Diabetes aktuell 2017; 15(03): 93
DOI: 10.1055/s-0043-108774
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Können wir den Diabetes wegfasten?

Antje Bergmann
1   Dresden
,
Peter E. H Schwarz
1   Dresden
› Author Affiliations
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Publication Date:
18 July 2017 (online)

Der eine oder andere denkt sich jetzt vielleicht, warum wir hier ein so „altes“ Thema aufgreifen. Tatsächlich gibt es neue wissenschaftliche Ergebnisse, die unter Umständen eine Renaissance des Fastens auslösen können. Dass Leberfett ein drastischer Trigger für die Risikoerhöhung für chronische Erkrankungen ist, wissen wir. In der vorliegenden Schwerpunktausgabe der Diabetes aktuell können Sie aktuelle Forschungsergebnisse zu diesem Thema nachlesen.

Lapidar gesagt, ist das Leberfett vermutlich eine „toxische Substanz“ in unserem Körper. In verschiedenen Studien, die unter der Federführung des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) durchgeführt werden, sehen wir, dass eine steigende Menge an Leberfett die Response auf Lebensstilinterventionen, aber auch auf medikamentöse Behandlungen drastisch beeinträchtigt. Diese Studien lassen den vorsichtigen Schluss zu, dass das Leberfett eine zentrale Barriere für eine medizinische Therapie, aber auch für Präventionsmaßnahmen darstellt. Warum ist dies so relevant?

Die andere Seite der Medaille: Fastenprotokolle können zu einer drastischen bis hin zu einer kompletten Abnahme des Leberfetts führen. So wurde untersucht, ob ein 3 Wochen langes Fasten mit etwa 600 bzw. 800 Kilokalorien pro Tag oder auch variable Fastenprotokolle einen Einfluss auf das Leberfett haben. Verblüffenderweise kam es in manchen Studien zu einer drastischen Reduktion des Leberfettes – bis hin zu seinem kompletten Verschwinden. Ein 3-wöchiges Fasten kann selbst bei insulinisierten Typ-2-Diabetespatienten eine Normalisierung des Glukosespiegels ohne Insulingabe möglich machen. Diese Daten einer Studie aus Oberstaufen und der Universität München sind beeindruckend, und zusammen mit der logischen Pathophysiologie zwischen Fasten und Leberfett schaffen sie eine gute Evidenzbasis für das Fasten bei Diabetespatienten. Damit stellt sich die Frage, ob wir unsere Diabetespatienten vor Beginn ihrer Therapie oder bei Dekompensation einer Therapie 3 Wochen lang fasten lassen sollten?

Eine kürzlich stattgefundene Adipositaskonferenz in Saudi-Arabien mit einer Vielzahl internationaler Referenten hat sich genau diesem Thema gewidmet. Saudi-Arabien hat übrigens ein noch deutlich größeres Problem mit der Fettleibigkeit als europäische Länder, andererseits ist das Fasten in der muslimischen Kultur viel stärker verhaftet als in unserer christlichen, abendländischen Kultur. Allerdings nehmen während des Fastens im Ramadan viele Diabetespatienten zusätzlich zu, weil sie über Nacht zu viel essen – aber immerhin existiert diese Fastenkultur.

Könnten diese positiven Ergebnisse zum Fasten – wenn diese bestätigt würden – eine Renaissance des Fastens bedingen und dazu beitragen, das Fasten als einen wichtigen Bestandteil einer Diabetestherapie zu etablieren? Sicherlich ist dieser Ansatz nicht neu. Viele Universitäten in Deutschland und Diabeteskliniken operieren bereits mit Fastenmodellen oder haben eigene Fastenprodukte entwickelt. Trotzdem führt das Fasten noch immer ein stigmatisiertes Nischen-Dasein.

Insbesondere heute, in einer Zeit, in der viele unterschiedliche Fastenprotokolle existieren, mobile Apps das Fasten unterstützen können und viele Gesundheitsanbieter Fasten als attraktives Geschäftsmodell erkennen, ist es für uns Ärzte an der Zeit, klar Position zu beziehen. Denn hier bietet sich uns die Möglichkeit, aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse mit traditionellen naturheilkundlichen Strategien sowie modernen eHealth- bzw. mHealth-basierten Interventionskonzepten zu verbinden und eine 1-mal jährliche Behandlung oder Intervention für Diabetespatienten anzubieten, von der diese klar profitieren würden. Dieses Konzept weiter zu verfolgen, lohnt sich! Vielleicht steht in Zukunft in unseren Leitlinien, dass nach der Diagnose eines Diabetes mellitus Typ 2 der Patient 3 Wochen fasten sollte, bevor er eine Diabetestherapie beginnt?