Rofo 2017; 189(04): 309-311
DOI: 10.1055/s-0043-104773
Consensus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

White Paper: Curriculum Interventionelle Radiologie

Article in several languages: English | deutsch
Andreas H. Mahnken
1   Diagnostic & Interventional Radiology, Philipps-University Marburg, Germany
,
Arno Bücker
2   Clinic of Diagnostic and Interventional Radiology, Saarland University Medical Center, Homburg, Germany
,
Christian Hohl
3   Radiologie, St. Marien-Krankenhaus Siegen, Germany
,
Ansgar Berlis
4   Neuroradiologie, Neurozentrum, Freiburg, Germany
› Author Affiliations
Further Information

Correspondence

Prof. Andreas H. Mahnken
Diagnostic & Interventional Radiology, Philipps-University Marburg
Baldingerstraße
35043 Marburg
Germany   
Phone: ++ 49/64 21/5 86 62 30   

Publication History

25 January 2017

22 February 2017

Publication Date:
23 March 2017 (online)

 

Zusammenfassung

Ziel Die interventionelle Radiologie hat in den letzten Jahrzehnten an Umfang und Bedeutung gewonnen und wurde mittlerweile durch die „European Union of Medical Specialists“ (UEMS) als eigenständige Subspezialität anerkannt. Sie ist integraler Bestandteil der Radiologie und basiert auf radiologischen Bildgebungs- und bildgestützten Behandlungstechniken.

Material und Methoden Die Deutsche Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimalinvasive Therapie (DeGIR) hat 2009 eine zertifizierte Weiterbildung für die Fortbildung in interventioneller Radiologie entwickelt. Im Jahr 2012 wurde dies in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) auf das neurointerventionelle Spektrum ausgedehnt. Zugeschnitten auf diese Weiterbildung wurde nun ein Curriculum entwickelt, das die Anforderungen an diese modulare Weiterbildung strukturiert abbildet.

Ergebnisse Das Curriculum basiert auf dem DeGIR/DGNR-Modul- und Stufenkonzept. Auch auf Ebene der europäischen Fachgesellschaft „Cardiovascular and Interventional Radiological Society of Europe“ (CIRSE) gibt es ein Curriculum für die Fortbildung in interventioneller Radiologie („European Curriculum and Syllabus for Interventional Radiology“). Mit dem vorliegenden Curriculum soll eine einheitliche Basis für die Fortbildung zum interventionellen Radiologen in Deutschland gelegt werden, wobei es auf den in der Facharztweiterbildung zum Radiologen erworbenen Kenntnissen aufbaut.

Schlussfolgerung Dieses Curriculum der DeGIR kann als Grundlage für die Fortbildung an den einzelnen zertifizierten Ausbildungsstätten für interventionelle Radiologie verwendet werden.

Kernaussagen

  • Die Interventionelle Radiologie ist integraler Bestandteil des Fachgebiets Radiologie.

  • Die Deutsche Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimalinvasive Therapie (DeGIR) hat ein Curriculum für die Fortbildung in interventioneller Radiologie entwickelt.

  • Das DeGIR Curriculum Interventionelle Radiologie schafft eine einheitliche Basis für die Fortbildung zum interventionellen Radiologen.

Zitierweise

  • Mahnken AH, Bücker A, Hohl C et al. White Paper: Curriculum in Interventional Radiology. Fortschr Röntgenstr 2017; 189: 309 – 311


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Einleitung

Die interventionelle Radiologie ist integraler Bestandteil der klinischen Radiologie. Den Kern dieser Spezialität bilden bildgesteuerte diagnostische und therapeutische Prozeduren. Neben den minimalinvasiven Eingriffen umfasst die interventionelle Radiologie als wichtige Bestandteile die Krankheitslehre die verschiedenen Techniken der Bildgebung und insbesondere das Patientenmanagement [1]. Dabei gibt es erhebliche Überschneidungen mit anderen klinischen Fächern, die teilweise ebenfalls Techniken zur Bildsteuerung und primär in der Radiologie entwickelte Kathetertechniken verwenden. Da auf radiologischen Techniken basierende Bildsteuerung ein Kernelement der interventionellen Radiologie ist, sind fundamentale Kenntnisse von Strahlenbiologie und Strahlenschutz essenziell für interventionelle Radiologen [2] [3].

Die interventionelle Radiologie hat sich in den letzten Jahrzehnten rapide entwickelt. Die Art der Prozeduren, die steigende Zahl der Prozeduren und insbesondere die zunehmende Komplexität der Prozeduren haben hier zu besonderen Anforderungen in der Ausbildung von Radiologen geführt [2]. Dabei ist neben dem Wissen um die Art, Durchführung und Ergebnisse der interventionell-radiologischen Prozeduren auch der manuelle Aspekt zu berücksichtigen. Entsprechend der zunehmenden Komplexität und der damit einhergehenden Spezialisierung hat sich die interventionelle Radiologie beispielsweise in den USA kürzlich als eigene Spezialität etabliert. Im Jahr 2015 wurde ein eigenes „Residency Program“ durch das “Accreditation Council for Graduate Medical Education” eingeführt [4]. Im europäischen Raum hat die European Union of Medical Specialists (UEMS) die interventionelle Radiologie bereits im Jahr 2009 als eigenständige Subspezialität der Radiologie anerkannt [5]. Besondere Zielsetzung der “UEMS Specialist Division – Interventional Radiology” ist es seither, Standards für die Ausbildung und das Training von interventionellen Radiologen zu etablieren. Dazu wurde u. a. durch die CIRSE ein Curriculum in Interventioneller Radiologie geschaffen, das nach einer Fachprüfung in einer Zertifizierung (European Board of Interventional Radiology – EBIR) kumuliert [2] [6].

In Deutschland hat sich die interventionelle Radiologie seit 2008 von einer Arbeitsgemeinschaft innerhalb der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) zu einer Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimalinvasive Therapie (DeGIR) neu organisiert. Die DeGIR ist als Tochtergesellschaft der DRG fest in dieser verankert. Da die Weiterbildung zum Facharzt für Radiologie bereits ausführliche Vorgaben enthält, sieht die DeGIR auch keinen Anlass für die Einrichtung eines eigenen Schwerpunkts. Analog der „UEMS Specialist Division – Interventional Radiology“ ist die Etablierung von Trainingsstandards für die interventionelle Radiologie unter Einbeziehung von hochspezialisierten interventionellen Eingriffen eine zentrale Aufgabe der DeGIR. Dieses Ziel wird in enger Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) betrieben. Ziel ist es einen einheitlichen Standard an Wissen und Fähigkeiten, welche die Anforderungen an einen interventionellen Radiologen abbilden, zu etablieren. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass die Interventionelle Radiologie mit Ihrem breiten Spektrum mehrere Gebiete umfasst, wie z. B. revaskularisierende Gefäßeingriffe, onkologische und neuroradiologische Interventionen.

Zu diesem Zweck wurde in Anlehnung an die Qualifizierungsoffensive der DeGIR ein zweistufiges modulares Konzept erarbeitet. Dieses bildet in zwei Stufen und sechs inhaltlich getrennten Modulen die Anforderungen an einen interventionellen Radiologen bzw. Neuroradiologen ab ([Tab. 1]). Diese Fortbildung wird mit einer Fachprüfung abgeschlossen [7].

Tab. 1

Thematisch gegliederte Module des DeGIR/DGNR Modul- und Stufenkonzeptes.

Bezeichnung

Kurzbeschreibung der Modulinhalte

Modul A

gefäßeröffnende Verfahren inkl. Lyse, PTA, Stent, Endoprothesen, Thrombektomie etc.

Modul B

gefäßverschließende Verfahren inkl. Coils, Flüssigembolisate, Partikel, Plugs etc.

Modul C

diagnostische Punktionen, Drainagen, PTCD, Gallenwege, TIPPS, Gastrostomie, Port etc.

Modul D

onkologische Verfahren inkl. TACE oder andere tumorspezifische Embolisationen, Ablationen, perkutane Tumortherapien

Modul E

gefäßeröffnende Neurointerventionen (PTA/Stent der extrakraniellen supraaortalen Arterien, PTA/Stent der intrakraniellen Arterien, mechanische Rekanalisation beim Schlaganfall, lokale Lyse und Spasmolyse beim Schlaganfall)

Modul F

neurovaskuläre Embolisationsbehandlungen (Embolisation und vergleichbare Verfahren bei intrakraniellen Aneurysmen, Embolisation intrakranieller und spinaler Gefäßfehlbildungen, sonstige Embolisationen an Hirn-, hirnzuführenden und rückenmarkversorgenden Gefäßen)

Begleitet wurde die Schaffung dieses modularen Programms von der Etablierung eines Netzwerkes von Ausbildungs- und Hospitationszentren. Die Fortbildung zum interventionellen Radiologen soll zukünftig an zertifizierten Ausbildungsstätten erfolgen. Diese müssen über die seit 1994 etablierte Qualitätssicherungssoftware der DeGIR eine dokumentierte Mindestzahl von Prozeduren für die einzelnen Module nachweisen [8] [9]. Außerdem muss ein Ausbilder vorhanden sein, der über die entsprechenden höchsten Qualifikationsnachweise der DeGIR verfügt.


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Curriculum Interventionelle Radiologie

Um einen für den deutschsprachigen Raum einheitlichen Fortbildungsinhalt zu definieren, bedarf es eines einheitlichen Curriculums. Auf europäischer Ebene wurde bereits 2013 durch die „Cardiovascular and Interventional Radiological Society of Europe“ (CIRSE) mit dem „European-Curriculum-and-Syllabus-for-Interventional-Radiology“ eine Grundlage für eine einheitliche Ausbildung geschaffen [10]. Dies wird jedoch in Struktur und Teilen seiner Inhalte nicht den Anforderungen und Realitäten der Fortbildung auf dem Gebiet der Interventionellen Radiologie in Deutschland gerecht. Daher wurde seitens der DeGIR ein auf das DeGIR/DGNR-Modul- und Stufenkonzept aufbauendes Curriculum für Interventionelle Radiologie geschaffen [http://www.degir.de/media/document/12906/Curriculum-DeGIR-final.pdf (letzter Zugriff: 02.03.2017)]. Dieses Curriculum baut auf die im Rahmen der Facharztweiterbildung zum Radiologen bereits vermittelten Kenntnisse in diagnostischer und interventioneller Radiologie bzw. Neuroradiologie auf und entwickelt diese weiter. Dieser curriculare Katalog stellt den möglichen Umfang der jeweiligen Module ohne eine Gewichtung der einzelnen Themen dar.

Das DeGIR Curriculum Interventionelle Radiologie setzt sich dabei aus modulübergreifenden Themen ([Tab. 2]) und spezifischen modulbezogenen Anforderungen zusammen. Letztere werden für die verschiedenen Module durchgehend nach Technik, Material, Bildsteuerung und prozeduralen Besonderheiten gegliedert, wie [Tab. 3] dies für die Katheterangiografie als Teil des Moduls A illustriert.

Tab. 2

Modulübergreifende Themen des DeGIR Curriculums Interventionelle Radiologie.

Allgemeine Kenntnisse und Strahlenschutz

allgemeine Kenntnisse

  • Anatomie der Arterien und Venen, Gefäßterritorien (funktionelle Hirnareale)

  • Grundlagen der Hämodynamik und vaskulären Physiologie

  • Grundlagen der Analgesie und Sedierung

  • Grundlagen der Blutgerinnung sowie der Pharmakologie blutgerinnungshemmender Substanzen und deren Antagonisierung

  • Grundlagen der Pathologie, Pathophysiologie und klinischen Beurteilung der modultypischen Erkrankungen

  • Pharmakologie, Risiken und Komplikationsprofil von Kontrastmitteln

  • alternative und komplementäre Diagnostik- und Therapieverfahren (Stellenwert nicht invasiver Diagnostikverfahren, gefäßchirurgische Standardtherapien, Hybrid-Eingriffe, konservative Therapieansätze etc.)

  • Grundlagen des peri-interventionellen Monitorings

  • Grundlagen der interdisziplinären Indikationsstellung und Zusammenarbeit

  • Grundlagen der Qualitätssicherung (DeGIR-QS, gesetzlich verpflichtende QS)

Strahlenschutz bei interventionell-radiologischen Verfahren

  • aktiver Strahlenschutz (gepulste Durchleuchtung, last- image-hold, Aufzeichnung von Durchleuchtungsserien, Einblendung, Aufnahmegeometrie)

  • passiver Strahlenschutz (Schutzkleidung, Bleiglasbrille, gerätegebundener Strahlenschutz, Strahlenschutzscheibe), Besonderheiten bei CT-Interventionen mit hohen kV-Werten

  • Dosimetrie, Dosis Structure Report (DSR)

Tab. 3

Beispiel eines modulbezogenen Themas des DeGIR Curriculums Interventonelle Radiologie.

Aortale, viszerale und periphere Katheterangiografie

Technik

Cross-over-Technik, selektive und superselektive Kathetertechniken

Materialkunde

Übersichts- und Selektivkatheter, manuelle und maschinelle KM-Injektion. Vor- und Nachteile unterschiedlicher Kontrastmittel (z. B. jodhaltige KM, CO2…), Medikation (Butylscopolamin, Vasodilatatoren, etc.)

Steuerung

Durchleuchtung (gepulst, Hochdosis), DSA

Besonderheiten

Niereninsuffiziente Patienten, KM-Unverträglichkeiten

Dieses Curriculum wird als lebendes Papier verstanden und soll entsprechend der Entwicklungen der interventionellen Radiologie Veränderungen und Ergänzungen erfahren. Mit diesem Curriculum wurde nun für Deutschland erstmals die Grundlage geschaffen, die Inhalte der interventionellen Radiologie und Neuroradiologie strukturiert zu vermitteln. Das Curriculum kann als Grundlage für die individuelle Gestaltung der Fortbildung an den einzelnen Weiterbildungsstätten für Interventionelle Radiologie und/oder Neuroradiologie herangezogen werden. Es bildet gleichzeitig die Basis für die Fachprüfungen der Stufe 2 „Spezialisierung in Interventioneller Radiologie und/oder Neuroradiologie“. Inhaber von Zertifikaten der Stufe-2 dürfen sich künftig als „Zertifizierte interventionelle Radiologen der DeGIR (Stufe 2)“ bzw. „Zertifizierte interventionelle Radiologen/Neuroradiologen der DeGIR/DGNR (Stufe 2)“ bezeichnen. Dabei sind in Abhängigkeit davon, in welchen Modulen die Stufe-2-Zertifizierung erworben wurde, verschiedene Zusätze wie z. B. Gefäßmedizin oder Interventionelle Onkologie möglich.


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