Erfahrungsheilkunde 2017; 66(01): 30-35
DOI: 10.1055/s-0042-123665
Wissen
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Mykotherapie bei Immunschwäche

Dorothee Bös
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Dr. rer. med. Dorothee Bös
Am Försterahl 3 A
63694 Limeshain

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Publication Date:
12 April 2017 (online)

 

Zusammenfassung

Die therapeutische Anwendung medizinisch wirksamer Pilze ist in der Traditionellen Chinesischen Medizin seit Jahrtausenden bekannt. Auch in der westlichen Medizin findet die Mykotherapie zunehmend Anwendung. Heilpilze enthalten eine Vielzahl aktiver Inhaltsstoffe, dementsprechend breit ist das therapeutische Spektrum. Sie weisen u. a. immunmodulatorische Eigenschaften auf und können bei gesteigerter Infektanfälligkeit, Autoimmunerkrankungen oder Allergien eine hilfreiche Therapieoption sein.


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Abstract

The therapeutic use of medically effective mushrooms has been well known in Traditional Chinese Medicine for thousands of years. In Western medicine, mycotherapy is also increasingly used. Medicinal mushrooms contain a large number of active ingredients. Accordingly, the therapeutic spectrum is very broad. They have immuno-modulating properties and can be a helpful therapeutic option in the case of increased susceptibility to infections, autoimmune diseases, or allergies.


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Abb. 1 Mandelpilz (Agaricus blazei murill). (© Mykotroph)

Bei der Mykotherapie (Myko = Pilz) werden medizinisch wirksame Pilze, darunter zahlreiche Baumpilze, aber auch gängige Speisepilze, wie z. B. der Austernseitling (Pleurotus ostreatus), eingesetzt. Mehrzellige Pilze begleiten den Menschen schon sehr lange insbesondere als hochwertiges Nahrungsmittel. Aus gutem Grund, denn schließlich bleiben Pilze – sofern sie schonend und zügig getrocknet werden – ohne nennenswerten Verlust ihrer wertvollen Inhaltsstoffe lange haltbar. In Asien sind die Vielfalt und auch der Anteil der Speisepilze in der Ernährung nach wie vor deutlich höher als in Europa, wobei die Produktion von Pilzen weltweit stark zunimmt. Die am häufigsten angebauten Pilze sind der Champignon und der Shiitake.

Pilze: wertvolle Nahrung und Medizin zugleich

Pilze leisten ernährungsphysiologisch einen äußerst wertvollen Beitrag und werden daher auch als „Superfood“ klassifiziert. So liefert bereits eine normale Portion etwa 5–6 % des Tagesbedarfs an Ballaststoffen. Pilze sind zudem reich an den Vitaminen B1, B2, B3, B5 und Biotin. Auch Vitamin B12 kann in Pilzen enthalten sein; allerdings nur in Spuren. An Mineralstoffen und Spurenelementen finden sich Selen, Chrom, Kalium, Kupfer, Vanadium, Eisen und Zink. Interessant ist auch das Eiweißprofil der Pilze – sie liefern alle essenziellen Aminosäuren [6].

Da Pilze bevorzugt in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) seit Jahrtausenden zur Prävention, Linderung und Heilung zahlreicher Krankheiten zur Anwendung kommen, werden sie auch als medizinisch wirksame Pilze, bzw. als Medicinal Mushrooms, Heil- oder Vitalpilze bezeichnet. Auch auf anderen Kontinenten werden Pilze in der Naturheilkunde eingesetzt, wie Berichte aus Südamerika, Afrika und Europa zeigen. Beim Eismenschen Ötzi fand man bspw. den Birkenporling. Man vermutet, dass dieser aufgrund seiner antibiotisch wirkenden Inhaltsstoffe zur Wundheilung eingesetzt wurde. Auch den Zunderschwamm hatte Ötzi dabei. Dieser Pilz besitzt hochwertige β-Glukane und hat blutstillende Eigenschaften. Auch zum Feuermachen leistete er Ötzi gute Dienste.


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Gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe

Mittlerweile belegen auch wissenschaftliche Studien: Da Heilpilze in der Natur überleben müssen und gegen ähnliche pathogene Mikroorganismen zu kämpfen haben wie die Säugetiere, haben sie eine Fülle antibiotisch, aber auch antiviral und sogar fungizid wirkender Substanzen. Pilze stehen vom Stoffwechsel her dem Menschen wesentlich näher als jede Pflanze. Dies macht ihre Inhaltsstoffe für uns Menschen, und ebenso für Tiere, so interessant.

Es ist jedoch nicht allein ihre antibiotische, antivirale oder fungizide Wirkung, die wir uns zunutze machen können, sondern v. a. die Unterstützung des Immunsystems. Die zahlreichen Inhaltsstoffe der Pilze – darunter langkettige Betaglukane, Polyphenole, Ergosterol, Glykoproteine, Ergothionein oder Triterpene – wirken günstig bei Entzündungen, Autoimmunerkrankungen, Allergien und Tumoren und sind sog. Immunmodulatoren [12].


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Immunschwäche und ihre Behandlung

Die Auslöser für ein geschwächtes Immunsystem sind zahlreich und selten monokausal, so z. B. Dysbiosen, Vergiftungen/Umweltbelastungen, Übersäuerung, Bewegungsmangel, Stress, Schlafstörungen, Chronisches Fatigue-Syndrom (CFS), chronische Virenbelastung, Medikamente, Vitamin- oder Mineralstoffmangel, aber auch eine HIV-Infektion, um nur einige zu nennen.

70–80 % unserer Immunzellen sind darmständig und auf eine optimale Interaktion mit den Darmbakterien sowie eine gute Darmflora angewiesen. Diese ist allerdings häufig aus dem Gleichgewicht geraten. So können z. B. Dysbalancen im Mikrobiom durch Fehlernährung, Stress oder nach Antibiotikagabe entstehen. Zu hoher Eiweißkonsum, eine Pankreasschwäche oder ein Magensäuremangel fördern die Entwicklung einer Fäulnisflora und pathogener Keime. Auch Verdauungsstörungen und Malabsorptionen begünstigen häufig das Auftreten einer Abwehrschwäche.

Heilpilze als Präbiotika

Eine präbiotische Wirkung wurde bspw. für Pleurotus ostreatus, den Austernseitling nachgewiesen. Ebenso auch für Agaricus bisporus, den Champignon oder den Pilz Ganoderma lucidum, auch als Reishi bekannt.

Bei einer im Jahr 2015 veröffentlichten Studie, in der eine Gewichtszunahme bei Mäusen durch Reishi verhindert wurde, führten die Wissenschaftler diesen Effekt maßgeblich auf das durch die Einnahme des Pilzes günstig veränderte Darmmikrobiom zurück. Nachgewiesen wurde diese Wirkung auch für den weißen Champignon. Bei regelmäßiger Gabe reduzierten sich nicht nur die „Dickmacher“-Bakterien vom Stamm der Firmicutes im Verhältnis zu den Bacteroidetes, sondern auch pathogene Keime wie Clostridien oder opportunistische Keime wie Citrobacter [7]. In einer weiteren Pilz-Studie mit Schulkindern führte die regelmäßige Gabe von Pleurotus-Polysacchariden zu einer deutlich reduzierten Infektanfälligkeit, hierbei ist die präbiotische Komponente jedoch nur ein Teilaspekt. Hinzu kommt die Anregung sowohl des angeborenen als auch des erworbenen Immunsystems.

Grundsätzlich erhöhte sich bei regelmäßiger Pilzgabe die mikrobielle Vielfalt der Darmflora insgesamt sowie auch der Anteil der Milchsäurebildner – ein wichtiger Stützpfeiler in der Therapie jeder chronischen Erkrankung. Verantwortlich für diese präbiotische Wirkung sind v. a. die langkettigen Kohlenhydrate (Polysaccharide) der Pilze. So z. B. Chitin, Hemicellulose, β-and α-Glukan, Mannan oder Xylan. Zum Chitin ist anzumerken, dass sowohl im Magensaft als auch in den Makrophagen humane Chitinasen zu finden sind und dadurch ein Teil des Chitins zu Glucosamin aufgespalten wird.

Für die Reduktion einer Fehlbesiedlung mit pathogenen Keimen sind sicherlich auch die antibiotisch wirksamen Inhaltsstoffe mitverantwortlich. Pilze werden in der Forschung gerne als Ressource für die Neuentwicklung von Antibiotika genutzt. Aus einem Verwandten des Reishi hat man kürzlich an der Universität Greifswald ein bereits im Tierversuch erfolgreich gegen MRSA getestetes Antibiotikum isolieren können [3].

Auch die fungizide Wirkung der Pilze ist belegt: Die Polysaccharide der Schmetterlingstramete (Coriolus versicolor) ([ Abb. 2 ]) und auch des Shiitake (Lentinula edodes) hemmen zusätzlich zur präbiotischen Wirkung auch das Wachstum von Candida albicans und anderen Hefen [14].

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Abb. 2 Schmetterlinstramete (Coriolus versicolor). (© Mykotroph)

Bezüglich der Darmgesundheit kommen noch weitere Wirkmechanismen zum Tragen. Der Igelstachelbart (Hericium erinaceus) ([ Abb. 3 ]) hat einen äußerst positiven Einfluss auf die Schleimhäute des Magen-Darm-Trakts, er reduziert Entzündungen sowie die Entwicklung eines Leaky-Gut-Syndroms. Auch der sIGA-Spiegel als Zeichen einer gestärkten Immunabwehr erhöht sich unter einer regelmäßigen Heilpilzeinnahme.

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Abb. 3 Igelstachelbart (Hericium erinaceus). (© Mykotroph)

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Unterstützung der Ausscheidungsorgane

Die starke Zunahme an Schwermetall- und Pestizidbelastungen und v. a. deren Kumulation in der Umwelt – und daher auch im Menschen, der am Ende der Nahrungskette steht – sind weitere Ursachen, die das Immunsystem belasten und aus dem Gleichgewicht bringen können. Daher ist die Entgiftung sowohl in der Prävention als auch in der Therapie ein grundlegender Baustein. Pilze können organspezifisch eingesetzt werden, sie unterstützen durch ihren Enzymgehalt im unveränderten Pilzpulver die jeweiligen Ausscheidungsorgane, fördern aber auch generell die Entgiftung. Die wichtigsten Pilze zur Unterstützung der Entgiftungsorgane Niere, Leber und Lymphsystem sind die folgenden:

  • Cordyceps fördert die Diurese, wirkt nephroprotektiv und trägt zur Regeneration bereits geschädigter Nieren bei.

  • Reishi ist ein wichtiger „Leberpilz“, er unterstützt den Leberstoffwechsel, fördert die Schwermetallausleitung und steigert die Glutathion-Produktion.

  • Polyporus, der Pilz für das Lymphsystem, wird bei Erkrankungen des lymphatischen Systems, bei Ödemen und bei Entgiftungsmaßnahmen eingesetzt.

Heilpilze unterstützen nicht nur alle Entgiftungsmaßnahmen. Bei regelmäßiger Einnahme können sie auch vor Karzinogenen, Strahlungsschäden und den Folgen von Schadstoffbelastungen schützen.


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Chronischer Stress

Auch chronischer Stress kann infolge übermäßig erhöhter Kortisolspiegel eine Beeinträchtigung der Abwehrlage begünstigen. Die Zahl der Patienten, die durch Überforderung oder psychische Belastungen zunehmende Erschöpfung oder ein Burn-out erfahren, nimmt zu. Damit einher geht meist eine unzureichende Schlafqualität, die sich ebenfalls negativ auf das Immunsystem auswirkt. Auch bei diesen Ursachen kann man mit Heilpilzen sehr gut ansetzen. Pilze wie Reishi und Cordyceps, die als Basispilze der Stressbehandlung gelten, sind seit Jahrtausenden verwendete Tonika.

  • Cordyceps: In der TCM wird der Pilz für Stärke, Widerstandsfähigkeit und Willenskraft eingesetzt, um die Lebenskraft und die Vitalität zu erhöhen. Gleichzeitig fördert er das hormonelle Gleichgewicht und unterstützt die gesunde Regulationsfähigkeit des autonomen Nervensystems.

  • Reishi: Er kann die Sauerstoffaufnahme des Blutes erhöhen. Er wirkt kardiotonisch, hemmt die Thrombozytenaggregation, trägt zur Reduzierung der Arteriosklerose bei und kann die Lungenfunktion verbessern. Auch bei innerer Unruhe, Konzentrationsstörungen und Schlaflosigkeit hat er sich als Heilmittel bewährt [16].

  • Hericium: erhöht die Stressresistenz und fördert Gelassenheit und Schlafqualität.

Die Pilze Cordyceps, Hericium und Reishi lassen sich bei chronischen Belastungen auch sehr gut in Kombination einsetzen. Chronischer Stress ist zudem ein Faktor, der den Patienten in eine Depression führen kann.


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Depressionen, Immunsystem und Dectin-1-Rezeptor

Depressionen unterschiedlichster Genese beeinflussen den Stoffwechsel ungünstig und stehen in intensiver Wechselwirkung mit dem Immunsystem. Oft findet man bei depressiven Patienten erhöhte Entzündungsfaktoren oder schleichende Entzündungen. Bei einem Teil der Betroffenen liegt auch eine Abwehrschwäche vor. Interessanterweise erfahren einige dieser Patienten unter einer Immuntherapie eine Besserung der depressiven Symptome. Eine Erklärung hierfür könnte der Dectin-1-Rezeptor sein.

In einer Studie mit den Polysacchariden des Heilpilzes Maitake (Grifola frondosa) ([ Abb. 4 ]) konnte man eine Bindung an Dectin-1-Rezeptoren auf Makrophagen, natürlichen Killerzellen und zytotoxischen T-Zellen nachweisen. Über diesen Bindungsmechanismus, der sich auch bei anderen Heilpilzen finden lässt, wird auch ein Großteil der tumorhemmenden Wirkung der Pilze erklärt [15]. Weiterhin stimulieren die Betaglukane die Ausschüttung der Interleukine 1 und 2 sowie verschiedener Zytokine. Dectin-1 fördert z. B. die Expression der antientzündlichen Zytokine IL-1 und 10. Der entsprechende Rezeptor ist auch auf den Mikrogliazellen und dendritischen Zellen zu finden. Da eine reduzierte Mikroglia-Funktion mit Depressionen assoziiert sein kann, erklärt man sich hierüber die antidepressive Wirkung der Maitake-Polysaccharide.

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Abb. 4 Maitake (Grifola frondosa). (© Mykotroph)

Cordyceps wird bei Depressionen ebenfalls häufig eingesetzt. Er wirkt entzündungshemmend, aber auch stimmungsaufhellend. Man vermutet hier als einen weiteren möglichen Wirkmechanismus eine reduzierte MAO-Aktivität.


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Weitere immunologische Wirkungen

In einer Studie gab man den 52 Probanden 4 Wochen lang täglich zwischen 5–10 g Shiitake-Pilz. Die Ergebnisse der folgenden Blut- und Stuhlanalyse waren beeindruckend: Es zeigte sich eine Verdopplung der NK-Zellen und eine 60 %ige Erhöhung der γ-δ-T-Zellen; letztere fungieren als Brücke zwischen angeborenem und erworbenem Immunsystem oder auch als „first-line-defense“. Das C-reaktive Protein (CRP) reduzierte sich, was die entzündungshemmende Wirkung des Shiitake bestätigt. Zudem zeigte die Stuhluntersuchung eine deutliche Erhöhung des sekretorischen IgA und damit eine verbesserte Darmimmunität. Auch die Zytokinsekretion veränderte sich innerhalb von 4 Wochen. Die Wissenschaftler konnten eine Erhöhung von IL-4, IL-10, TNF-α und IL-1α messen sowie niedrigere Spiegel des sog. macrophage inflammatory protein-1α/chemokine C-C ligand 3-Levels [1].

Es lässt sich also immer wieder feststellen, dass Pilze sowohl Entzündungen reduzieren als auch die angeborene und die adaptive Immunantwort verstärken. Deshalb können sie nicht nur problemlos, sondern sogar wirkungsvoll bei Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden.

Regulierung der TH1-/TH2-Balance

Ein weiterer bedeutsamer Wirkmechanismus betrifft die TH1-/TH2-Balance. Die beiden Helferzelltypen werden je nach Anforderung vermehrt ausgeschüttet, sie unterliegen jedoch einer strengen gegenseitigen Regulation und sollten nach ca. 24 Stunden wieder im Gleichgewicht sein.

  • Die TH1-Immunantwort wird zur Abwehr viraler oder bakterieller Infektionen benötigt, begünstigt länger andauernd jedoch chronische Entzündungen.

  • Die TH2-Immunantwort benötigen wir bei parasitären Erkrankungen.

Langanhaltend fördert eine TH2-Dominanz – auch TH2-Shift genannt – wie sie bei Allergien gefunden und durch chronischen Stress gefördert werden kann, die Entwicklung von Infektanfälligkeit und Krebserkrankungen. Pilze können diesem Ungleichgewicht entgegenwirken. Als sog. Immunmodulatoren können sie auch bei Krebserkrankungen unterstützend eingesetzt werden.


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Tumorhemmende Eigenschaften

Im alten China war getrocknetes Reishipulver berühmt als „Krebs-Chemotherapeutikum“ [11]. Die zugrundeliegenden Mechanismen für dieses Wirkpotenzial werden erst nach und nach aufgeklärt. Beispielsweise kann Reishi die Zelladhäsion und -migration invasiver Brust- und Prostatakrebszellen inhibieren. Heilpilze werden auch als Biological Response Modifiers eingestuft. Einzelne Pilzinhaltsstoffe wie bspw. das Lentinan aus dem Shiitake (Lentinula edodes) oder PSK aus dem Coriolus (Trametes versicolor) sind mittlerweile gängige Therapeutika in asiatischen onkologischen Kliniken. Sie werden meist adjuvant eingesetzt und erhöhen die Wirksamkeit von Chemotherapeutika und Bestrahlung, verlängern die Überlebenszeit, mildern Nebenwirkungen und unterstützen das Allgemeinbefinden und das Immunsystem der Patienten [4].

Diese Eigenschaften der Pilze sind allerdings nicht nur für einzelne Inhaltsstoffe, sondern auch für das gesamte Pilzpulver nachgewiesen. Dies gilt auch für „simple Speisepilze“ wie den Champignon (Agaricus bisporus). Hier führte der regelmäßige Konsum von Pilzpulver bei Patienten mit Prostatakarzinom zu verbesserten Immunparametern und reduzierten PSA-Werten [13]. Besonders interessant in der Krebstherapie ist zudem ein enger Verwandter des Champignons, der Mandelpilz (Agaricus blazei murrill) ([ Abb. 1 ]). Er enthält einen besonders hohen Anteil der wertvollen langkettigen Betaglukane, wie sie nur in höheren Pilzen zu finden sind. Mittlerweile ist die Anzahl der Studien zur Wirkung von Heilpilzen und deren Inhaltsstoffen bei diversen Tumoren sehr hoch [17].


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Antivirales Trio: Coriolus, Reishi und Maitake

Pilze wirken jedoch nicht allein über die Modulation des Immunsystems. Sie haben auch direkte antivirale Eigenschaften und können z. B. bei EBV, Hepatitis B, Herpes, HPV, HIV oder Influenza zur Anwendung kommen.

Ein Fall aus der Praxis

Die 46-jährige Patientin leidet seit 20 Jahren regelmäßig, oft sogar monatlich unter Herpes labialis mit schmerzhafter Beteiligung des N. facialis. Sie begann, 2-mal tgl. Hericium-Reishi-Pilzpulver-Kapseln in einer Mischung einzunehmen, dies entspricht 2-mal 500 mg tgl. Diese Dosierung behielt sie bei.

Bei Nachfrage nach 5 Monaten berichtet sie, dass seit Einnahmebeginn kein Herpes mehr aufgetreten sei. Die Patientin hat das Pulver einen weiteren Monat eingenommen – bei chronischen Erkrankungen wird eine 3- bis 6-monatige Einnahme empfohlen.

Bei allen Viruserkrankungen kommt besonders dem Baumpilz Coriolus versicolor – der Schmetterlingstramete – große Bedeutung zu [5]. Er hat neben dem Reishi die stärksten antiviralen Eigenschaften und kann gegen Herpes simplex oder auch Varizella zoster eingesetzt werden. Positive Berichte gibt es auch bei Post-Zoster-Neuralgien. Bei HPV-Nachweis sollte zusätzlich Shiitake gegeben werden. In der Prävention und Therapie von Influenza gibt es Erfolge mit Pleurotus und Coriolus. In Zellkulturen wurde diese Wirkung bestätigt [2].

Auf dem alle 2 Jahre stattfindenden Internationalen Kongress für medizinische Pilze (IMMC) wurde 2015 die Wirkung von Coriolus- und Reishi-Pilzen bei HIV-Erkrankungen vorgestellt. Allerdings ist die Wirkung verschiedener medizinischer Pilze, so z. B. des Maitake ([ Abb. 4 ]) bei HIV-Erkrankungen bereits viele Jahre Gegenstand der Forschung. Ein Heteropolysaccharid des Maitake zeigte außerdem eine antivirale Wirkung gegen das Humane Enterovirus 71 [8].


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Bakterielle Infektionen

Pilze sind eine der größten Quellen zur Gewinnung antimikrobieller Substanzen. Die Wirksamkeit der antibiotischen Inhaltsstoffe von Pleurotus oder Reishi bspw. wurde erfolgreich in vitro gegen Keime wie Pseudomaonas aeruginosa, Klebsiella pneumoniae, Staphylococcus aureus oder Bacillus subtilis untersucht [9]. Die Wirksamkeit konnte sowohl gegen grampositive wie auch gramnegative Bakterien belegt werden. Auch eine positive Verstärkung gängiger Antibiotika wie Amoxicillin durch die Kombination mit Pilzen konnte nachgewiesen werden.

Aber nicht nur in vitro, sondern auch in vivo zeigte z. B. Reishi einen günstigen Effekt bei Bronchitis. Shiitake wirkte protektiv gegen Karies (im Test: Streptococcus mutans) und Parodontose [12]. Verantwortlich sind hier mehrere Inhaltsstoffe: darunter Adenosin, das die Biofilm-Bildung reduziert. Eine direkt hemmende Wirkung gegen S. mutans haben die Sesquiterpene, weitere Terpene, Steroide und Antrachinone.

Der Auricularia wird bereits seit langer Zeit in der TCM gegen Infektionen der oberen Atemwege eingesetzt. Eine hemmende Wirkung gegen Staphylococcus aureus wurde mittlerweile in vitro nachgewiesen. Die Wirksamkeit in vivo wird hier allerdings eine Kombination der unterschiedlichen Inhaltsstoffe, ihrer Synergien und Mechanismen einschließlich der Immunaktivierung sein.


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Was ist bei Autoimmunerkrankungen zu beachten?

Viele sog. Immuntherapeutika stimulieren ausschließlich die TH1-Zellen. Sie sind deshalb bei Autoimmunerkrankungen, die mit einer TH1-Dominanz einhergehen – wie dies oft bei organbezogenen Autoimmunerkrankungen der Fall ist – kontraindiziert. Dieses Problem besteht bei der Mykotherapie nicht – im Gegenteil: Bei zahlreichen Autoimmunerkrankungen werden sogar äußerst gute Erfolge erzielt, z. B. mit dem Mandelpilz oder dem Reishi. Oft beobachtet man hier bereits innerhalb von 3 Monaten ein deutliches Absinken der Antikörper, da Pilze adaptogene und immunmodulierende Eigenschaften haben. Sie können das Immunsystem im Fall einer TH1- oder TH2-Dominanz in die Balance bringen und wirken zusätzlich entzündungshemmend.

Gemäß der aktuellen Studienlage wirken Kombinationen aus 2 oder mehr Pilzen z. T. stärker als die entsprechende Menge eines Einzelpilzes. Daher kann eine auf den Patienten optimal abgestimmte Kombination eingesetzt werden.

Online zu finden unter:
http://dx.doi.org//10.1055/s-0042-123665

Interessenkonflikte: Die Autorin hält im Rahmen ihrer freiberuflichen Tätigkeit Vorträge und Schulungen für die Firma MykoTroph.


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Über die Autorin

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Dorothee Bös hat Biologie studiert und im Fachbereich Medizin promoviert. Sie war viele Jahre Leiterin der therapeutischen Abteilung einer komplementärmedizinischen Praxisklinik. Heute hält sie Vorträge und Schulungen zur Mykotherapie.

  • Literatur

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Korrespondenzadresse

Dr. rer. med. Dorothee Bös
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