Journal Club AINS 2017; 06(01): 9
DOI: 10.1055/s-0043-101805
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Medikamentenversorgung: Nebenwirkungen verhindern

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Publication Date:
06 April 2017 (online)

Deutsche Wissenschaftler stehen vor der Lösung eines schwierigen, medizinischen Problems. Bisher sind unerwünschte Effekte von Medikamenten ein großes Problem bei der Behandlung alter Menschen. Jetzt haben Mediziner der geriatrischen Kliniken in Mannheim und Essen einen Lösungsansatz gefunden, mit dem sich die Fehlerquote bei der Medikamentenversorgung verringern lässt. Zudem können Nebenwirkungen vermieden werden und nebenbei steigt die Lebensqualität der Patienten.

Ziel der Wissenschaftler war, die Über- und Unterversorgung mit Medikamenten jeweils deutlich zu verringern. „Dabei helfen einfache Negativ-Listen mit einer Übersicht an schlechten Medikamenten nicht aus“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Martin Wehling, Direktor Klinische Pharmakologie an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. „Wir müssen herausfinden, woran es den Patienten wirklich fehlt und welche Medikamente tatsächlich helfen.“

Dafür hat Wehling das FORTA-Prinzip entwickelt, die Grundlage einer aktuellen Studie. FORTA steht für „Fit fOR The Aged“ und ist ein Vorschlag für die Bewertung positiver sowie negativer Arzneimittel, die erstmals 2008 von Wehling publiziert wurde. Nach diesem Prinzip wurden 2010 im Rahmen einer Buchpublikation konkrete Arzneimittel bewertet – ein Novum zu dieser Zeit. Nach mehreren Weiterentwicklungen, an der insgesamt 25 Mediziner als Gutachter beteiligt waren, misst die aktuelle FORTA-Liste nun 273 Bewertungen für 29 Indikationen, also Heilverfahren für bestimmte Krankheitsbilder. Anders als Negativ-Listen von Medikamenten, die nur beschreiben, welche Medikamente nicht verwendet werden sollen, beleuchtet die FORTA-Liste auch die positiven Seiten. Konkret werden die Arzneien in vier Kategorien einsortiert.

Um die Wirksamkeit dieser Liste zu prüfen, führten Wissenschaftler der geriatrischen Kliniken in Mannheim und Essen die VALFORTA-Studie durch, deren Ergebnisse im Januar 2016 in der renommierten geriatrischen Zeitschrift „Age & Ageing“ veröffentlicht wurden.

„Die Ergebnisse sind aus meiner Sicht phänomenal. Denn wir konnten nachweisen, dass sich nach der FORTA-Anwendung die Medikamentenversorgung gegenüber der Kontrollgruppe um das 2,7-Fache verbessert hat“, sagt Wehling. Sprich: Bei den Studienpatienten mit anfangs > 3 nachgewiesenen Medikationsfehlern konnten diese durch Anwendung der FORTA-Regeln hochsignifikant auf < 1 reduziert werden. Und noch einen positiven Nebeneffekt gab es: Aus rechnerischer Sicht mussten nur 5 Patienten nach FORTA behandelt werden, damit eine unerwünschte Arzneimittelnebenwirkung vermieden werden konnte. „Oft sind für solche Ergebnisse mind. 100 Patienten nötig, manchmal müssen sogar bis zu 2000 Patienten behandelt werden“, sagt Wehling.

Darüber hinaus stieg auch die Lebensqualität der nach FORTA behandelten Gruppe. Referenzwert war hier der Barthel-Index, der die Pflegebedürftigkeit eines Patienten misst.

Nach einer Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG)