Laryngorhinootologie 2017; 96(04): 259
DOI: 10.1055/s-0043-102219
Facharztfragen
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Publikationsdatum:
10. Mai 2017 (online)

Innenohr, Gleichgewichtssinn und Otobasis

Sprechen Sie über Symptomatik, Diagnostik und Therapie des Vestibularisschwannoms!

Antwort: Das Vestibularisschwannom ist ein gutartiger neuroektodermaler Tumor der peripheren Schwann-Zellen des N. vestibulocochlearis. Dabei ist der N. vestibularis inferior häufiger betroffen als der N. vestibularis superior. Der N. cochlearis ist nur extrem selten Ursprung eines Vestibularisschwannoms. Die Inzidenz liegt zwischen 0,2 und 1,7/100000 Einwohner und hat hauptsächlich nach Einführung des MRT durch die verbesserte Diagnostik auch kleinerer Tumoren zugenommen. Die Inzidenz nimmt ab dem 50. Lebensjahr zu. Ein nachgewiesener Risikofaktor ist die Strahlentherapie der Kopf-Hals-Region vor allem im Kindesalter mit einer Latenzentwicklung über 20–55 Jahre.

In den allermeisten Fällen entsteht das Vestibularisschwannom intrameatal und breitet sich langsam nach extrameatal aus. Die gebräuchlichste Klassifikation ist die Einteilung nach Koos: T1 – Tumor rein intrameatal lokalisiert, T2 – 0–2 cm nach extrameatal reichende Anteile, T3 – 2–3 cm nach extrameatal reichende Anteile, T4 – > 3 cm nach extrameatal reichende Anteile. In den meisten Fällen tritt das Vestibularisschwannom einseitig auf. Bei beidseitigem Auftreten ist das Vorliegen einer Neurofibromatose Typ 2 abzuklären.

Erstsymptome sind die einseitige Hörminderung (bei 95% aller Patienten mit Vestibularisschwannom), Tinnitus (bei 60%) und Unsicherheitsgefühl (bei 60%). Dabei kann das Hörvermögen schwankend sein und sich auch zwischenzeitlich wieder erholen. Akuter Drehschwindel ist selten ein Erstsymptom, da durch das langsame Wachstum der Funktionsverlust durch die Gegenseite kompensiert wird. Selten sind bei großen Tumoren Affektionen des N. trigeminus, des N. facialis oder Kompressionssymptome des Kleinhirns.

Diagnostisch zeigt sich im Audiogramm die seitendifferente reine Innenohrschwerhörigkeit, im Sprachaudiogramm kann für die gemessene Hörminderung eine deutlich schlechtere Sprachdiskrimination vorliegen. In der Vestibularisdiagnostik findet sich häufig ein symptomarmer vestibulärer Ausfall oder eine Mindererregbarkeit der betroffenen Seite. Die frühen akustisch evozierten Potenzialen können die typischen Auffälligkeiten einer retrocochleären Störung zeigen wie Interpeaklatenz J I-III>2,0 ms, J I-V>4,2 ms und eine interaurale Latenzdifferenz ≥0,3 ms. Die Bildgebung erfolgt mittels hochauflösendem MRT mit Gadolinium. Die Spezifität und Sensitivität liegt für das Vestibularis-schwannom bei nahezu 100%. Der typische MRT-Befund zeigt für das Vestibularisschwannom folgende Auffälligkeiten: T1 nativ – hypo- bis isointenses Signal, T1 mit Kontrastmittel – meist homogene, seltener heterogene KM-Aufnahme, T2 – hyperintenses Signal, CISS – Aussparung gegenüber dem hyperintensen Liquorsignal.

Die Therapie des Vestibularisschwannoms ist abhängig von Größe, Ausdehnung, vorliegenden Funktionsdefiziten, Alter und Nebenerkrankungen des Patienten. Die Therapiemöglichkeiten umfassen die Operation über verschiedene Zugangswege, die Radiatio und die Wait-and-scan-Strategie. Kleine Tumoren ohne weitere Symptomatik können zunächst mittels regelmäßiger MRT-Bildgebung beobachtet werden. Bei jüngeren Patienten mit Hörverschlechterung und Schwindelsymptomen sowie bei Tumorgrößen >3 cm sollte die operative Therapie diskutiert werden. Bei älteren Patienten, wenig Symptomatik, Komorbiditäten und Tumorgrößen <3 cm kann die Strahlentherapie eine Therapiemöglichkeit darstellen.