA. Polyphenols and cardiovascular disease: effects on endothelial and platelet function. Am J Clin Nutr 2005; 81 (Suppl.) 292S-297S

  • Literatur

  • 1 Clark JL, Zahradka P, Taylor CG. Efficacy of flavonoids in the management of high blood pressure. Nutr Rev 2015; 73: 799-822
  • 2 Grassi D, Desideri G, Di Giosia P et al. Tea, falvonoids, and cardiovascular health: endothelial protection. Am J Clin Nutr 2013; 98 (Suppl.): 1660S-1666S
  • 3 Vita JA. Polyphenols and cardiovascular disease: effects on endothelial and platelet function. Am J Clin Nutr 2005; 81 (Suppl.) 292S-297S