Aktuelle Neurologie 2017; 44(05): 312-321
DOI: 10.1055/s-0043-103273
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der Stroop-Interference-NoGo-Test (STING) – Ein schnelles Screeningverfahren zur globalen Erfassung neuropsychologischer Beeinträchtigungen

The Stroop-Interference-NoGo-Test (STING): A Fast Screening Tool for the Global Assessment of Neuropsychological Impairments
Bernhard Fehlmann
1   Klinik Lengg AG, Institut für Neuropsychologische Diagnostik und Bildgebung, Zürich, Schweiz
2   Universität Basel Philosophisch-Naturwissenschaftliche Fakultät, Division of Cognitive Neuroscience, Basel, Schweiz
,
Hennric Jokeit
1   Klinik Lengg AG, Institut für Neuropsychologische Diagnostik und Bildgebung, Zürich, Schweiz
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Publikationsdatum:
26. Juni 2017 (online)

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Zusammenfassung

Hintergrund Mit dem Stroop-Interference-NoGo-Test (STING) legen wir ein Screening-Instrument vor, das der zeitökonomischen und sensitiven Erfassung von kognitiven Beeinträchtigungen dient. Entstanden ist das Vorhaben dieser Testentwicklung vor dem Hintergrund einer weiteren Ökonomisierung von Diagnostik und Therapie in Spitälern und Praxen einerseits und der gestiegenen Bedeutung kognitiver Beeinträchtigungen für die Lebensqualität und die berufliche Integration andererseits. Etablierte kognitive Screeningverfahren wie MoCA, MMSE oder CAMCOG erfordern einen höheren zeitlichen Aufwand oder sind nur eingeschränkt sensitiv bezüglich leicht bis mittelgradiger Beeinträchtigungen in bedeutsamen Domänen.

Methoden Dem STING-Test liegt die Idee eines Omnibus-Tests zugrunde. Er integriert attentionale, lexikalisch-semantische, Speed- und inhibitorische Komponenten. Dabei werden eine individuelle sensomotorische Basiskomponente und eine höhere kognitiv/exekutive Komponente getrennt erhoben und erlauben, eine kognitive von einer unspezifisch generalisierten oder rein sensomotorischen Beeinträchtigung zu differenzieren. Der Test wurde an einer Stichprobe von 907 Probanden, aufgeteilt nach Alter und Bildung, normiert. Seine Diskriminationsleistung wurde untersucht an 64 Patienten (32 M, 32 F) mit vorwiegend leichten bis moderaten neuropsychologischen Auffälligkeiten.

Ergebnisse Die Merkmalskonstanz liegt im Wesentlichen bei r = .82–.95, die Bedingungskonstanz in parallelen Messungen bei r = .82–.91. Die Zeitkonstanz wird in einer Teilstichprobe niedriger (r = .48–.81) geschätzt. Übungseffekte treten im moderaten Rahmen auf (7–12 %). Der STING weist Zusammenhänge mit verwandten Testverfahren auf, wobei er sich von reinen Intelligenztests abgrenzt. Für die Alterskategorie von 12 – 34 Jahren erwies sich die Anzahl korrekt bearbeiteter Items im komplexeren zweiten Testteil als geeignetster Klassifikator in Bezug auf klinische Auffälligkeit, mit einer Sensitivität von 83% und einer Spezifität von 47 %. Zwischen 35 und 64 Jahren wurde die Diskriminationsleistung durch die Kombination mit dem Verhältnis aus den beiden Testteilen verbessert, welches kognitive Kosten des Aufgabenwechsels repräsentiert. Einer Sensitivität von 71 % steht hier eine Spezifität von 70 % gegenüber.

Diskussion Insgesamt erweist sich der STING als Screeningverfahren zur globalen Erfassung kognitiver Beeinträchtigungen als hinreichend sensitiv. Ein auffälliges Ergebnis ersetzt nicht eine neuropsychologische Untersuchung, sondern indiziert diese. Damit geben wir klinisch tätigen Neurologen, Psychologen und Psychiatern ein Werkzeug an die Hand, das es ihnen gestattet, auch leicht- bis mittelgradige transiente oder chronische Funktionseinbußen kognitiver Leistungen zu objektivieren und im zeitlichen Verlauf zu kontrollieren.

Abstract

Background With the Stroop-Interference-NoGo-Test (STING), we introduce an efficient and sensitive screening tool for the assessment of mild to moderate cognitive impairment. Its development was motivated by the ongoing economization of diagnostics and therapy in clinics as well as by the increased recognition of the effects of cognitive impairments on quality of life and professional reintegration. Established screenings such as the MoCA, MMSE and CAMCOG are either more time-consuming or lack sensitivity with regard to mild to moderate impairments in relevant domains.

Methods STING is based on the idea of an omnibus test. It integrates attentional, lexical-semantic, speed- and inhibitory components. In this way, a basic sensorimotor component is separated from a higher-order cognitive/executive component, which allows for differentiation between cognitive and generalised or merely sensorimotor impairments. The norms are based on data from 907 participants (386 M, 521 F). Its discriminative power was investigated in 64 patients (32 M, 32 F) with heterogeneous, but predominantly mild to moderate neuropsychological impairments.

Results The split-half-reliability is essentially r = .82–.95. For the parallel-test-reliability, the index is r = .82–.91, whereas the test-retest-stability is estimated somewhat lower (r = .48–.81). Practice effects are moderate (7–12 %). STING is correlated with many familiar tests, but sets itself apart from mere intelligence testing. Within the age category of 12–34 years, the amount of correct items in the more complex second half of the test was predictive for clinical caseness, with a sensitivity of 83% and a specificity of 47 %. Between the ages of 35 and 64, the classification was improved by the combination with the ratio of both halves, which represents set-shifting-costs. Here the sensitivity of 71 % goes hand in hand with a specificity of 70 %.

Discussion STING provides a measure that can be considered sufficiently sensitive for use in the global assessment of cognitive impairment. A positive result does not replace a neuropsychological assessment, but indicates the need for one. The test offers an opportunity to neurologists, psychologists and psychiatrists to objectify mild to moderate, transient, or chronic functional impairments and to evaluate their course over time.