Mit Interesse haben wir die kritische Auseinandersetzung der Kollegen Wohlgemuth,
Mueller-Wille und Wildgruber mit unserem Fallbericht gelesen (Wohlgemuth WA, Mueller-Wille
R, Wildgruber M.
Fortschr Röntgenstr 2017; 189: 259; DOI: 10.1055/s-0043-101523
). Wir möchten diese nicht unkommentiert lassen und nochmals unsere Sicht verdeutlichen.
In der Kasuistik berichteten wir über die zentrale Rolle der CT-Angiografie in der
Notfalldiagnostik einer Angiodysplasie-bedingten pathologischen Schenkelhalsfraktur.
Die Kollegen hinterfragen sowohl die Diagnose, das diagnostische Verfahren als auch
das therapeutische Konzept. Darüber hinaus empfehlen sie die Vorstellung derartiger
Patienten in einem interdisziplinären Gefäßzentrum.
Tatsächlich befand und befindet sich der Patient aufgrund der intra- und extraossären
arteriovenösen Malformationen des linken Beines seit über 30 Jahren in höchstspezialisierter
interdisziplinärer Behandlung. Die zunächst regelmäßig durchgeführten interventionellen
Embolisationen, die, wie so oft in solchen Fällen, zwar passagere Besserung brachten,
aber auch zu Komplikationen führten, wurden schließlich vom Patienten abgelehnt.
Der Hinweis der Kollegen Wohlgemuth, Mueller-Wille und Wildgruber auf eine inadäquate
Diagnose ist zu relativieren. Der Kollege Wohlgemuth weist selbst auf ein „weites
Spektrum an Erscheinungsbildern und Symptomen angeborener Gefäßfehler“ hin und spricht
von einem „babylonischen Gewirr an Syndromnamen und Klassifikationen“, welche „oft
nicht scharf definiert“ seien. Ferner existiere eine „Vielzahl heterogener Patientenbilder
mit ganz unterschiedlicher Prognose und Therapienotwendigkeit“ (Wohlgemuth et al.
Zentralbl Chir 2012; 137: 440 – 445). Diese Auffassung teilen wir.
Grundsätzlich sollte der Gebrauch von Eponymen vermieden werden, da sie keine präzise
Diagnose darstellen (Malan E. Vascular malformations. Carlo Erba Foundation 1974).
Diese Überzeugung hat auch in der ISSVA-Nomenklatur von 2014 Berücksichtigung gefunden
(Matassi et al. Hemangiomas and Vascular Malformations. An Atlas of Diagnosis and
Treatment, Springer 2015). Wir bevorzugen daher bei arteriovenösen Malformationen
die Verwendung der Schobinger-Klassifikation, da diese das klinische Bild charakterisiert,
in diesem Falle Stadium II–III (Lee BB et al. Int Angiol 2013; 32: 9 – 36).
Entgegen der Auffassung der Kollegen halten wir die CT-Angiografie in der geschilderten
Notfallsituation für das diagnostische Verfahren der Wahl. Die CT-Angiografie erlaubte
die Beurteilung des intraossären Ausmaßes der Gefäßmalformation, die exakte Charakterisierung
der Frakturmorphologie sowie darüber hinaus den sicheren Ausschluss einer aktiven
Blutung. Weder die von den Kollegen diskutierte Dopplersonografie noch die MRT entsprechen
einer adäquaten Notfalldiagnostik im Rahmen der geschilderten Kasuistik.
Ebenso wenig teilen wir die Auffassung, dass das auf der CT-Angiografie basierende
unmittelbare therapeutische Konzept inadäquat gewesen sei. Die Indikation zur primär
konservativen Therapie ergab sich aus der interdisziplinären Abwägung der operativen
Risiken einer massiven Blutung sowie postoperativer Wundheilungsstörungen bei vorbestehenden
ausgedehnten kutanen Ulzerationen. Der Patient selbst wollte darüber hinaus insbesondere
das bestehende Operationsrisiko eines Extremitätenverlustes nicht eingehen. Die Notwendigkeit
einer sekundären operativen Versorgung bei Versagen der primär konservativen Therapie,
wurde sowohl mit dem Patienten diskutiert, als auch in unserem Fallbericht ausdrücklich
erwähnt.
Zweieinhalb Jahre nach dem Oberschenkelhalsbruch versorgt der Patient als Alleinerziehender
weiterhin seine zwei Kinder und bewegt sich an Unterarmgehstützen im Haus. Eine weitere
Embolisationstherapie der arteriovenösen Malformation lehnt er unverändert ab, ebenso
wie eine sekundäre operative Versorgung.
Zusammenfassend erfordern komplexe Gefäßmalformationen nicht nur eine interdisziplinäre
Diagnostik und Therapie in spezialisierten Zentren, sondern eine klinisch korrekte
Einschätzung der Notfallsituation, basierend auf einer adäquaten radiologischen Notfalldiagnostik,
wie in unserer Kasuistik beschrieben.
Eine weitere wichtige Lehre unseres Fallberichtes ist die Vermittlung maßvollen ärztlichen
Handelns. Dieses sollte auch in allen anderen Bereichen des klinischen Alltags, nicht
nur im Dialog mit unseren Patienten, sondern auch im kollegialen interdisziplinären
Dialog eine Selbstverständlichkeit sein.