Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2017; 12(04): 411-440
DOI: 10.1055/s-0043-103228
Pädiatrische Orthopädie und Unfallchirurgie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Aktuelle orthopädische Diagnostik und Therapie bei Kindern mit Zerebralparese

Leonhard Döderlein
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Korrespondenzadresse

Dr. med. Leonhard Döderlein
Orthopädische Kinderklinik
Bernauer Str. 18
83229 Aschau im Chiemgau

Publication History

Publication Date:
03 August 2017 (online)

 

Zerebralparesen bedürfen einer Menge an unterschiedlichen Behandlungen und Interventionen durch eine Vielzahl von Berufsgruppen sowohl während der Wachstumsperiode als auch danach im Erwachsenenalter. Da die Zeit des Wachstums und der Entwicklung von einer besonders starken Dynamik in den Auswirkungen auf den Bewegungsapparat gekennzeichnet ist, soll der Schwerpunkt der Übersicht auf dieser Periode liegen.


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Abkürzungen

BoNT: Botulinumtoxin
CP: Zerebralparese
GABA: Gamma aminobutyric Acid (γ-Aminobuttersäure)
GGI: Gillette Gait Index
GMFCS: Gross Motor Function Classification System
GMFM 66: Gross Motor Function Measure
GPS: Gait Profile Score
ICF: International Classification of Functioning
MACS: Manual Ability Classification System
MRC: Medical Research Council
PedQoL: Pediatric Quality of Life Questionnaire
PNF: propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation
PVL: periventrikuläre Leukomalazie
SPZ: sozialpädiatrische Einrichtung
ZEMB: Zentrum für Erwachsene mit Behinderung
ZNS: zentrales Nervensystem
 

Einleitung

Die infantile Zerebralparese beschreibt einen Symptomenkomplex als Folge einer statischen Schädigung des noch nicht ausgereiften Gehirns in der Prä-, der Peri- oder der frühen Postnatalperiode. Ihre Auswirkungen beziehen sich überwiegend auf die Haltungs- und Bewegungsmotorik, wenngleich eine Vielzahl an zusätzlichen Einschränkungen vorkommen kann.

Die Zerebralparese stellt die häufigste Ursache für kindliche Körperbehinderungen dar und tritt in den Ländern der westlichen Welt mit einer Häufigkeit von 2 – 3 auf 1000 Lebendgeburten auf. Es wird geschätzt, dass es weltweit etwa 17 Millionen Betroffene gibt [1].

Wegen der häufigen Einschränkungen am Bewegungsapparat kommt der Orthopädie ein wesentlicher Stellenwert in der Versorgung der Patienten zu. Neue Erkenntnisse zur Pathogenese, weitergehende Diagnosemethoden, aber auch neue therapeutische Entwicklungen unterstreichen die Notwendigkeit einer aktuellen Darstellung.

Definition

Begriffsbestimmung: infantile Zerebralparese

Die infantile Zerebralparese ist in der westlichen Welt die häufigste Ursache kindlicher Körperbehinderungen. Sie ist die Folge einer Schädigung des unreifen Gehirns und führt zu einer lebenslang fortbestehenden Störung der Haltungs- und Bewegungsfunktionen. Abhängig vom Schweregrad kommen Zusatzbehinderungen ebenfalls relativ häufig vor.

Die Wachstumsperiode ist durch eine große Zahl von formgebenden Einflüssen geprägt, durch die das Erscheinungsbild ständig dynamisch verändert wird.


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Ätiologie und Pathogenese sowie orthopädische Probleme

Für die Störungen der Hirnentwicklung kommen ätiologisch verschiedene Schadensursachen infrage. An erster Stelle stehen

  • die perinatale Asphyxie,

  • die zerebralen Hypoxien,

  • der Hirninfarkt und

  • die intrazerebralen Blutungen.

Mit ähnlichem Mechanismus können auch Beeinträchtigungen der fetalen Entwicklung durch Schäden an der Plazenta eine Rolle spielen. Weitere zerebral schädigende Mechanismen können Infektionen, Medikamente oder teratogene Substanzen sein. Auch syndromale Ursachen und angeborene Fehlbildungen des Gehirns kommen vor.

Obwohl die erheblich verbesserte Intensivversorgung von früh- und mangelgeborenen Kindern eine enorme Verbreitung erfahren hat, konnte dieser Umstand die Prävalenz der Störung nicht senken. Als besonders gefährdet gelten immer noch Kinder mit einem niedrigen Geburtsgewicht: Unterhalb von etwa 1500 Gramm beginnt die Gefährdung steil anzusteigen.

Merke

Je niedriger das Geburtsgewicht ist, desto stärker gefährdet sind die Kinder.

Die Art, die Lokalisation und das Ausmaß der resultierenden Hirnschädigung sind neben dem Reifegrad von der Dauer und der Intensität der schädigenden Prozesse abhängig. Sie sind unterschiedlich stark ausgeprägt und reichen von einem geringgradigen lokalisierten Befund mit minimalen, kaum sichtbaren Funktionseinbußen bis hin zur globalen Zerstörung großer Hirnareale mit der Folge einer schwersten Mehrfachbehinderung und absoluter Hilflosigkeit ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Unterschiedliche Ausprägungen der Zerebralparese (CP). a Minimale Parese der linken Hand bei einem 5-Jährigen mit unilateraler CP. b Schwere Windschlagdeformität bei einem 8-Jährigen mit bilateraler CP und Hüftluxation links (GMFCS V).

Art der Probleme

Zusatzbehinderungen

Die peripheren Auswirkungen der Hirnsubstanzdefekte beziehen sich vorrangig auf die Motorik, aber auch auf viele andere Bereiche. So sind bei 2/3 der Patienten auch kognitive Defizite typisch. Weitere Zusatzbehinderungen durch die Auswirkungen der ZNS-Defizite können eine Epilepsie, zentrale und periphere Sehstörungen, Hörprobleme, Kommunikationsstörungen (besonders bei Dystonien), Verhaltensauffälligkeiten, Gedeihstörungen, Einschränkungen der Wahrnehmung und viele andere mehr betreffen. Daraus erklärt sich auch die Vielfalt an medizinischen und anderen Berufsgruppen, die sich mit der Diagnose, der Behandlung und Integration der Patienten beschäftigen.


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Orthopädische Probleme

Merke

Nahezu alle Patienten mit einer Zerebralparese zeigen mehr oder weniger deutliche Einschränkungen am Bewegungsapparat, die unbehandelt fast immer zur stetigen Zunahme bis hin zum totalen Funktionsverlust tendieren können.

Die Vorgänge, die zu den sichtbaren Veränderungen am Muskel- und Skelettsystem führen, sind als Reaktion auf die geänderten motorischen Voraussetzungen aufzufassen. Die Probleme sind dabei meistens mehrdimensional und betreffen zuerst die zentralmotorischen Steuerungs- und Kontrollmechanismen. Es kommt daraufhin zu einer Reihe von Kompensations- und Anpassungsvorgängen an der Muskulatur und sekundär auch am Skelettsystem [2].

Man sollte alle auftretenden Veränderungen in einem dynamischen Kontinuum sehen, das sich durch das Wachstum, durch exogene Einflüsse wie Therapien und funktionelle Kompensationsmechanismen ständig ändert. Dies bedeutet, dass fast jeder zu einem Zeitpunkt gesehene Befund nur eine Momentaufnahme in einem langen Prozess repräsentiert.

Aus Gründen der Übersichtlichkeit lassen sich die verschiedenen pathogenetischen Mechanismen, die auf den Haltungs- und Bewegungsapparat einwirken, in mehrere Gruppen unterteilen:

  • neurologische Mechanismen (gestörte Motorik; pathologische Reflexe; [Abb. 2]),

  • biomechanische Faktoren (einwirkende Kräfte und Muskelfunktionen),

  • Wachstum (Anpassungsvorgänge),

  • iatrogene/therapeutische Faktoren (Veränderungen am Bewegungssystem).

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Abb. 2 Globale pathologische Aktivierung der Streckerkette mit Koaktivierung der Beuger bei einem 6-Jährigen mit bilateraler Zerebralparese (GMFCS II).

Die neurologischen Mechanismen beziehen sich auf eine unzureichende oder fehlende selektive Motorik. Die zentrale Steuerung ist gestört. Zusätzlich kommen Defizite der afferenten Propriozeption und Wahrnehmung und das Überwiegen efferenter, sogenannter primitivmotorischer globaler Reflexaktivität zum Tragen, die sich auf ganze Muskelketten in stereotyper Weise erstrecken kann. Der Komplex der zentral verursachten Muskelschwäche und der leichten Ermüdbarkeit unterstützt diese Defizite weiter.

Merke

Es kommt zu einer Änderung des Muskeltonus, der gesteigert, vermindert, ständig wechselnd oder kombiniert sein kann und sekundär in eine Anpassung der Muskulatur mit erhöhter Steifigkeit und verminderter Exkursion mündet ([Abb. 3]).

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Abb. 3 Pathologische Adaptation der Wadenmuskulatur bei einem 4-Jährigen mit unilateraler Zerebralparese links und bisher unbehandeltem Spitzfuß.

Der spastische Muskel ist kürzer, steifer und schwächer bzw. auch dünner als der gesunde Muskel. Der spastische Muskel passt sich an die geänderten Innervations- und Belastungsverhältnisse mit einem adaptiven Wachstum von Muskelfasern, Sehnen und Bindegewebe an. Die Sarkomere des spastischen Muskels sind dabei extrem überdehnt, was ihre geringe Exkursion und Schwäche erklärt.

Cave

Da die Innervation das Muskelwachstum steuert, sollte jede schwächende konservative oder operative therapeutische Maßnahme sehr kritisch gesehen werden.

Die biomechanischen Faktoren wirken über die Schwerkraft, die beim Liegen und Sitzen wirksam ist, und die Bodenreaktionskräfte, die beim Stehen und Gehen auf die Gelenkketten zur Geltung kommen ([Abb. 4]). Weitere Mechanismen sind die Veränderungen in den mechanischen Voraussetzungen der Muskulatur an den einzelnen Gelenken sowie Abweichungen in den Gelenken selbst, die instabil werden, dezentrieren oder luxieren können. Damit verliert das Skelett seine wirksamen Hebel für die Muskulatur.

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Abb. 4 Einwirkung der Schwerkraft. a Bei einem Patienten mit bilateraler Zerebralparese (GMFCS V) auf die Wirbelsäule. b Beidseitige pathologische Auswirkungen der CP auf die Beingelenkketten bei einem 12-jährigen Mädchen mit bilateraler CP (GMFCS III).
Merke

Das Wachstum ist als konstant ablaufender Prozess zu bedenken, der sich jeweils den veränderten äußeren und inneren Gegebenheiten anpassen wird. Zusätzlich können auch medizinische Maßnahmen sowohl konservativer wie operativer Art am Haltungs- und Bewegungsapparat eingreifen und seine Funktionsweise positiv oder negativ beeinflussen.


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Zusammenfassung

Die Ätiologie der Funktionsstörungen im Bereich der motorischen Zentren und der zentralen Bahnen resultiert aus verschiedenen Schädigungsmechanismen am unreifen Gehirn durch Hypoxie, Infektionen, Toxine und Fehlbildungen, die vor allem bei den unreifen Frühgeborenen in lokale oder globale Hirnschäden münden, wie z. B. die typische periventrikuläre Leukomalazie (PVL) beim unreifen Frühgeborenen oder die Porenzephalie bei schwerem globalem Befall. Es resultieren eine unzureichende motorische Planung, Bewegungsausführung und -kontrolle, die von weitreichenden dynamisch ablaufenden peripheren Anpassungsvorgängen der Muskulatur und des Skelettsystems gefolgt ist. Unbehandelt tendieren sie meistens zur stetigen Verschlimmerung.

Das Wachstum passt sich an die sich ändernden motorischen Gegebenheiten an. Dabei spielen die gestörte selektive Motorik, die durch schablonenhafte uniforme Bewegungsstereotypien, die in Bewegungsketten ablaufen, ersetzt wird, und der pathologische Muskeltonus eine maßgebliche Rolle. Die durch zentrale und periphere Defizite bedingte Muskelschwäche unterstützt diese negativen Effekte weiter.


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Pathomechanische Auswirkungen einschließlich der Gangstörungen

Die gestörte zentrale Bewegungsplanung, -ausführung und -kontrolle wirkt sich direkt auf die Art, die Verteilung und die Qualität der generierten Bewegungen aus.

Das in Abhängigkeit von der Schwere der Behinderung zunehmend eingeschränkte Bewegungsrepertoire der Patienten steht im Vordergrund. Jeder Patient zeigt wie ein Fingerabdruck für ihn charakteristische Bewegungsmuster. Sie führen zusammen mit einer inadäquaten Gelenkbelastung und der geringeren aktiven Mobilität zu kontinuierlichen Veränderungen mit dem Wachstum und der Entwicklung. Diese erstreckt sich sowohl auf die Muskulatur als auch auf die Gelenke und die Skelettelemente, deren Struktur und Funktion den pathologischen Kräften folgen muss. Eine Reversibilität der Veränderungen ist am Bewegungsapparat – wenn überhaupt – nur im Wachstumsalter bei geringer Ausprägung und in eingeschränktem Umfang möglich.

Wenn man die resultierenden Umgestaltungen des Bewegungssystems näher betrachten möchte, muss man die Betroffenen entsprechend ihrem Funktionszustand in gehfähige und in nicht gehfähige Patienten trennen. Dies ist besonders wegen der enormen Belastung der Beine mit Schub- und Scherkräften und einer hohen Dynamik bei den Gehfähigen notwendig. Die formgebenden Kräfte sind hingegen beim sitz- und liegefähigen Patienten deutlich geringer.

Beim Zustandekommen der Deformitäten wirken zusammen:

  • die Art der Kräfte,

  • die Kraftgröße,

  • die Kraftrichtung und

  • die Krafteinwirkungsdauer.

Nicht gehfähige Patienten

Bei diesen Patienten, die sich infolge ihrer ausgeprägten zentralen Störung deutlich weniger oder überhaupt nicht willkürlich bewegen können, verändern die sogenannten Primitivreflexe und die peripheren Muskelungleichgewichte in Verbindung mit der Schwerkraft im Sinne charakteristischer monotoner und kaum variabler Haltungs- und Bewegungsmuster die Körperstatik. Die Patienten nehmen im Sitzen und im Liegen unterschiedliche, individuell aber meistens stereotype Positionen ein, die sich unbehandelt – d. h. ohne ausreichende Lagerungshilfen und regelmäßige passive Bewegungsreize – in zunehmender Weise fixieren. Es kommt zur typischen Entwicklung spastischer bzw. lähmungsbedingter Kontrakturen, Gelenkinstabilitäten und Deformitäten ([Abb. 5]).

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Abb. 5 Kombination aus Kontrakturen der Wadenmuskeln und der Pronatoren mit ausgeprägter subtalarer Destabilisierung (GMFCS IV).

Die jeweilige Richtung, in die sich die Stellung der einzelnen Gelenke verändert und schließlich unbehandelt auch fixiert, wird durch intrinsische und extrinsische Faktoren vorgegeben, die man im Sinne einer zielgerichteten Prävention kennen sollte (s. [Übersicht]). Die Störung der Sitz- und Liegeposition hat eine Einschränkung der Lebensqualität zur Folge.

Übersicht

Intrinsische und extrinsische Mechanismen

Intrinsische (d. h. im Haltungs-Bewegungs-System liegende) Faktoren

  • vorhandene Muskelungleichgewichte (Agonisten gegenüber Antagonisten)

  • Grad des Muskeltonus (je höher, umso kritischer bezüglich der Gefahr von Deformitäten)

  • bevorzugte Positionen

    • zentrale Symmetrien oder Asymmetrien

    • funktionelle Erfordernisse der Position wie Seitneigung beim Rollstuhlantrieb, Schmerzen

  • bisherige habituell eingenommene Haltungen und Positionen (sog. positionelle oder habituelle Deformitäten)

  • anatomisch vorgegebene Gelenkachsen und Muskelzugrichtungen (die durch eine geänderte Gelenkstellung wechseln können)

  • bereits vorhandene Kontrakturen oder Deformitäten (Richtung vorgebahnt)

Extrinsische (d. h. von der Umgebung vorgegebene) Faktoren

  • bisher durchgeführte konservative oder operative Behandlungen, z. B.

    • Medikamente

    • Teno- oder Myotomien

    • Skelettoperationen

  • Art der jeweiligen Sitz- oder Liegeunterlage (weich, hart, zu eng, zu kurz etc.)

  • Art der Sitzversorgung

  • Anzahl und Dauer der regelmäßigen Positionswechsel und Gelenkmobilisationen


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Gehfähige Patienten

Bei diesen Patienten findet man je nach der Ausprägung der zentralen Parese neben den elementaren Bewegungsmechanismen mehr oder weniger große Anteile von willkürlicher Steuerung, die zum Ausgleich von unzureichender Willkürkontrolle eingesetzt werden. Es kommt zu einer Vielzahl verschiedener pathologischer ein- oder beidseitiger sowie symmetrischer und asymmetrischer Gangmuster. Nach Sutherland und Davids [3] können 4 Grundtypen bei symmetrischer Gangstörung unterschieden werden:

  • der Spitzfußgang („jump gait“),

  • der steife Gang („stiff gait“),

  • der Rekurvationsgang („recurvatum gait“) und

  • der Kauergang („crouch gait“).

Nach Wren et al. [4] sind am häufigsten:

  • der steife Gang,

  • der Innenrotationsgang und

  • der Kauergang.

Winters und Gage [5] haben bei der unilateralen Parese eine Einteilung in 4 Gangtypen mit steigendem Schweregrad beschrieben.

  • Typ I: Fußheberparese,

  • Typ II: zusätzlich Spitzfuß,

  • Typ III: zusätzlich steifes Knie,

  • Typ IV: zusätzlich Hüftbeuge-, Adduktions- und Innenrotationsstellung.

Ein Therapiealgorithmus für den spastischen Spitzfuß wurde in [Abb. 6] zusammengefasst.

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Abb. 6 Therapiealgorithmus für den spastischen Spitzfuß.

Die Pathomechanik der jeweiligen Gangstörung wirkt immer in mehreren Elementen, die wachstumsbedingt unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Für das beobachtende Auge, dessen Registriergeschwindigkeit höchstens 16 Bilder pro Sekunde aufnehmen kann, ist es schwierig, diese komplexen Zusammenhänge zu erfassen. Allein mit klinischen Methoden wie der Beobachtung, der Gelenkmessung und der Muskelkraftbestimmung lassen sich aus der Vielzahl der möglichen Faktoren, die für das jeweilige Gangmuster verantwortlich sind, die zutreffenden kaum ausreichend sicher identifizieren.

Praxistipp

Durch die Nutzung der instrumentellen 3-dimensionalen Ganganalyse steht ein wertvolles zusätzliches Hilfsmittel zur Verfügung. Man kann damit alle 3 Ebenen der Gangstörung, die einwirkenden Kräfte und Momente und die pathologischen Muskelaktivitäten genau bestimmen.

Nach Gage [6] wirken bei jeder Gangstörung

  • primäre Mechanismen durch die zentrale (= ZNS-) Schädigung,

  • sekundäre Mechanismen durch die vielfältigen Veränderungen am Bewegungsapparat und

  • tertiäre Mechanismen als Kompensation der primären und der sekundären [7] zusammen ([Abb. 7]).

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Abb. 7 Beispiele für Kompensationsmechanismen. a Die einseitige Kniebeugekontraktur führt beim Gehen automatisch zur beidseitigen Beugestellung. b Bei einseitigem Spitzfuß muss die Gegenseite ebenfalls in Spitzfußstellung gehen.
Definition

Kompensation

Als Kompensation bezeichnet man die Fähigkeit, pathologische Befunde bzw. Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates durch willkürliche Ausgleichsbewegungen zu vermindern oder zu beseitigen.

Adaptation

Als Adaptation bezeichnet man demgegenüber strukturelle Anpassungsreaktionen des Körpers an veränderte mechanische Bedingungen.

Kompensation ist somit eher ein funktioneller, Adaptation eher ein struktureller Vorgang.

Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin, die jeweiligen Anteile der primären, sekundären und tertiären Mechanismen herauszufinden und ihren Einfluss aufeinander zu differenzieren.

Bei jeder Störung des steh- und gehfähigen Zerebralparetikers sind verschiedene Pathologien zu bedenken. Auch hier gilt es wieder, intrinsische (im Bewegungsapparat) und extrinsische (von der Umgebung bestimmte) Faktoren auseinanderzuhalten (s. [Übersicht]).

Übersicht

Intrinsische und extrinsische Komponenten der zentralen Gangstörung

Intrinsische (d. h. im Haltungs-Bewegungs-System liegende) Faktoren

  • primäres Haltungs- und Bewegungsmuster mit dem zentralen Muskelungleichgewicht und den vorherrschenden pathologischen Reflexen

  • Muskeltonusveränderungen

  • Muskelverkürzungen

  • Gelenkkontrakturen

  • Muskelschwäche

  • Gelenkinstabilitäten

  • Schmerzen

  • Skeletthebelinsuffizienzen (tragen zusätzlich zur Schwäche bei)

  • strukturelle Deformitäten des Skeletts (in 3 Ebenen)

  • Beinlängendifferenzen

Extrinsische (d. h. von der Umgebung vorgegebene) Faktoren

  • psychische Einflüsse (Motivation und Antrieb, Ermüdbarkeit etc.)

  • Trainingszustand (kardiopulmonale Kondition)

  • die Art des Bodens, auf dem der Patient steht oder geht

  • die Verwendung verschiedener Gehhilfen

  • die Verwendung von Orthesen/Schuhen

  • evtl. vorausgegangene Operationen

Die Störungen der Gehfunktion führen zur vermehrten Gelenkbelastung, zur verminderten Gehleistung sowie zu Schmerzen und damit zur Funktionseinschränkung.

Merke

Die biomechanischen Auswirkungen der gestörten Haltungs- und Bewegungsfunktionen sind zwischen den nur sitz- und liegefähigen und den gehfähigen Patienten grundlegend verschieden.

  • Bei den sitzfähigen Patienten kommt es aufgrund der geringen bzw. fehlenden Eigenaktivität und der damit verbundenen unzureichenden Bewegungsstimulation zu typischen Adaptationen am Muskel- und Skelettsystem. Aktive Agonistenmuskeln neigen zur stetigen Verkürzung, ihre Gegenspieler zur Elongation. Beide atrophieren. Eine unzureichende aktive Stabilisierung des Körpers gegen die Schwerkraft hat zusammen mit einer pathologischen Reflexaktivität individuell charakteristische Haltungsmuster zur Folge, die sich unbehandelt kontinuierlich bis zum mechanischen Gelenkstopp oder der Destabilisierung verschlimmern.

  • Beim gehfähigen Patienten addieren sich die Reste der Willkürmotorik und der mustergebundene Tonus sowie die pathologischen Gelenkstellungen und die ungünstige Einwirkung von Schub- und Scherkräften. Die stets vorhandene Muskelschwäche nimmt mit dem Wachstum zu. Es kommt zu klassischen, sich in ihrem Schweregrad steigernden Steh- und Gehstörungen und sekundären Anpassungsvorgängen mit Funktionsverlust und Schmerzen.


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Diagnostische Vorgehen

Die aktuell verwendeten diagnostischen Verfahren sind bei der Zerebralparese mit ihrem überaus variablen klinischen Erscheinungsbild vielgestaltig. Da jede Diagnosemethode für sich nur Teilinformationen liefert, sollte man sich eine Systematik zurechtlegen, um jeden Befund umfassend zu evaluieren. Damit lässt sich eine solide Basis für das weitere Vorgehen schaffen.

Die diagnostischen Möglichkeiten können in die klinischen, die apparativ-statischen und die apparativ-dynamischen Verfahren unterteilt werden.

Klinische Untersuchung

Die klinische Untersuchung schlägt eine Brücke zwischen der klassischen orthopädischen Muskel- und Gelenkdiagnostik und der neurologischen Erhebung. Deshalb sollte sich der Arzt auf beiden Gebieten auskennen und ständig weiterbilden.

Orthopädische Untersuchung

Die orthopädische Untersuchung zerfällt in die Bereiche der Inspektion und in die Palpation jeweils in Ruhe und in Bewegung. Der neurologische Teil erstreckt sich zunächst auf die qualitative Beurteilung der Motorik. Neben einer ausführlichen klinisch-orthopädischen Gelenkuntersuchung werden Kraft, Sensibilität und Reflexe untersucht.

Man sollte den normalen Bereich, die Grenzbefunde und die eindeutig pathologische Motorik kennen, um die jeweils vorherrschenden Muster einzuordnen.


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Funktionsanalyse

Die Funktionsanalyse beginnt auch hier mit der Inspektion der Spontanmotorik unter Abschätzung der mustergebundenen und der willkürlichen Anteile. Für die Prüfung der Steh- und Gehfunktionen sind bei fehlender freier Gehfunktion verschiedene Gehhilfen nützlich. Die Beinmotorik, die Rumpf- und Kopfmotorik und die Hand-Arm-Funktionen müssen getrennt voneinander untersucht und dokumentiert werden.


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Ganganalyse

Bei der sogenannten beobachtenden Ganganalyse beschreibt man das Gangbild anhand verschiedener Parameter getrennt in die Stand- und Schwungphase. Durch die Videoaufzeichnung lässt sich die Ganganalyse weiter verfeinern und dient auch der genaueren Dokumentation.

Man beschreibt das Gangbild nach Gage [6] in den folgenden Bereichen:

  • Stabilität des Standphasenbeins,

  • Bodenfreiheit des Schwungphasenbeins,

  • Erstkontakt des Fußes zum Standphasenbeginn,

  • Schrittlänge,

  • Energiekonservierung,

  • Gangsymmetrie.

Read et al. [14] haben den Edinburgh Visual Gait Score vorgeschlagen, der unter Markierung der Spinae, der Patellae und der Kalkaneuslängsachsen eine differenziertere Beschreibung gestattet. Dazu werden in Stand- und Schwungphase getrennt für beide Seiten alle Auffälligkeiten vermerkt:

  • in den verschiedenen Etagen (Rumpf, Becken, Hüften, Knie, Füße) und

  • in den 3 Ebenen (sagittal, transversal, frontal).


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Muskeltonus

Die Erhebung des Muskeltonus nach der Ashworth-Skala in 5 Stufen und die Unterscheidung zwischen mustergebundenen Anteilen und Willkürmotorik sind wichtige weitere Komponenten der klinischen Diagnostik. Die Muskelkraft lässt sich nach MRC (Medical Research Council) in die Stufen 0 – 5 abschätzen.

Für weitere Informationen sei auf die spezielle Literatur verwiesen.


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Apparative Untersuchung

Röntgendiagnostik

Die apparative Untersuchung besteht in der Kinderorthopädie in erster Linie aus einer standardisierten Röntgendiagnostik. Die Verwendung spezieller strahlungsmindernder Kinderfolien und die routinemäßige Benutzung eines Gonadenschutzes (stets auch beim Hüftröntgen) sind selbstverständlich ([Abb. 8]).

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Abb. 8 Röntgenaufnahmen sollten immer standardisiert angefertigt werden. a Bei der Wirbelsäule unter Belastung. b Am Fuß stets im Stehen.

Die hauptsächlichen Skelettabschnitte für das Röntgen sind

  • die Hüftgelenke (Beckenübersicht; Rippstein I und II),

  • die Wirbelsäule (Aufnahmen möglichst im Stehen oder im Sitzen, d. h. unter Einwirkung der Schwerkraft),

  • die Füße (stets unter Belastung) und

  • die Kniegelenke.

Weitere Regionen werden nur für spezielle Fragen untersucht.

Andere bildgebende Verfahren wie die MRT- oder die CT-Schnittbilddiagnostik haben nur in besonderen Fällen wie für die präoperative Planung Sinn. Da sie u. U. eine Narkose erfordern, ist der Aufwand beträchtlich, abgesehen von hohen Kosten.


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Instrumentelle 3-dimensionale Ganganalyse

Merke

Diese Untersuchungstechnik hat sich für alle speziellen Fragestellungen bei spastischen Gangstörungen und insbesondere auch zur präoperativen Planung und postoperativen Kontrolle als Standardverfahren etabliert.

Wenn diese relativ aufwendige Möglichkeit nicht zur Verfügung steht, sollte man versuchen, insbesondere vor geplanten Operationen eine konsiliarische Diagnostik zu erhalten. Leider muss man sich für die Interpretation der gelieferten Daten und Kurven weiterbilden, um deren Aussagewert genauer einschätzen zu können. Dafür sind Hospitationen oder spezielle Kurse geeignet. Die Interpretation lässt sich nach unserer Erfahrung mit vertretbarem Aufwand erlernen ([Abb. 9]). Wenn man damit die Sicherheit der eigenen Indikationsstellung und der Behandlung für die Patienten verbessern kann, lohnt sich der Aufwand immer. Leider ist die Frage der Kostenerstattung bisher immer noch strittig, was angesichts der dramatischen Folgen einer fehlindizierten oder fehldosierten Operation völlig unverständlich erscheint.

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Abb. 9 Instrumentelle 3-dimensionale Ganganalyse. a Auswirkungen einer Kniebeugerverlängerung auf Knie- und Hüftgelenk, präoperativ (rot) und postoperativ (blau); (Beckenvorkippung und Knierekurvation). b Kinematische und kinetische Auswirkungen eines Kauergangs.

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Fazit

Ganganalyse

In der Praxis wird man bei der Ganguntersuchung meistens die Reihenfolge zuerst klinisch und dann apparativ einhalten. Das Vorgehen nimmt sowohl vom Aufwand für den Arzt als auch von der Belastung des Patienten, aber auch von den Kosten her stetig zu. Jede umfangreichere Untersuchungsmethode sollte daher mit einer gezielten Fragestellung verknüpft sein, die sich dann auch mit der jeweils ausgewählten Testmethode beantworten lässt.


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Klassifikation

Unter der Maßgabe von regelmäßigen klinischen und meist auch radiologischen Kontrollen lassen sich mit der Zeit die prognostischen Informationen zur weiteren Entwicklung bzw. Gefährdung immer besser präzisieren. Zusätzlich kann man das Risiko für die Entwicklung struktureller Deformitäten wie z. B. der Hüftdezentrierung besser abschätzen.

Wegen der Vielgestaltigkeit der Zerebralparese wurde eine große Zahl von Klassifikationen geschaffen, um die Systematik für die Diagnose und die Therapie besser zu standardisieren [1]. Obwohl jede Klassifikation ihre eigenen Schwerpunkte, aber auch Stärken und Schwächen besitzt, seien dem Anwender hier einige wenige, in der Praxis gut einsetzbare und gleichzeitig die Arbeit erleichternde Evaluations- und Klassifikationssysteme empfohlen.

Gross Motor Function Classification System

Dabei kommt der GMFCS-Einteilung (GMFCS = Gross Motor Function Classification System) als derzeit international am weitesten verbreiteter Klassifikation ein hoher Stellenwert zu ([Tab. 1 ] [10], [11]). Sie wird in 5 Kategorien eingeteilt und reicht vom Grad I für die am wenigsten betroffenen Patienten bis zum Grad V für die Schwerstbehinderten, die andauernd auf externe Führung durch Sitz- und Lagerungsversorgung und durchgehend auf fremde Hilfe angewiesen bleiben (s. a. [Fallbeispiele 1] u. [2]). Alle Patienten der Gruppen GMFCS I – III sind gehfähig, allerdings bei der Gruppe III nur mit Gehhilfen.

Tab. 1 Gross Motor Function Classification System – die GMFCS-Klassifikation [10], [11].

Einteilung

Kennzeichen

Beispiel

GMFCS Stufe I

freie Gehfähigkeit zu Hause und in der Schule, drinnen wie draußen

Treppensteigen ohne Geländer möglich

Rennen und Hüpfen sind möglich, jedoch mit eingeschränkter Geschwindigkeit, Balance und Koordination

GMFCS Stufe II

freie Gehfähigkeit im und außer Haus

Treppensteigen nur mit Geländer

Probleme bei längeren Gehstrecken und auf unebenem Terrain, dort müssen evtl. Gehhilfen oder sogar ein Rollstuhl benutzt werden

Rennen und Springen sind kaum möglich

Fallbeispiel 3

GMFCS Stufe III

Gehfähigkeit nur mit Gehhilfen zur Kompensation der Gleichgewichtsprobleme in Gebäuden und für kürzere Strecken außer Haus

Treppensteigen mit Unterstützung und einem Geländer möglich

für mittlere und längere Gehstrecken wird ein Rollstuhl benötigt, als Aktiv- oder seltener als Elektrorollstuhl

Fallbeispiel 1

GMFCS Stufe IV

Steh- und Gehfunktion nur mit fremder Unterstützung möglich, d. h. Gehen nur mit Gehwagen oder Hilfsperson

Transport im Schieberollstuhl

Eigenständige Fortbewegung mit Aktiv- oder meistens mit Elektrorollstuhl

Fallbeispiel 2

GMFCS Stufe V

vollständige Hilflosigkeit

Transport im Schieberollstuhl

passive Unterstützung zur Kopf- und Rumpfkontrolle und zur Positionierung von Armen und Beinen

allenfalls passive Stehfähigkeit möglich

Fallbeispiel

Fallbeispiel 1


[Abb. 10] zeigt einen 12-jährigen Patienten mit bilateraler spastischer Zerebralparese, GMFCS III. Bei diesem Patienten liegt ein starkes Adduktions- und Scherenmuster der Beine vor. Im Röntgenbild zeigt sich eine beidseitige Hüftgelenkluxation. Hier besteht die Indikation zur Hüftrekonstruktion mit Adduktorentenotomie beidseits.

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Abb. 10 Bilaterale spastische Zerebralparese, GMFCS III. a Klinischer Aspekt: starkes Adduktions- und Scherenmuster der Beine. b Röntgenologisch beidseitige Hüftgelenkluxation.

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Sonstige Klassifikationen

Weitere häufig eingesetzte Klassifikationen sind

  • der MACS-Score (Manual Ability Classification System; [12]) für die Handfunktion (ebenfalls in 5 Stufen) und

  • die Grundlagen der ICF (International Classification of Functioning) für die Standardisierung der Behinderung, die ein genaueres Bild der gesellschaftlichen bzw. sozialen Einschränkungen vermittelt. Die Störungen werden dabei in die Bereiche Struktur und Funktion, Aktivität und soziale Teilhabe getrennt untergliedert, und es werden sogenannte Kontextfaktoren miteinbezogen, die umwelt- und personenbezogene Einflüsse einschließen.

  • Mit dem CP-Child-Bogen lässt sich die Lebensqualität von Schwerbehinderten aus der Sicht der Pflegepersonen erheben. Er ist in Alltagsaktivitäten, Positionierung, Transfer und Mobilität, Komfort, Kommunikation und Interaktion, Gesundheitsstatus und allgemeine Lebensqualität unterteilt.

Eine ausführliche Darstellung der aktuellen vielfältigen Evaluationssysteme geben Majnemer [9] und Gage et al. [13].

Fallbeispiel

Fallbeispiel 2


Bei dem 5-jährigen Patienten in [Abb. 11] lag eine bilaterale spastische Zerebralparese GMFCS Stufe IV vor sowie eine spastisch-paralytische Hüftluxation rechts. Zunächst bestand die Therapie in der Hüftrekonstruktion rechts, in weiterem Verlauf kam es jedoch zu einer Verschlechterung der Hüftgelenkzentrierung links, deshalb erfolgte sekundär auch Rekonstruktion des linken Hüftgelenks.

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Abb. 11 Bilaterale spastische Zerebralparese GMFCS Stufe IV sowie eine spastisch-paralytische Hüftluxation rechts. a Präoperative Röntgenaufnahme. b Postoperativ nach Hüftrekonstruktion rechts, Verschlechterung des Hüftbefundes links. c Sekundär Rekonstruktion des linken Hüftgelenks.

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Fazit

Abschließende Bemerkungen zum diagnostischen Vorgehen bei Zerebralparese

  • Die statische und die dynamische Diagnostik sowie die Klassifizierung der Zerebralparese stellen wichtige Grundlagen für die Behandlung dar.

  • Die diagnostischen Maßnahmen stützen sich in erster Linie auf die ausführliche klinische orthopädische und neurologische Untersuchung. Auf ihr basieren zahlreiche Klassifikationen, die vor allem für Verlaufskontrollen nützlich sind.

  • Apparative Untersuchungen treten demgegenüber in den Hintergrund. Lediglich die standardisierte Röntgendiagnostik am Bewegungsapparat und die instrumentelle 3-D-Ganganalyse bei den gehfähigen Patienten haben einen festen Platz im diagnostischen Spektrum. Ihre Indikation muss aber stets mit konkreten Fragen verknüpft sein.

  • Regelmäßige Verlaufskontrollen sind für die genaue Abschätzung der mittel- und langfristigen Prognose unverzichtbar.


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Indikation zur Therapie und präventive Maßnahmen

Die orthopädische Behandlung richtet sich auf die Beseitigung drohender bzw. struktureller Störungen zur Maximierung der vorhandenen Funktionen. Ziele sind die Schmerzfreiheit und die soziale Teilhabe bei gleichzeitiger Minderung der negativen Effekte durch sekundäre Defizite wie Anfallsleiden oder Skelettprobleme. Eine neue Sichtweise der Therapie fokussiert sich zunehmend auf lebenslange intensive zielorientierte motorische Aktivierungsprogramme [14].

Merke

Der Schmerz ist ein zentrales Thema bei Kindern und Adoleszenten mit einer Zerebralparese [15]. Er wurde bei etwa einem Drittel der Patienten festgestellt, wobei die Schmerzlokalisation sich abhängig vom Behinderungsgrad unterscheidet. Am Bewegungsapparat betrifft die Häufigkeit besonders die Kinder mit GMFCS III – V.

Die Indikationsstellung zur Therapie ist bei allen fortbestehenden Störungen immer dann besonders schwierig, wenn sie mehrere Organsysteme betreffen. Der Umstand, dass nahezu jeder Patient mit einer Zerebralparese neben den Einschränkungen am Haltungs- und Bewegungsapparat auch viele andere Defizite aufweisen kann, macht die individuelle Indikationsstellung schwierig. Das Ausmaß und die Qualität der Defizite sind vom Schweregrad der Behinderung abhängig und neigen dazu, unbehandelt meistens zuzunehmen. Allerdings kann die regelmäßige Überprüfung der Patienten im Wachstumsalter auch die große Chance bedeuten, drohende negative Tendenzen mit begrenztem Aufwand aufzuhalten [16], [17].

In dieser Hinsicht wird von den meisten Zentren für Zerebralparetiker eine interdisziplinäre Sprechstunde für die gezielte Diagnostik und Indikationsstellung favorisiert.

Vor der Einleitung orthopädischer Maßnahmen bzw. gezielter Therapien sollte man sich verschiedene Fragen stellen:

  • Welche Bedürfnisse hat der Patient (inklusive Aussagen der Angehörigen und Therapeuten)?

  • Was will ich bei diesem Patienten behandeln?

  • Was will der Patient, dass bei ihm behandelt wird (wo hat er Probleme, aber auch: möchte der Patient überhaupt behandelt werden)?

  • Ist bei den vorliegenden Problemen eine Therapie überhaupt durchführbar?

  • Wenn ja, welche Therapien bzw. Kombinationen kommen in Betracht?

  • Welche vergleichbaren Alternativen gibt es dazu?

  • Was erscheint im jeweiligen Fall als das günstigste Vorgehen?

  • Muss die Behandlung sofort erfolgen oder kann man zuwarten?

  • Was geschieht, wenn man nichts unternimmt und den Patienten seinem Spontanverlauf überlässt?

  • Wer sollte die Behandlung durchführen?

Merke

Die Voraussetzung für jede Behandlung von Patienten mit einer Zerebralparese ist ein realistisches, für den Patienten relevantes und erreichbares Ziel [18].

Folgende Aspekte sind bei der Frage nach einer Intervention zusätzlich zu bedenken:

  • Wie lässt sich das individuelle Schädigungsmuster des Betroffenen beschreiben?

  • Was sind seine individuellen Funktionen und Defizite am Bewegungsapparat?

  • Wie lässt sich seine voraussichtliche Mitarbeit bei der Therapie einschätzen?

  • Besteht noch ein Wachstumspotenzial (mit Verbesserungs- oder Verschlimmerungstendenz)?

  • Welche diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten sind vorhanden?

Gerade weil die meisten Betroffenen oft erst relativ spät mit orthopädischen Problemen bzw. Schmerzen am Bewegungsapparat vorgestellt werden, ist die Idee einer Prävention von häufigen pathologischen und schwerwiegenden Veränderungen am Bewegungsapparat aktuell.

Als häufige Folgen der CP am Skelettsystem sind zu beachten:

  • spastische Muskelverkürzungen und Kontrakturen,

  • spastische Hüftgelenkdezentrierung und Hüftgelenkluxation,

  • spastische Wirbelsäulendeformitäten (Skoliosen, Lordosen und Kyphosen),

  • spastische Fußdeformitäten,

  • spastischer Kauergang.

Ein Therapiealgorithmus für die spastische Hüftgelenkdezentrierung wurde in [Abb. 12] zusammengefasst.

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Abb. 12 Therapiealgorithmus spastische Hüftgelenkdezentrierung.

Für einen Teil dieser Brennpunkte wurde eine Reihe von erfolgreichen Präventionsprogrammen vorgelegt, die aber bisher nur in wenigen Ländern umgesetzt werden konnten. Die Gründe dafür sind vielschichtig und reichen vom fehlenden Problembewusstsein bis hin zur unklaren Zuständigkeit der beteiligten Berufsgruppen für die Präventionsprogramme (Neuro- bzw. Sozialpädiater; Physiotherapeuten, Kinderorthopäden usw.) und selbstverständlich auch einer ungeklärten Kostenseite. Allerdings konnte längst nachgewiesen werden, dass mit der adäquaten Prävention erhebliche Kosten eingespart werden können [17].

Prinzipien

Therapieprinzipien der Zerebralparese

  • Die Indikationsstellung zur Therapie darf sich nicht nur auf den Lokalbefund beschränken, sondern muss die Gesamtsituation und die individuellen Bedürfnisse des Patienten berücksichtigen.

  • Die Indikationsstellung zur Therapie ist mindestens ebenso schwierig wie die adäquate Behandlung. Jede Indikation sollte gegen den wahrscheinlich zu erwartenden Spontanverlauf abgewogen werden. Dies gilt besonders für eingreifende oder aufwendige Verfahren.

  • Die dynamisch wechselnde Natur der Bewegungsstörung erfordert ein stetiges Anpassen der Indikationen. Wegen der hohen Progredienzgefahr von strukturellen Veränderungen am Bewegungsapparat kommt einer Indikationsstellung zur Prävention ein hoher Stellenwert zu.

  • Die meisten Behandlungsverfahren werden als Therapiekombinationen im Rahmen eines integrierten Behandlungsplanes mit klaren Zieldefinitionen verordnet.

  • Präventions- und Therapiemaßnahmen sollten im interdisziplinären Behandlungsteam abgesprochen werden.


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Konservative Behandlungsmethoden

Der wechselnde Charakter einer primär die Haltungs- und die Bewegungsfunktionen betreffenden Störung macht die unzähligen Wege verständlich, die seit Jahrzehnten für die Behandlung der Zerebralparese vorgeschlagen und versucht worden sind. Ihre Grundlagen und ihre postulierten Wirkungsmechanismen sind teilweise völlig konträr. Einheitlich ist dabei nur, dass für die meisten konservativen Methoden ein wissenschaftlicher Wirkungsnachweis aussteht. Die Begriffe Hoffnung und Glaube beherrschen fast durchweg die meisten konservativen Therapien. Eine weitverbreitete Unsicherheit aufseiten der Eltern und vergeudete wertvolle Ressourcen aufseiten der Patienten und der Kostenträger sind die Folge.

Um eine solide Basis für die nicht nur den Patienten, sondern auch seine Angehörigen und nicht zuletzt auch die Sozialsysteme belastenden bunten Behandlungsmethoden zu schaffen, empfehlen wir eine Rückbesinnung auf die Auswirkungen der zentralen Störungen für die periphere Motorik und den Bewegungsapparat [14].

Dazu sind das sensomotorische System, die Störung der motorischen Entwicklung und des motorischen Lernens und die sekundären Anpassungsvorgänge der Skelettmuskulatur und des Knochens zu bedenken. Jede Behandlungsmethode, die sich mit einem oder mehreren dieser Bereiche befasst, sollte ernsthaft in Erwägung gezogen werden.

Praxistipp

Selbstverständlich zu berücksichtigen sind die Grundpfeiler jedes motorischen Lernens mit den Punkten:

  • Zielorientierung (was oder welche Funktionen will ich verbessern)

  • ausreichende Wiederholung der gestellten Aufgaben

  • Übungen an der individuellen Leistungsgrenze

  • und adäquate Motivation – ein Lernen unter Zwang kann keine neuen Bewegungsmuster generieren.

Entsprechend der Vorgehensweise im operativen Abschnitt seien auch die konservativen Behandlungen nach ihrer Zielsetzung in Prävention, in Therapie und in Palliation gegliedert. Trotz der unvermeidlichen Überschneidungen wird man das jeweilige Vorgehen eher an seiner Zielsetzung ausrichten. Im Hinblick auf die beabsichtigte Wirkung sollte man zwischen der motorischen Schulung und der Behandlung von sekundären Effekten der Parese am Bewegungsapparat unterscheiden.

Fallbeispiel

Fallbeispiel 3


In [Abb. 13] ist ein 15-jähriger Patient mit rechtsbetonter bilateraler spastischer Zerebralparese (GMFCS II) und starken Spitz-Knick-Füßen dargestellt, die mit sogenannten sprunggelenkumgreifenden Steigbügelorthesen funktionell korrekt versorgt sind.

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Abb. 13 Rechtsbetonte bilaterale spastische Zerebralparese (GMFCS II). a Klinischer Aspekt der starken Spitz-Knick-Füße. b Orthopädietechnische Versorgung mit Steigbügelorthesen in Schuhen.

Konservative Behandlung mit der Zielsetzung Prävention

Die Idee, durch eine gezielte Beeinflussung der frühkindlichen Motorik eine günstigere Prognose zu erreichen, ist nicht neu. Viele der sogenannten neurophysiologischen Methoden der Krankengymnastik beanspruchen eine positive Beeinflussung der motorischen Entwicklung durch frühzeitige Anwendung für sich (sogenannte early Intervention Programs). Eine zusammenfassende Untersuchung verschiedener Methoden der Frühbehandlung ergab jedoch, dass keine positiven Auswirkungen auf die Entwicklung zu finden waren.

Merke

Die Behandlung Frühgeborener sollte sich von der Reifgeborener unterscheiden. Bei ihnen ist eine adäquate Entwicklungsförderung sinnvoll [19].

Die präventiven Ansätze beziehen sich auf

  • die Schaffung verbesserter Bewegungsabläufe,

  • die Tonussenkung,

  • die Erhaltung der Muskelexkursionen,

  • Erhaltung der Gelenkstabilität.

Präventive Ansätze beinhalten physiotherapeutische, orthopädietechnische und medikamentöse Verfahren.

Dehnung

Die kontinuierliche Dehnungsbehandlung ist ein etablierter Bestandteil der konservativen Therapie, obwohl ihr Effekt bisher nicht eindeutig bewiesen wurde [20]. Die regelmäßige funktionelle Prüfung erlaubt die Beurteilung des Verlaufs der Gelenkexkursion.


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Detonisierung

  • Botulinumtoxin: Die gezielte Tonussenkung mit Botulinumtoxin (BoNT) ist seit Jahren verbreitet. Die Injektionen werden unter Beachtung einer individuellen Lokal- und Gesamtdosis gezielt in die betroffene Muskulatur vorgenommen. Die sonografiegesteuerte Punktion kann die Erreichbarkeit tiefliegender Muskeln verbessern, ist jedoch auch durch Dehnung der injizierten Muskeln unter Stimulationskanülen zur Bestimmung der Nadellage möglich [21], [22].

  • Detonisierende antispastische Medikamente können oral nur in relativ geringer Gesamtdosierung gegeben werden. Bei hohem Muskeltonus der Beine hat sich das intrathekale Baclofen über eine programmierbare und subkutan implantierte Pumpe als wirksame Methode erwiesen. Baclofen wirkt dabei als GABA-Rezeptor-Antagonist auf die präsynaptischen Endigungen der Ia-Afferenzen im Rückenmark. Baclofen führt damit zu einer präsynaptischen Hemmung der gesteigerten spinalen Afferenzen [23].

Die Tonussenkung hat als isolierte Maßnahme aber keine ausreichenden Effekte, sondern muss stets mit anderen Maßnahmen kombiniert werden [24]. Dies gilt auch für die Präventionsprogramme.

Bezüglich der Verhütung struktureller Muskel- und Gelenkdeformitäten sind physiotherapeutische, medikamentöse, orthopädie- und rehatechnische Anwendungen neben operativen Maßnahmen vorgeschlagen worden ([Abb. 14]).

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Abb. 14 Dehnung zur Kontrakturprävention. a Spontane Lage bei einem 15-jährigen GMFCS IV. b Die Kontrakturprävention geschieht stets unter bestmöglicher Ausgeradung der Gelenkfehlstellungen manuell und mit Orthesen.
Merke

Die Eltern sind in das Präventionsprogramm einzubeziehen.


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Sonstige Maßnahmen

Die statischen oder dynamischen Lagerungsbehelfe sowie Stehhilfen kommen für die Schwerbehinderten (GMFCS IV und V) infrage. Gehfähige erhalten neben der orthetischen Ausrichtung und Sicherung der Beingelenkketten und speziell der Füße auch Geh- und Mobilitätshilfen für die Kompensation ihrer Gleichgewichtsdefizite.

Durch passive Bewegungstrainer für die Extremitäten kann die Erhaltung einer passiven Gelenkexkursion in günstiger Weise unterstützt werden (z. B. Motomed®).

Der Einsatz von Rüttelplatten (Galileo®) zur Stimulation der Muskulatur und der Knochendichte hat in den letzten Jahren breiten Einzug in die konservative Therapie gehalten. Ihre Wirksamkeit als additives Training konnte durch einige Studien belegt werden. Allerdings sind diese Hilfen immer nur als komplementär zu sehen.

Merke

Die präventive Behandlung wird durch standardisierte Programme hinsichtlich ihrer Frequenz und Intensität sichergestellt. Ihre Effekte müssen über regelmäßige Verlaufskontrollen (klinisch und radiologisch) überprüft werden, um Befundverschlechterungen rechtzeitig zu erfassen und ihnen gegenzusteuern.


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Konservative Behandlung mit der Zielsetzung Therapie

Therapeutische Schritte zielen ebenfalls auf die Erhaltung und den Ausbau der Muskelexkursionen und der Gelenkstabilität. Dazu eignen sich Methoden zur Muskelkräftigung, zur motorischen Schulung sowie der Einsatz von Orthesen zur Unterstützung gestörter oder fehlender Stabilität. Die medikamentöse Detonisierung und die dehnende Gipsbehandlung ergänzen diese Techniken wirksam.

Orthetische Versorgung

Orthesen müssen immer gezielt indiziert und sorgfältig angepasst werden. Man unterscheidet Funktions- und Lagerungs- bzw. Positionierungsorthesen. Die Beeinflussung bzw. die Sicherung einer Gelenkstellung bzw. eines Bewegungsumfangs verlangt eine exakte Passform von Orthese und Orthesengelenken, die gerade in den Zeiten eines raschen Wachstums regelmäßig nachzupassen sind. Die häufigsten Anwendungsbereiche betreffen den spastischen Fuß mit unterem und oberem Sprunggelenk und die Hand- und Fingergelenke. Oberschenkellange Orthesen können bei ausgeprägter Spastik und Schwäche sinnvoll zur Gehverbesserung getragen werden. Allerdings steigt der Aufwand der Versorgung mit dem Grad der Behinderung, sodass man diese Hilfsmittel in erster Linie als Funktionsunterstützung bis zum günstigen Zeitfenster für eine Operation einsetzen sollte.


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Physiotherapie

Die unterstützte Lokomotionsbehandlung mit Laufbändern bzw. das robotergesteuerte Gehtraining haben eine wichtige Rolle für die Transfer- und Fortbewegungsfunktion.

Merke

Therapieblöcke mit intensiviertem Trainingsprogramm oder die regelmäßige wöchentliche Behandlung sind auszuwählen. Bei Funktionsverschlechterung muss in jedem Fall die Fortführung der konservativen Behandlung kritisch hinterfragt werden (Therapiewechsel).

An der gestörten oberen Extremität sind neue Behandlungstechniken mit dem Ziel von verbesserter Wahrnehmung und Handgebrauch geschaffen worden. Hier können die Begriffe Forced-Use-Behandlung, CIMT (Constrained Intensive Manual Therapy) und HABIT (bilaterales Intensiv-Armtraining) genannt werden.


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Konservative Behandlung zur Palliation

Palliative Methoden müssen ebenfalls mehrdimensional sein, d. h. kombiniert werden. Die Zielsetzungen sind die Verbesserung bei Lagerungs- und Pflegeproblemen und die Schmerzreduktion.

Auch wenn vielfach zusätzliche Operationen als ergänzende Schritte erforderlich sind, können die Patienten durch physiotherapeutische, orthopädie- und rehatechnische und medikamentöse Verfahren wirkungsvoll unterstützt werden. Palliative Maßnahmen betreffen besonders schwerstbehinderte Patienten (GMFCS IV und V) mit fortgeschrittenen Kontrakturen, Deformitäten und Schmerzen. Üblich sind Orthesen und orthopädische Schuhe für die Füße, Hand- und Lagerungsorthesen sowie Sitz- und Lagerungskonstruktionen, Rollstühle und Stehhilfen.

Die Überprüfung von Orthesen und Hilfsmitteln muss nach den Kriterien Indikation, Bauweise, Passform, Funktion und Compliance stattfinden.

Prinzipien

Zusammenfassende Bemerkungen zur konservativen Therapie der Zerebralparese

  • Konservative Behandlungen müssen fast immer kombiniert werden. Ihre Wirkung muss regelmäßig überprüft werden.

  • Die konservative Behandlung hat seit jeher einen entscheidenden Anteil am Therapiekomplex der Zerebralparese. Allerdings haben die über Jahrzehnte gepflegten sogenannten neurophysiologischen Behandlungsmethoden wie Bobath, Vojta, PNF (propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation), Petö usw. viel von ihrem einstigen Glanz eingebüßt, da sie die in sie gesetzten hohen Erwartungen einer Verbesserung der gestörten motorischen Qualität bzw. einer Verhinderung von pathologischer Entwicklung kaum erfüllen konnten. Diese Techniken werden heute durch pathophysiologisch besser fundierte Methoden des motorischen Lernens und der frühen Bewegungsstimulation ergänzt bzw. ersetzt.

  • Nähere Kenntnisse zur Entstehung pathologischer Muskelveränderungen haben in neue Trainingsformen Einzug gehalten. Exzentrisches Krafttraining und dynamische Dehnungsreize scheinen einen wichtigen Stellenwert bei der Prävention von Kontrakturen zu gewinnen. Neben der Physiotherapie spielen die adäquate Orthopädie- und Rehatechnik und gezielte medikamentöse Maßnahmen eine entscheidende Rolle im konservativen Arsenal. Diese Methoden werden meistens kombiniert. Jeder Arzt, der sich mit der Behandlung befasst, sollte sich auf allen diesen Gebieten weiterbilden, um sie zielgerecht indizieren, anwenden und überprüfen zu können.


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Operative Behandlung

Die kontinuierlich in erster Linie im Wachstumsalter, aber auch danach ablaufenden Anpassungsvorgänge am Muskel- und Skelettsystem münden in veränderte strukturelle und mechanische Effekte, die sich bei den Gehfähigen und bei den nur Sitz- und Liegefähigen unterscheiden. Beim gehfähigen Patienten bilden sich Kontrakturen, Deformitäten und Gelenkinstabilitäten bevorzugt an den belasteten unteren Extremitäten aus, während die Sitzfähigen eher von Deformitäten der Hüftgelenke und der Wirbelsäule betroffen sind. Unilaterale und asymmetrische Zerebralparesen und schwerbehinderte Patienten (GMFCS IV und V) sind zusätzlich durch Funktionseinschränkungen und Deformitäten der oberen Extremität belastet.

Merke

In nahezu allen Fällen gilt, dass sich die einmal aufgetretenen Deformitäten unbehandelt stetig verschlechtern und ein progredienter Funktionsverlust droht ([Abb. 15]). Deshalb verwundert es nicht, dass es ohne Präventions- bzw. Therapiemaßnahmen bereits früh zu teilweise gravierenden sekundären Problemen am Bewegungsapparat kommen kann.

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Abb. 15 Progrediente Hüftgelenkdezentrierung links bei einem Mädchen mit bilateraler Zerebralparese (GMFCS IV). a Röntgenaufnahme im Alter von 5 Jahren. b Im Alter von 6 Jahren.

Prophylaktische Operationen sind meistens weniger eingreifend und ermöglichen eine raschere Mobilisation. Sie betreffen überwiegend die Muskeln und die Sehnen. Aufwendigere Operationen haben dagegen oft eine therapeutische oder palliative Zielsetzung.

Merke

Leider gilt für die meisten Fälle, dass die therapeutischen und palliativen Operationen einer bereits eingetretenen negativen Entwicklung von Kontrakturen, Deformitäten und Instabilitäten hinterherhinken. Deshalb sollte der Schwerpunkt künftig mehr auf präventiven und dabei meist weniger eingreifenden Operationen liegen. Die Voraussetzung dafür liegt jedoch in der rechtzeitigen Feststellung ungünstiger Entwicklungen.

Die operativen Verfahren bilden bei allen kontrakten Deformitäten oder bei den aus den Deformitäten entstandenen Gelenkinstabilitäten die einzig dauerhafte Möglichkeit, um eine physiologische Achsausrichtung mit ausreichend stabilen Gelenken für eine adäquate Muskelfunktion bereitzustellen. Orthesen können dies allenfalls temporär und in begrenztem Umfang und sind deshalb mehr zur Überbrückung bzw. zur Indikationstestung für eine Operation geeignet. Die operativen Methoden sind damit meistens am Ende der Behandlungskaskade angesiedelt, dürfen aber dennoch nicht als Kapitulation verstanden werden.

Man unterscheidet je nach ihrer Zielsetzung

  • präventive Operationen,

  • therapeutische Operationen und

  • palliative Operationen.

Ausgehend von den operierten Strukturen trennt man zusätzlich in Weichteil-, in Knochen- bzw. Gelenk- und in die seltenen Nervenoperationen.

Weichteileingriffe

Weichteiloperationen werden an Muskeln und Sehnen, an Faszien, aber auch an Gelenkkapseln und Bändern vorgenommen. Sie dienen der Detonisierung störender bzw. zu starker spastischer Reflexaktivität, der Verbesserung der Gelenkexkursion bei struktureller Muskelverkürzung und der Unterstützung der Muskelkraft. Weichteiloperationen werden an Armen und Beinen vorgenommen ([Abb. 16]). Im Einzelnen sind die in der [Infobox] zusammengefassten Weichteileingriffe möglich.

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Abb. 16 Die Weichteiloperation, hier als intramuskuläre Wadenmuskelverlängerung, hat die Ziele Detonisierung und Kontrakturbeseitigung.
Übersicht

Mögliche Weichteileingriffe

  • Muskel- und Sehnenverlängerungen

    • intramuskulär oder tendinös

    • offen oder perkutan

  • eine Muskelablösung wird am Muskelursprung durchgeführt

  • Sehnentranspositionen (Sehnenverlagerungen)

  • Sehnenraffungen bzw. -verkürzungen

    • tendinös oder

    • Ansatzverlagerung

  • Gelenkkapseleinschneidungen

  • Gelenkkapselraffungen

Fallbeispiel

Fallbeispiel 4


[Abb. 17] zeigt einen 8-jährigen Patienten mit unilateraler spastischer Zerebralparese und strukturellem Spitz-Klump-Fuß rechts. Hier besteht die Indikation zur Weichteiloperation des Fußes.

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Abb. 17 Struktureller Spitz-Klump-Fuß. a Klinischer Aspekt von hinten. b Klinischer Aspekt von vorn.

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Eingriffe am Knochen

Knöcherne Operationen sind auf die Gelenke und die Skelettstrukturen ausgerichtet (lange Röhrenknochen, Becken, Fuß- und Handwurzelknochen, Wirbelsäule). Beispiele für knöcherne Korrekturen bei 2 Patienten im Wachstumsalter sind in [Abb. 18] und [Abb. 19] dargestellt. Sie können wie in der Übersicht (s. nächste Seite) dargestellt unterteilt werden.

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Abb. 18 Hüftgelenkrekonstruktion rechts (GMFCS IV, 10 Jahre). a Präoperative Röntgenaufnahme a.–p. b Postoperative Röntgenaufnahme a.–p. nach proximaler Femur- und Beckenosteotomie.
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Abb. 19 Korrektur einer Kniebeugekontraktur rechts (GMFCS III, 11 Jahre). a Präoperative Röntgenaufnahme a.–p. b Postoperative Röntgenaufnahme a.–p. (distale Femurextensionsosteotomie und Patellarsehnenverkürzung)
Übersicht

Mögliche knöcherne Eingriffe

  • Osteotomien

    • in 1, 2 oder 3 Ebenen

    • subtraktiv resezierend

    • konturerhaltend oder

    • additiv mit Knocheneinfügung

  • autologe oder homologe bzw. allogene Knochenspanverpflanzung

  • Gelenkversteifungen (Arthrodesen)

  • Gelenkplastiken

    • gelenkerhaltend

    • mit Knochenresektion

  • Eingriffe zur Wachstumslenkung

    • Epiphyseodesen

    • temporär oder permanent

  • knöcherne Gelenkrepositionen mit Freilegung des Gelenks

  • Gelenkstopp

  • Arthrorise

Die Renaissance der sogenannten minimalinvasiven Muskel- bzw. Sehnenverlängerungen stellt einen aktuellen zentralen Punkt bei den Operationstechniken dar. Diese Maßnahmen, deren Ursprünge bis in die Kindertage der Orthopädie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückreichen, ermöglichen es, in einer Sitzung eine Vielzahl von Muskeln durch sogenannte Myofasziotomien zu operieren.

Wegen der behaupteten geringen Invasivität haben sie eine große Verbreitung gefunden. Obwohl in geeigneten Fällen durchaus effektiv, liegen leider weder zur genaueren Indikation noch zur mittel- und langfristigen Wirksamkeit objektive Daten vor. Viele derartige Operationen müssen in gewissen Abständen wiederholt werden, was den Nachweis ihrer Wirksamkeit weiter erschwert.

Bei der Anwendung dieser Methode muss in jedem Falle ihr nicht unerhebliches Schwächungspotenzial mit einkalkuliert werden. Dies wird nach unserer Erfahrung oft erst mit der wachstumsbedingten Größen- und Gewichtszunahme manifest. Eine Umkehr der Muskelschwäche ist dann aber kaum mehr möglich. In [Tab. 2] sind die Vor- und Nachteile der offenen und der perkutanen Operationstechniken an den Muskel- und Sehnenstrukturen gegenübergestellt.

Tab. 2 Vor- und Nachteile der offenen und der perkutanen Operationstechniken an den Muskel- und Sehnenstrukturen.

Methode

Vorteile

Nachteile

offene Operation

alle Muskeln möglich

gute Sicht und Sicherheit

Schonung von Neven und Gefäßen

exakte Dosierung

Raffung und Transfer von Sehnen möglich

Kombination mit anderer OP

aufwendigere OP

mehr postoperative Schmerzen

längere Nachbehandlung (?)

teurer

nur begrenzte Muskelanzahl möglich

Schwächungseffekte (aber besser dosierbar)

perkutane Operation

raschere OP

einfachere Technik

an vielen Muskeln gleichzeitig möglich

kleine Schnitte

weniger Schmerzen

billiger (?)

wiederholbar

nicht für alle Muskeln geeignet

Risiko der Verletzung von Nerven und Gefäßen

Dosierung schwierig, relativ unkontrollierbar

Schwächungseffekte

Sonstiges

OP-Indikation entscheidet (evtl. Ganganalyse)

die rasche OP ist oft risikoreicher

jede Muskelverlängerung schwächt

verschiedene Korrektureffekte

Heilungsdauer unklar (Ausmaß der operativen Schädigung)

Die postoperative Nachbehandlung wird inzwischen immer mehr frühfunktionell vorgenommen. Dies bedeutet, dass langwöchige Gipsruhigstellungen nur mehr ausnahmsweise notwendig sind, beispielsweise bei sehr unruhigen Patienten oder schlechter Knochenqualität.

Nach allen Weichteiloperationen, aber auch nach knöchernen Rekonstruktionen sind kontrollierte Mobilisationsprogramme allgemein üblich geworden. Winkelstabile Osteosyntheseplatten und der postoperative Schutz durch Gelenkorthesen und angepasste Lagerungssysteme gegen extreme Gelenkbewegungen erlauben ein sicheres frühzeitiges Umlernen und vermeiden störende Muskelatrophien, Bewegungseinschränkungen und Osteopenien. Die Voraussetzung für ein solches Vorgehen liegt allerdings in einer absolut zuverlässigen Mitarbeit des Patienten und seiner Therapeuten. Ein Belastungsaufbau nach knöchernen Rekonstruktionen wird meistens nach 6 Wochen gestattet.

Orthesen sind für das postoperative Erlernen neuer Gangmuster, aber auch zum Schutz gegen Überkorrekturen oder Rezidive zumindest für die Zeit des Wachstums vielfach unverzichtbar. Dies gilt für die obere wie für die untere Extremität.

Merke

In vielen Fällen werden Weichteil- und Knochenoperationen miteinander kombiniert, da sie verschiedene Angriffspunkte und Zielsetzungen haben und sich dadurch ideal ergänzen können. Die große Schwierigkeit aller Operationen liegt in ihrer richtigen Indikationsstellung, in der adäquaten Auswahl der Eingriffe und in ihrer korrekten Dosierung.


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Eingriffe am peripheren Nervensystem

In der orthopädischen Chirurgie werden nur sehr selten Eingriffe am peripheren Nervensystem vorgenommen. Der Hauptgrund dürfte in der Irreversibilität einer gezielten motorischen Nervenschädigung, aber auch im schlecht kalkulierbaren Schwächungspotenzial liegen.

Bei allen diesen Techniken wird eine gezielte Durchtrennung von afferenten (selektive dorsale Rhizotomie) oder efferenten (periphere motorische Neurotomie) Nervenfasern mit dem Ziel der Reduktion eines erheblich behindernden hohen Muskeltonus durchgeführt.

Die Indikation wird sowohl für gut gehfähige bilateral spastische Patienten als auch mit dem Ziel einer Pflegeerleichterung Schwerbehinderter gestellt.

Merke

Die ausschließliche Wirkung der operativen Tonussenkung hat keine langfristige Funktionsverbesserung zur Folge und verhindert auch nicht die Entwicklung von Kontrakturen.

Leider haben die langfristigen Resultate der selektiven dorsalen Rhizotomie nur in sehr begrenztem Umfang die Erwartungen erfüllt. Meistens müssen die Patienten in späteren Sitzungen zusätzlich wegen sekundärer Skelettprobleme orthopädisch nachoperiert werden.

Prinzipien

Operative Therapie

  • Die günstigen Auswirkungen von korrekt indizierten und sorgfältig durchgeführten Operationen am Bewegungsapparat des Patienten mit Zerebralparese sind inzwischen vielfach dokumentiert worden. Es liegen inzwischen auch Langzeitergebnisse vor.

  • Operationen beim erwachsenen Patienten haben sich ebenfalls als zuverlässig erwiesen.


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Prinzipien

Therapie bei Patienten mit Zerebralparese GMFCS Stufe I – III

  • Die Gehfähigen werden mit der Indikation gerader Beinachsen, gleichlanger Beine und stabiler Skeletthebel sowie der bestmöglichen Muskelkraft operiert. Auch hierbei stehen die knöchernen Korrekturen im Vordergrund.

  • Großzügige Muskel- und Sehnenverlängerungen haben wegen ihrer schwächenden Effekte kaum einen Einsatzbereich für die Gehfunktion.

Therapie bei schwerbetroffenen Patienten (GMFCS Stufe IV und V)

Merke

Hier hat sich die operative Prävention bzw. die Rekonstruktion der spastischen Hüftluxation als Standardmaßnahme durchgesetzt [17].

Da die spastisch-paralytische Hüftdezentrierung mit einer Inzidenz von bis zu 80% auftritt [25] und in fast allen Fällen erhebliche Auswirkungen wie Schmerzen und Sitz- und Lagerungseinschränkung hat, liegt der Fokus bei allen gefährdeten Patienten auf stabilen und ausreichend beweglichen Hüftgelenken [25]. Weitere wesentliche Behandlungsschwerpunkte bilden die aufrechte und stabile Wirbelsäule und die Schaffung stabiler und gerader Füße und Zehen.

Diese Ziele können durch die Verwendung geeigneter Orthesen nur kurzfristig erreicht werden. Meistens lässt sich dadurch ein Aufschub für die definitive operative Rekonstruktion im Alter ab etwa 10 – 12 Jahren erzielen.

Prinzipien

Therapie bei Patienten mit Zerebralparese GMFCS Stufe IV und V

  • Für alle schwerbehinderten Patienten (GMFCS III bis V) steht die Schaffung stabiler beweglicher und zentrierter Hüftgelenke, einer geraden Wirbelsäule und stabiler gerader Füße obenan.

  • Wegen der Progredienzneigung aller unbehandelten Deformitäten stellt auch ein hoher GMFCS-Grad keine Kontraindikation zur Operation dar.

  • Meistens sind knöcherne und weichteilige Techniken zu kombinieren.


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Therapie bei gehfähigen Patienten (GMFCS I–bis III)

Bei diesen Patienten sind die Therapieziele:

  • Schaffung gerader Beinachsen,

  • Schaffung gleichlanger Beine,

  • Schaffung ausreichend stabiler Gelenkhebel als Voraussetzung für die bestmögliche Erhaltung oder Besserung der Gehfähigkeit.

Dabei kommt der sogenannten Mehretagen- oder engl. Multilevel-Korrektur ein besonderer Stellenwert zu [26]. Dieses Vorgehen will die globalen über mehrere Etagen und in mehreren Ebenen bestehenden Probleme des Patienten in einer einzigen Sitzung korrigieren ([Abb. 20]).

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Abb. 20 Klassische Indikationen für Mehretagenkorrekturen (Hüftgelenk, Kniegelenk plus Fuß). a Bilaterale Zentralparese. b Unilaterale Zerebralparese.

Hier sei allerdings angemerkt, dass solche für den Patienten sinnvollen, einzeitigen und damit weniger belastenden Verfahren in unserem Kostensystem immer noch nicht adäquat abgebildet sind. Dies hat zur Folge, dass die Patienten entweder zum ökonomischen Nachteil der Krankenhäuser operiert werden oder dass man die Eingriffe in mehrere Aufenthalte staffelt, was die Kosten, aber auch die Belastung für die Patienten in gewissen Fällen unnötigerweise steigert. Bei den relativ wenigen spezialisierten Zentren, die solche Operationen anbieten können, ließ sich für diesen dringenden Punkt bisher keine befriedigende Lösung finden.

Prinzipien

Abschließende Bemerkungen zur operativen Therapie der Zerebralparese

  • Operative Behandlungsmethoden stehen meist am Ende der Behandlungskaskade. Sie kommen dann in Betracht, wenn sich eine ungünstige Entwicklung abzeichnet oder sich bereits strukturelle Deformitäten oder Gelenkinstabilitäten ausgebildet haben.

  • Bei den Operationen sollte man in präventive, therapeutische und palliative Maßnahmen trennen.

    • Präventive Verfahren zielen meistens auf Muskelungleichgewichte, Muskelverkürzungen und die Muskelschwäche.

    • Therapeutische Verfahren haben die Korrektur struktureller Muskel- und Skelettdeformitäten und Gelenkinstabilitäten zur Aufgabe und sollen damit die motorischen Voraussetzungen für eine adäquate Funktion schaffen. Sie werden optimalerweise als sogenanntes OP-Programm an mehreren Gelenken gleichzeitig vorgenommen (sogenannte Multilevel-OP).

    • Palliative Eingriffe kommen bei Schmerzen und zur Sitz- und Pflegeerleichterung in Betracht und sind vor allem für Schwerbehinderte angezeigt.

  • Nach allen operativen Behandlungen ist eine längere Ruhigstellungsdauer, falls möglich, zu vermeiden. Die frühfunktionelle, durch Orthesen und Lagerungsversorgung unterstützte sogenannte geschützte Frühmobilisation setzt sich zunehmend durch. Stabile Implantate und fachlich spezialisierte und gut ausgebildete Physiotherapeuten bedeuten hier eine wesentliche Steigerung der Behandlungsqualität.

  • Bei allen Operationstechniken ist das Schwächungspotenzial auf die Muskulatur zu bedenken.


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Ergebnisse

Die Ergebnisse von konservativen oder operativen Behandlungen, die in vielfältiger Weise publiziert werden, müssen kritisch gesehen werden, da eine Heilung – wie oben ausgeführt – nahezu niemals möglich ist. Auch wenn nur moderate Verbesserungen erreicht werden, kann dies für den Patienten einen erheblichen Fortschritt bedeuten. Deshalb sind hervorragende Resultate mit welcher Therapie auch immer kaum zu erhalten. Man muss sich mit der bestmöglichen Kompromisslösung zufriedengeben.

Merke

Die Kunst besteht darin, das für den jeweiligen Patienten Bestmögliche zu definieren, die Indikation für die Behandlung adäquat zu stellen und die Therapie dann möglichst exakt und effektiv durchzuführen und zu überprüfen.

Es existiert eine Vielzahl von Überprüfungsinstrumenten, die in folgende Bereiche gegliedert werden können [27]:

  • Selbstständigkeit im Alltag,

  • obere Extremität,

  • Mobilität,

  • Gehfunktionen,

  • Lebensqualität,

  • Körperfunktionen.

Jedes Überprüfungsinstrument von Behandlungsergebnissen sollte mehrere Eigenschaften aufweisen, um aussagekräftig zu sein:

  • Es sollte praktikabel, d. h. im Alltag mit vertretbarem Aufwand einsetzbar sein.

  • Es sollte valide und zuverlässig sein.

  • Es sollte spezifisch das messen, was man messen möchte.

  • Es sollte genau genug messen, um auch kleinere Unterschiede festzustellen (Responsivität).

  • Es sollte bei wiederholter Messung dieselben Ergebnisse liefern

Dennoch wird man mit jedem Instrument immer nur Teilbereiche erfassen können, weshalb eine Kombination von Evaluationsinstrumenten oft Sinn macht.

Merke

Bei Untersuchungen zur Verbesserung der Gangfunktion hat sich die instrumentelle Ganganalyse als wichtigster Parameter etabliert.

Die wesentlichen Evaluationsparameter bei der Zerebralparese sind in Anlehnung an die ICF-Kriterien:

  • für die Bereiche Struktur und Funktion die klinischen Daten, die Röntgendaten, die Ganganalysewerte und verwandte Befunde (GPS = Gait Profile Score) und GGI (Gillette Gait Index),

  • für die Bereiche Aktivität und Teilhabe der GMFM 66 und verschiedene Scores zur Lebensqualität wie der Child-Health-Fragebogen und die PedQoL und viele andere [6].

Eine besonders umfassende Darstellung zu allen Aspekten der Messverfahren für behinderte Kinder hat A. Majnemer [9] herausgegeben.

Cave

Kurzfristige Ergebnisse von weniger als 1 – 2 Jahren sind besonders im Kindesalter wenig aussagekräftig.

Fazit
  • In Zukunft stehen uns sicher auch mehr Daten zu den Langzeitergebnissen zur Verfügung, was uns eine noch bessere Auswahl der Therapie erlaubt.

  • Die Evaluation von Ergebnissen nach konservativer wie operativer Therapie hat durch die Entwicklung standardisierter Messverfahren und durch die Berücksichtigung der Lebensqualität als zusätzlichem Indikator erheblich an Qualität gewonnen. Nach den ICF-Kriterien sollten Messverfahren die Struktur- und Funktionsebene, die Aktivität, die Teilhabe und die Lebensqualität berücksichtigen. Ausschließlich an der Struktur und der Funktion ausgerichtete Kontrollen, wie sie früher üblich waren, genügen nicht mehr.

  • Gangverbessernde Operationen sollten möglichst durch eine instrumentelle Bewegungsanalyse dokumentiert werden.


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Probleme und Komplikationen

Der schwierige und vielgestaltige Charakter der Störungen am Bewegungsapparat und der stetig wirksame Einfluss des Wachstums bringen es mit sich, dass es mit oder ohne Behandlung immer zu Komplikationen und Problemen kommen kann, die einer Lösung bedürfen. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, zwischen geringgradigen und schwerwiegenden Problemen zu trennen. Man sollte zwischen häufigeren und seltenen Ereignissen unterscheiden. Daneben muss man auch unterscheiden, ob die resultierenden Schwierigkeiten vorübergehend sind oder ob sie dauerhaft bestehen bleiben und die Funktion weiter einschränken (s. [Übersicht]).

Übersicht

Probleme und Komplikationen nach operativer Therapie

Geringgradig

  • oberflächliche Druckstellen (Gipse)

  • lokale Infektionen (Operationen)

Schwerwiegend

  • Dekubitalulzera

  • Frakturen

  • Deformitäten

  • Bewegungseinschränkungen (Gelenk-OP)

  • Schmerzen

  • Nervenschädigungen (Dehnungsgipse)

  • Osteomyelitis

  • Funktionsverlust

  • Rezidiv

  • Überkorrektur

  • Dystrophie

  • psychische Probleme (verzögerte postoperative Mobilisation)

Vorübergehend

  • Druckstellen (längere Immobilisation)

  • Infektionen

  • Frakturen

Dauerhaft

  • Gelenkinstabilität

  • Nervenschäden

  • Kraftverlust/Muskelschwäche

    • Tenotomien

    • Muskelatrophie

  • Nervenstörung

  • psychische Störungen

  • Deformitäten

  • Osteoporose

  • Gelenkdestruktionen (fehlerhafte Reposition)

  • Korrekturverlust

  • Bewegungseinschränkung durch Operation (Fusion der Wirbelsäule)

  • Beinverkürzung

  • psychische Probleme

  • Vertrauensverlust (Korrektur der Gegenseite wird verweigert)

Da schwerwiegende Probleme die ohnehin prekäre Situation eines Körper- oder Mehrfachbehinderten unter Umständen massiv weiter verschlechtern können, insbesondere, weil ihm adäquate Kompensationsmöglichkeiten fehlen, hat die Darstellung von Diagnose- und Lösungsstrategien eine besondere Bedeutung. Es kommt auch vor, dass durch gut gemeinte Lösungsversuche eine Verschlimmerung von Problemen in Gang gesetzt wird, wie z. B. wenn durch das Weglassen von Lagerungsmitteln die Deformität zurückkehrt.

Vorübergehende und geringgradige Probleme lassen sich in aller Regel durch eine adäquate Pflege zur Ausheilung bringen. Vorübergehende und schwerwiegende Probleme können nicht selten weitere operative Maßnahmen notwendig machen, um adäquate Bedingungen für eine Ausheilung zu schaffen; als Beispiele sind die Dekubitussanierung oder die Frakturversorgung zu nennen. Dauerhafte Probleme mit geringeren Auswirkungen können sich durch eine fehlerhafte Gelenkversteifung zur Deformitätenkorrektur ergeben. Auch Muskelatrophien nach Sehnenverlängerungen sind typische Beispiele. Die Lösung besteht in der adäquaten Therapie und orthopädietechnischen Versorgung ([Abb. 21]).

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Abb. 21 Die postoperative Hyperlordose ist eine typische Komplikation nach Verlängerungsoperation der Kniebeuger.

Weitaus dramatischer sind schwerwiegende Probleme, die dauerhaft bestehen bleiben. Sie lassen sich auch durch aufwendige Operationen nicht mehr beseitigen, sondern bestenfalls lindern. Auch psychische Probleme infolge unzureichend berücksichtigter postoperativer Schmerzzustände können langfristig nur schwer beseitigt werden.

Ein weiterer Punkt sind unerwartete Probleme, die sich abhängig vom Schweregrad der Störung nicht selten einstellen. Frakturen nach hüftrekonstruktiven Operationen und anschließender Ruhigstellung sind ebenso wie Nervendehnungsschäden immer noch ein häufigeres Problem. Sie müssen, wenn irgend möglich, verhindert werden. Eine schlechte Knochenqualität kann trotz guter Heilungstendenz zum sekundären Korrekturverlust führen.

Postoperativ sind bei schlechter Ausgangslage zahlreiche internistische Komplikationsmöglichkeiten der Lunge (Pneumonien, z. B. durch Aspiration), des Gastrointestinums (Stressgastritis, Obstipation) und der Nieren und Blase (Harnverhalt, Infektionen) möglich. Die Dekompensation einer Epilepsie sollte bedacht werden.

Merke

Deshalb sind postoperativ engmaschige Überwachungen gerade bei den Schwerbehinderten unbedingt zu beachten.

Fazit

Probleme und Komplikationen

  • Wie bei jeder Behandlung von komplexen und vielgestaltigen Störungen kann es zu Problemen und Komplikationen kommen, die vorübergehend oder dauerhaft und leicht- oder schwergradig sein können. Nur mit der Kenntnis möglicher Probleme und der regelmäßigen Überprüfung des Zustandes der Patienten kann man sie erkennen und eine adäquate Lösung anbieten.

  • Die längerfristige Kontrolle der Patienten deckt oftmals neue Probleme auf, die individuell angegangen werden müssen.


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Bedeutung der Transition

Die Transition des behinderten Kindes zum Jugendlichen und zum Erwachsenen wirft viele neue Fragen und Probleme auf, die erst allmählich ins Bewusstsein und damit ins allgemeine Behandlungsprogramm der Patienten mit Zerebralparese Eingang gefunden haben.

Da unser Ziel in jedem Falle die langfristig andauernde und bestmögliche Funktion des Patienten ist, können isolierte Behandlungsziele, insbesondere, wenn sie sich nur auf lokale Probleme beschränken, allenfalls begrenzt wirksam sein.

Merke

Der bereits im frühen Kindesalter definierte und realistisch zu erreichende Behandlungsplan stellt deshalb einen unverzichtbaren Bestandteil im Gesamtmanagement dar. Auch wenn man vom ursprünglichen Vorgehen wegen unerwarteter Änderungen im Zustand des Patienten immer wieder etwas abweichen muss, bleibt doch das realistisch gesteckte Gesamtziel meistens auch langfristig bestehen.

Wir empfehlen, getrennte Ziele festzulegen für die Bereiche

  • allgemeine (auch die unterstützte) Mobilität,

  • Sitz- und Liegefunktionen,

  • Gelenkstabilität,

  • Schmerzfreiheit,

  • Handfunktion,

  • Kommunikation,

  • Teilhabe.

Damit wird besser sichtbar, was der Patient wahrscheinlich erreichen kann und was nicht. Auf diese Weise lässt sich auch die Gefahr von unrealistischer Erwartungshaltung einschränken.

Für den Bereich des Bewegungsapparates sind folgende Punkte wichtig:

  • Schmerzfreiheit (nicht selten Zunahme der Schmerzfrequenz mit dem Alter),

  • ausreichende bzw. bestmögliche Steh- und Gehfunktion,

  • bei stärker Behinderten zumindest eine passive Steh- und evtl. Transferfunktion,

  • ausreichende Beweglichkeit und Stabilität der Hüft- und Kniegelenke,

  • stabile Fußfunktion ohne Schmerzen,

  • gute, möglichst symmetrische Sitzposition ([Abb. 22]),

  • adäquate Liegeposition ohne stärkere Asymmetrien,

  • bestmöglicher Gebrauch der Arme und der Hände,

  • bestmöglicher Gebrauch der Hilfsmittel (im Alltag; zur Pflege, zur Lokomotion, zur Kommunikation);

  • ein ausreichendes Maß an individueller Teilhabe und Lebensqualität ist stets von besonderem Wert.

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Abb. 22 Beispiel einer Transition: Patient mit bilateraler Zerebralparese (GMFCS I), Z. n. nach beidseitiger Multilevel-Operation. Beachte die bereits präoperativ bestehende Muskelatrophie. a Im Alter von 6 Jahren. b Mit 31 Jahren.

Die regelmäßigen, in höchstens 9 – 12-monatlichen Abständen durchgeführten Verlaufskontrollen und Befunderhebungen erlauben eine Überprüfung vom Ist- und vom Sollzustand und die rechtzeitige konservative oder chirurgische Intervention, falls unerwartete Verschlechterungen im Befund bzw. Verlauf festgestellt werden.

Fazit

Zerebralparese in der Zeit der Transition

Die Transition, d. h. der Übergang von der Kindheit zur Adoleszenz und ins Erwachsenenalter, bedeutet vor allem auch für die Patienten mit einer Zerebralparese einen tiefen Einschnitt in ihrem Störungsverlauf. Die Zunahme von Körpergröße und Körpergewicht, eine verminderte Therapiefrequenz und Veränderungen in der Lebens-, in der psychischen und in der motivatorischen Situation bedingen nicht selten einen plötzlichen Funktionsrückschritt, der nur durch aufwendige Maßnahmen rückgängig zu machen ist. Deshalb stellt die Therapieindikation, aber auch die Therapie selbst den Orthopäden bei Patienten dieser Altersgruppe vielfach vor die größten Schwierigkeiten. Eine interdisziplinäre realistische Indikationsstellung und Begleitung kann hierbei sehr hilfreich sein.

Merke

Die Transition bedeutet die größte Herausforderung für die Patienten und für das Behandlungsteam.

Kernaussagen
  • Die Behandlung des Patienten mit infantiler Zerebralparese repräsentiert immer eine Langzeitaufgabe. Dies wird bisher vielfach zu wenig beachtet, da sich nahezu ausschließlich die Kinderorthopädie mit dem Patientenklientel der Zerebralparese beschäftigte.

  • Ein neuer Fokus dürfte auf der frühkindlichen aktivierenden Mobilisationsbehandlung liegen, die neben den günstigen Effekten auf die motorische Entwicklung auch die Muskelstruktur positiv beeinflussen soll. Die Bereitstellung adäquater Präventionsprogramme wird die Entstehung von Kontrakturen und Deformitäten und die Behandlungskosten verringern.

  • Die Versorgung der lebenslang behinderten Jugendlichen und Erwachsenen, auf die mit der Zeit stärkere und auch neue Probleme zukommen, erfolgt fast durchwegs ohne spezialisierte Kollegen. Mit einer Änderung der Sozialgesetzgebung ist zwar geplant, neue Zentren für Erwachsene mit Behinderung (ZEMB) zu etablieren, die ähnlich den sozialpädiatrischen Einrichtungen (SPZ) für Kinder organisiert werden sollen.

  • Eine flächendeckende Versorgung mit Spezialteams kann aber bisher kaum angeboten werden, da die Spezialisierung in diesem schwierigen und aufwendigen Patientengut ein bisher ungelöstes Problem bleibt.

  • Der Facharzt für rehabilitative Medizin hat nur dann, wenn er auch über kinderorthopädische Kenntnisse verfügt, einen adäquaten Zugang. Zumindest auf dem Gebiet der Neuroorthopädie gibt es zu wenig interessierte und kaum speziell weitergebildete Ärzte und Therapeuten, um eine solche Herausforderung zu meistern. Deshalb werden auch hier in Zukunft die Kinderorthopäden gebraucht, um die Brücke zwischen konservativer und operativer Disziplin zu schlagen.

  • Die höhere Lebenserwartung dieser Patienten, die sie dank besserer sozialer Versorgung genießen, muss auch mit einer entsprechend kompetenten medizinischen Betreuung kombiniert werden, um die Lebensqualität und die Lebenserwartung in sinnvoller Weise einander anzunähern.


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Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen

Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Dr. med. Leonhard Döderlein, Aschau im Chiemgau.


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Über die Autoren

Leonhard Döderlein

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Dr. med., Jahrgang 1953. Studium der Humanmedizin an der LMU in München 1973 – 1981, dann Stabsarztzeit bis Ende 1982; dann Facharztausbildung, zunächst Chirurgie, anschließend Orthopädie an der Orthopädischen Uniklinik Freiburg und von 1989 – 2006 an der Orthopädischen Uniklinik Heidelberg. Seit 2007 Chefarzt der Orthopädischen Kinderklinik in Aschau. Schwerpunkte: Kinderorthopädie, Neuroorthopädie, Bewegungsanalyse, Fußdeformitäten, Technische Orthopädie.

Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Graham HK, Rodenbaum P, Paneth N. et al. Cerebral plasy. Nat Rev Dis Prim 2016; 2: 1-24
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  • 4 Wren TAL, Rethlefsen S, Kay RM. Prevalence of specific gait abnormalities in children with cerebral palsy: Influence of cerebral palsy subtype age and previous surgery. J Pediatr Orthop 2005; 25: 79-83
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  • 29 Döderlein L. Infantile Zerebralparese. 2. Aufl.. Heidelberg: Springer; 2015
  • 30 Scrutton D, Damiano D, Mayston M. Management of the motor Disorders of Children with cerebral Palsy. 2nd ed. Clinics in developmental Medicine no. 161. London: McKeith; 2004

Korrespondenzadresse

Dr. med. Leonhard Döderlein
Orthopädische Kinderklinik
Bernauer Str. 18
83229 Aschau im Chiemgau

  • Literatur

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  • 30 Scrutton D, Damiano D, Mayston M. Management of the motor Disorders of Children with cerebral Palsy. 2nd ed. Clinics in developmental Medicine no. 161. London: McKeith; 2004

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Abb. 1 Unterschiedliche Ausprägungen der Zerebralparese (CP). a Minimale Parese der linken Hand bei einem 5-Jährigen mit unilateraler CP. b Schwere Windschlagdeformität bei einem 8-Jährigen mit bilateraler CP und Hüftluxation links (GMFCS V).
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Abb. 2 Globale pathologische Aktivierung der Streckerkette mit Koaktivierung der Beuger bei einem 6-Jährigen mit bilateraler Zerebralparese (GMFCS II).
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Abb. 3 Pathologische Adaptation der Wadenmuskulatur bei einem 4-Jährigen mit unilateraler Zerebralparese links und bisher unbehandeltem Spitzfuß.
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Abb. 4 Einwirkung der Schwerkraft. a Bei einem Patienten mit bilateraler Zerebralparese (GMFCS V) auf die Wirbelsäule. b Beidseitige pathologische Auswirkungen der CP auf die Beingelenkketten bei einem 12-jährigen Mädchen mit bilateraler CP (GMFCS III).
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Abb. 5 Kombination aus Kontrakturen der Wadenmuskeln und der Pronatoren mit ausgeprägter subtalarer Destabilisierung (GMFCS IV).
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Abb. 6 Therapiealgorithmus für den spastischen Spitzfuß.
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Abb. 7 Beispiele für Kompensationsmechanismen. a Die einseitige Kniebeugekontraktur führt beim Gehen automatisch zur beidseitigen Beugestellung. b Bei einseitigem Spitzfuß muss die Gegenseite ebenfalls in Spitzfußstellung gehen.
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Abb. 8 Röntgenaufnahmen sollten immer standardisiert angefertigt werden. a Bei der Wirbelsäule unter Belastung. b Am Fuß stets im Stehen.
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Abb. 9 Instrumentelle 3-dimensionale Ganganalyse. a Auswirkungen einer Kniebeugerverlängerung auf Knie- und Hüftgelenk, präoperativ (rot) und postoperativ (blau); (Beckenvorkippung und Knierekurvation). b Kinematische und kinetische Auswirkungen eines Kauergangs.
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Abb. 10 Bilaterale spastische Zerebralparese, GMFCS III. a Klinischer Aspekt: starkes Adduktions- und Scherenmuster der Beine. b Röntgenologisch beidseitige Hüftgelenkluxation.
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Abb. 11 Bilaterale spastische Zerebralparese GMFCS Stufe IV sowie eine spastisch-paralytische Hüftluxation rechts. a Präoperative Röntgenaufnahme. b Postoperativ nach Hüftrekonstruktion rechts, Verschlechterung des Hüftbefundes links. c Sekundär Rekonstruktion des linken Hüftgelenks.
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Abb. 12 Therapiealgorithmus spastische Hüftgelenkdezentrierung.
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Abb. 13 Rechtsbetonte bilaterale spastische Zerebralparese (GMFCS II). a Klinischer Aspekt der starken Spitz-Knick-Füße. b Orthopädietechnische Versorgung mit Steigbügelorthesen in Schuhen.
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Abb. 14 Dehnung zur Kontrakturprävention. a Spontane Lage bei einem 15-jährigen GMFCS IV. b Die Kontrakturprävention geschieht stets unter bestmöglicher Ausgeradung der Gelenkfehlstellungen manuell und mit Orthesen.
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Abb. 15 Progrediente Hüftgelenkdezentrierung links bei einem Mädchen mit bilateraler Zerebralparese (GMFCS IV). a Röntgenaufnahme im Alter von 5 Jahren. b Im Alter von 6 Jahren.
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Abb. 16 Die Weichteiloperation, hier als intramuskuläre Wadenmuskelverlängerung, hat die Ziele Detonisierung und Kontrakturbeseitigung.
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Abb. 17 Struktureller Spitz-Klump-Fuß. a Klinischer Aspekt von hinten. b Klinischer Aspekt von vorn.
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Abb. 18 Hüftgelenkrekonstruktion rechts (GMFCS IV, 10 Jahre). a Präoperative Röntgenaufnahme a.–p. b Postoperative Röntgenaufnahme a.–p. nach proximaler Femur- und Beckenosteotomie.
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Abb. 19 Korrektur einer Kniebeugekontraktur rechts (GMFCS III, 11 Jahre). a Präoperative Röntgenaufnahme a.–p. b Postoperative Röntgenaufnahme a.–p. (distale Femurextensionsosteotomie und Patellarsehnenverkürzung)
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Abb. 20 Klassische Indikationen für Mehretagenkorrekturen (Hüftgelenk, Kniegelenk plus Fuß). a Bilaterale Zentralparese. b Unilaterale Zerebralparese.
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Abb. 21 Die postoperative Hyperlordose ist eine typische Komplikation nach Verlängerungsoperation der Kniebeuger.
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Abb. 22 Beispiel einer Transition: Patient mit bilateraler Zerebralparese (GMFCS I), Z. n. nach beidseitiger Multilevel-Operation. Beachte die bereits präoperativ bestehende Muskelatrophie. a Im Alter von 6 Jahren. b Mit 31 Jahren.